Samstag, 28. April 2018

Interview zu Ivonne Hübner


(copyright) Tamara Stöbener
Interview zu Ivonne Hübner

Liebe Ivonne, vielen lieben Dank für das Interview im Rahmen der Blogtour.

Von Dir sind bei Dryas mindestens zwei historische Romane erschienen, „Teufelsfarbe“ und „Die Tuchhändlerin“, die beide im weitesten Sinne im Milieu der Stoffe spielt.

Fasziniert Dich die traditionelle Herstellung von farbigen Stoffen?

Ich glaube, das ist nur nebensächlich. Mich interessierte bei jeder Geschichte die Location, die Geschichte der Orte und das damit verbundene Handwerk. Nicht zu vergessen der jeweilige Menschenschlag. Räumlich gesehen liegen zwischen Horka („Teufelsfarbe“) und Großschönau („Die Tuchhändlerin“) etwas mehr als eine Autostunde und ein landschaftliches Gefälle von knapp 1000 Höhenmetern, sowie die Unterschiede in der traditionellen Architektur (Umschrotholzhaus vs. Umgebindehaus). Das ist gerade das Schöne an der Oberlausitz: diese Vielfalt. Das Textilgewerbe aber gehört hier hin genau wie das Leinöl und der Quark. Wenn du einen hist. Roman aus dieser Gegend schreiben willst, kommst du quasi an der Textilindustrie nicht vorbei.

In „Teufelsfarbe“ scheitert Christoph an der Angst der Dorfbevölkerung vor Fortschritt und Neuerungen, in „Die Tuchhändlerin“ werden die Weber vom Fortschritt überholt. Was fasziniert Dich an der Aufklärung und Fortschritt in vergangen Zeiten besonders?

Das Tauziehen zwischen Tradition und Fortschritt, Interessens- und Generationenkonflikte, ist, was mich interessiert; wie verhalten sich Menschen, die mit Neuem konfrontiert werden. Das ist in meiner Familie ein großes Thema: Mein Vater wird viel bei Gebäudesanierungen zurate gezogen, er erneuert die Kanzeln auf Schlossdächern oder macht traditionelle Umschrotholzhäuser feuersicher o.ä. Sein Bruder hingegeben arbeitete zeitlebens in der Braunkohlegrube und gehörte zur Maschinerie, die die alten Lausitzer Dörfer einfach weggebaggert hat. Erhalt von Tradiertem und dessen unwiederbringliche Zerstörung waren also Diskussionsstoff bei manch einem Familientreffen. Und ich denke, so erging das jeder Generation. Ich komme allmählich in das Alter, wo man kritisch auf die Jugend schaut, wo man anfängt, nicht mehr alles zu verstehen, womit die Jugend sich auseinandersetzt. Da muss man aufpassen, dass man nicht so häufig Sätze mit „Als ich so alt war wie du...“, oder „Damals gab es so was nicht ...“ beginnt. Und hier sollte man akzeptieren und tolerieren, dass jede Generation ihren Fortschritt hat, und hoffen, dass auf Gutes und Bewährtes zurückgegriffen wird. Letzteres ist dann Aufgabe der Älteren.

In „Teufelsfarbe“ können die meisten Dorfbewohner nicht lesen und schreiben. Bei Vertragsunterzeichnungen mussten sie auf das vertrauen, was man ihnen über die Schriftstücke erzählte, selbst die Bibel konnten sie nicht lesen. Was stellst Du Dir als das größte Problem dieses Analphabetismus damals vor?

Aus heutiger Sicht: dass man den Menschen ein U für ein A vormachen konnte - so kam es ja dann auch zum „Supergau“ und der Reformation. Aus damaliger Sicht: es gab gewiss viele Leute, denen das egal war; Angst vor Bildung. Und diejenigen, denen ihr Manko bewusst war, reformierten schließlich.

Religion und Aberglaube sind ein wichtiges Thema in „Teufelsfarbe“. Was hat Dich daran besonders fasziniert?

Die Oberlausitz, unser Landstrich - wie wohl jeder - hat so seine dialektalen und volkstümlichen Besonderheiten. Das gehört dann einfach dazu, wenn man sich historisch interessiert. Noch heute pflegen wir hier von klein auf bestimmte Bräuche, wie z. B. die Vogelhochzeit oder das Zampern.
Wenn Du Dir eine Zeit aussuchen dürftest, in welche Zeit würdest Du gerne mal reisen?

Ich glaube in jede, mit der ich mich intensiver befasse, um zu gucken, wie es so war.

Margarete hegt und pflegt ihre Kräuter mit viel Liebe. Kennst Du Dich selbst auch mit Heilkräutern aus?

Ja das schon. Ich versuche meine Kinder stets zuerst aus der „Apotheke Gottes“, wie es Maria Treben genannt hat, zu versorgen, wenn gar nichts mehr geht, dann Schulmedizin, was jedoch meist nicht nötig ist.

Der Garten war der Stolz einer Bäuerin im 16. Jahrhundert, wie sieht es bei Dir aus, worauf bist Du besonders stolz?

Mein Garten ist schon sehr wichtig. Meine Familie und deren Wohl kommt aber an erste Stelle. Damit die Kinder sich frei und natürlich entwickeln können, mache ich den Hof am Schöps zu einem Paradies für sie. Stolz ist ja immer situativ und klingt hochmütig. Dennoch sind wir uns darüber einig, uns treu zu bleiben, unseren nächsten Menschen, der Natur und deren Geschenken nahe und dankbar zu sein und genau das unseren Kindern zu vermitteln. Ich bin z.B. stolz auf mein ältestes Kind, das mit 13 partout kein Smartphone haben möchte und nicht mit der Welle der ewig Gleichen mit schwimmt, sondern individuell bleibt.

Vielen Dank!

Die Tagesfrage lautet heute: Wie heißt die Gegend, in der „Teufelsfarbe“ spielt?
Die Möglichkeit am Gewinnspiel teilzunehmen, haben die Leser bis zum 30.April 2018 23.59 Uhr. Verlost werden 2 Exemplare von "Teufelsfarbe".

Teilnahmebedingungen

Für dieses Gewinnspiel gelten folgende Teilnahmebedingungen:
1. Teilnahme ab 18 Jahren oder mit Erlaubnis der Eltern.
2. Es wird keine Haftung für den Postweg übernommen.
3. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
4. Barauszahlung der Gewinne ist ausgeschlossen.
5. Der Versand der Gewinne erfolgt nur nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz.
6. Verwendet der Teilnehmer Bildmaterial, so bestätigt er mit der Teilnahme, dass er sämtlich Bildrechte innehat.
6. Der Gewinner ist im Falle eines Gewinns mit namentlicher Nennung auf dem Verlagsblog “Bakerstreet Bibliothek” und Facebookseite  des Dryas Verlags einverstanden.
7. Mit der Teilnahme am Gewinnspiel gelten die Teilnahmebedingungen als im vollem Umfang akzeptiert.


Viel Spaß und viel Glück!

Freitag, 27. April 2018

Teufelsfarbe – Ivonne Hübner, Dryas Verlag



Teufelsfarbe – Ivonne Hübner, Dryas Verlag

Sommer 1498: Der Bauer Alois Rieger und der Schmied Bertram Wagner entwickeln unter dem Schutz des örtlichen Junkers Christoph von Gerßdorff eine eisenbeschlagene Egge, die den Landbau erleichtern soll. Doch nicht alle freuen sich über diesen Fortschritt, viele halten die Egge, die ihnen die Arbeit erleichtert für ein Teufelswerk. Die Dorfbevölkerung beäugt sie mißtrauisch, der Pfarrer wettert lauthals und reißt die Gemeinde mit sich. Die Familien Rieger und Wagner werden nun trotz des Erfolges sozial ausgegrenzt. Als die Familie Wagner nun von einem Schicksalsschlag nach dem anderen heimgesucht wird, bis nur noch die jüngste Tochter Margarete überlebt, fühlen sich Pastor und Dorfgemeinschaft bestätigt.
Im Frühsommer 1508, an ihrem 18. Geburtstag wird Margarete Wagner mit dem stoffeligen, aber gutaussehenden Bauern Christoph Rieger vermählt. Er hat sie aus dem Armenhaus geholt, wo sie nach dem Tod ihrer Mutter lebte, um an ihre Mitgift, das Grundstück rund um die abgebrannte Schmiede zu gelangen. Denn wie sein Vater, hat auch Christoph große Pläne und für die benötigt er Geld! Es ist es leid von der Hand in den Mund zu leben und von den Launen der Natur abhängig zu sein. Statt des traditionellen Roggens, will er den Färberstoff Waid anbauen. Das gab es in dieser Gegend noch nie! Die Bauern sind empört, das gab‘s noch nie und kann daher nichts Gutes bedeuten. Sie versuchen mit allen Mitteln Christoph von seinem Plan abzubringen, während Margarete versucht sich mit dem von ihr seit ihrer Kindheit gefürchteten Christoph zu arrangieren. Was sie nicht ahnt: der Junker hat Bedingungen an die Erprobung des Waidanbaus gestellt und diese scheint sie nicht erfüllen zu können.
Dieses Buch beginnt mit einem Prolog. Auch wenn ich das Gefühl habe, daß Prologe gerade schwer in Mode sind, so ist dieser Prolog kein Kunsttrick, um Spannung zu erzeugen oder den Leser zu verwirren, nein, er ist wirklich nötig und trägt sehr zum Verständnis der Beziehung zwischen den Protagonisten Christoph und Margarete und auch den Anfeindungen aus dem Dorf bei, da dieses Misstrauen bereits aus der Generation ihrer Väter stammt und auf die Kinder übertragen wird. Sie sehen in Christophs Plänen quasi die Bestätigung, das das Böse (eigentlich nur der Fortschritt) der von ihren Vätern begonnen wurde, nun von Christophs Visionen noch getoppt wird. Fortschritt, Aufklärung, Forschergeist, nicht in Horka! Dort soll alles so bleiben, wie es immer war und es dem Pfarrer gefällt!
Die Macht der Geistlichkeit über die Gemeinde wird sehr eindrucksvoll dargestellt. Man beachte, daß Luther bereits seine Thesen angeschlagen hat und Gutenberg den Buchdruck erfunden. Dennoch ist die Landbevölkerung strikt gegen jeglichen Fortschritt, hängt aber jedem, aus heutiger Sicht, irrsinnigen Aberglauben nach. Während sämtliche Heilige, Bauernregeln und böse Omen bekannt scheinen, ist der Geist der Aufklärung noch nicht in Horka eingezogen. Margarete, die als einzige dem scheinbaren Familienfluch nicht zum Opfer fiel wird misstrauisch beäugt.
Wer glaubte, eine Zeitreise wäre ein tolles Abenteuer, in diese Zeit sollte er besser nicht reisen! Das Elend, die Armut und die Engstirnigkeit ist für heutige Verhältnisse eigentlich unvorstellbar (klar, für Kenner der damaligen Zeit oder regelmäßige Leser historischer Romane schon) und den Menschen heute eigentlich gar nicht aktiv bewußt. So erwartet Margarete ein liebloses Schicksal der sozialen Ächtung ohne große Hoffnung und doch schleichen sich Gefühle ein, die sie nie erwartet hat, wenn auch nicht ganz unbelastet.
Auch wenn der Klappentext diesen Roman als Christophs Geschichte darstellt, ist es doch eigentlich die von Margarete oder vielmehr ihrer ineinander verwobenen Schicksale. Sehr eindringlich wird die Situation der Erbbauern geschildert, dieses Leben, voller Leid und Entbehrung und allenfalls Hoffnungen auf ein Fünkchen Glück. Hier wird nichts geschönt, von Kitsch keine Spur, das hat mich ergriffen und ich habe mit Margarete gelitten. Doch war mir durch die Art der Schilderung der Autorin Ivonne Hübner klar, daß diese Geschichte eventuell kein gutes Ende nehmen mag. Zu unvorhersehbar waren die Entwicklungen, wo sollte das Happy End herkommen, wollte die Autorin nicht unglaubwürdig werden? Ich fragte mich stets: Was hält das Schicksal als nächstes für Margarete bereit?
Allerdings hätten einige Beschreibungen durchaus etwas knapper gehalten werden können.
Mobbing gab es schon vor den heutigen sozialen Medien und die soziale Ächtung dieses jungen Paares führt dies eindringlich vor Augen. Doch auch die Motivation wird sehr schön offengelegt, durch das Anprangern des Nachbarn lenkt man von sich und seinen Verfehlungen geschickt ab. Glauben die Täter zumindest. Natürlich wird hier nicht offen von Mobbing gesprochen, sprachlich ist der Erzählstil an die damalige Ausdrucksweise angepasst, allerdings moderat, so daß es stets gut verständlich ist, man aber schon allein durch die Wortwahl, nie die Zeit vergißt, in der die Geschichte spielt. Ivonne Hübner hat für dieses Buch ausführlich und gründlich recherchiert. Auch wenn es in der Gegend rund um Horka keinen Waidanbau gab, so gab es doch die Fortschrittsfurcht, die so eindringlich beschrieben wird. Ivonne Hübner studierte Germanistik, Kunstpädagogik und Erziehungswissenschaften in Leipzig. Seit 2008 lebt sie mit ihrer Familie in Potsdam, wo sie als Studienrätin arbeitet.
Ein erschütterndes Schicksal, das mich nicht so schnell losließ und mich dann doch dafür danken ließ, in der heutigen Zeit zu leben. So sehr der Fortschrittsglaube heute bisweilen übertrieben werden mag, so sehr wurde damals jeder Gedanke an Fortschritt zu Unrecht verteufelt.

Ein wirklich gutes Buch, daß ich gerne weiterempfehle.

Daher gibt es nun die Möglichkeit im Rahmen der Blogtour dieses Buch zu gewinnen!