Mittwoch, 18. Oktober 2017

Der Frauenchor von Chilbury – Jennifer Ryan, gelesen von Jasna Fritzi Bauer, Andrea Sawatzki, Elena Wilms, Monika Oschek und der Frauenchor Encantada, Argon Verlag



Der Frauenchor von Chilbury – Jennifer Ryan,  gelesen von Jasna Fritzi Bauer, Andrea Sawatzki, Elena Wilms, Monika Oschek und der Frauenchor Encantada, Argon Verlag
England, Grafschaft Kent im Frühjahr 1940: Die meisten Männer des Dorfes Chilbury sind im Krieg, nur die alten Kranken oder kleine Jungs sind noch dort. Da beschließt der Pastor, daß der Chor aufgelöst wird, da ein Chor ohne Männerstimmen nicht funktioniere. Einige Frauen sind empört, hat ihnen das Singen in der Gemeinschaft das Leben in der schwierigen Zeit erleichtert. Doch kaum zieht die leicht exzentrische, lebenslustige Musikprofessorin Primrose Trent ins Dorf und hört  von der Chorschließung, lässt sie ihn als Frauenchor von Chilbury unter ihrer Leitung wieder auferstehen. Sie fördert Talente, spricht Mut zu und versprüht Lebensfreude. Nur weil die Männer im Krieg sind, ist das kein Grund sich unterkriegen zu lassen! So erzählen vier Chormitglieder ihr Schicksal im Sommer 1940 aus ihrer Sicht: die verwitwete Krankenschwester Mrs. Tilling, die ermuntert und trostspendet, die raffgierige, skrupelose Hebamme Edwina, die nur mitsingt, um über den Chor an Informationen zu gelangen und die zwei unterschiedlichen Schwestern Kitty (13) und Venetia (18). Die schöne Venetia verdreht allen Männern die Köpfe, einfach nur, weil sie es kann, doch der gutaussehende Neuzugang Alastair Slaytor, scheint immun gegenüber ihren Reizen. Kitty träumt davon eines Tages eine berühmte Sängerin und mit Henry Brompton dem Sohn der reichsten Familie des Ortes verheiratet zu sein. Doch der Krieg ändert vieles, einige wachsen an den Herausforderungen, andere zerbrechen an dem Erlebten und Frauen werden sich ihrer Stärken und ihres Wertes bewußt.
Wer eine Geschichte vor allem eines Chores erwartet, der sollte vielleicht eher zu einem anderen Hörbuch greifen. Ja, es werden Passagen von Chorstücken angespielt und der Chor und seine Leiterin spielen auch eine Rolle, aber eben nicht die Hauptrolle. Anders als Geschichten wie „Die Kinder des M. Mathieu“ oder „Wie im Himmel“ ist dies vor allem ein Frauenroman, über vier sehr verschiedene Frauenschicksale im Kriegsjahr 1940, als das Leben nicht einfach war, aber das Schlimmste noch vor ihnen liegt. Wie und ob die 4 den Krieg überleben, bleibt der Fantasie der Zuhörerin überlassen, denn es werden nur die zentralen Schicksalserlebnisse dieses Sommers erzählt. Wer bereit ist sich darauf einzulassen und seine Erwartungen nicht zu sehr auf den Chor fixiert, darf sich auf emotionale und bewegende Frauenschicksale und teilweise empörende Intrigen freuen. Ob der Chor in der Romanvorlage für diese gekürzte Hörfassung eine größere Rolle spielt, vermag ich nicht zu beurteilen.
Ich fand den Aspekt der fast-männerlosen-Gesellschaft sehr interessant und wie der Krieg dadurch die Emanzipation wahrscheinlich viel stärker voran brachte, als vielen bewußt ist. Interessant fand ich auch daß es sich hier lediglich um die Kriegsbeginn handelt, die wirklich schlimmen Zeiten stehen noch bevor, aber es ist eben weniger eine Erzählung über das Kriegsleid oder den Wiederaufbau, sondern eben um diese Frauenschicksale, deren Wege sich in diesen Monaten besonders kreuzen, ehe sie auseinander gehen.
Mir haben die Dorfbewohnerinnen und ihr Leben wirklich sehr viel Freude bereitet und auch viele der Nebenrollen sind mir wirklich ans Herz gewachsen. Jasna Fritzi Bauer spricht die junge Kitty wunderbar natürlich und lebenshungrig. Ihre Schwester Venetia wird wirklich hervorragend von der mir bis dato unbekannten Monika Oschek verkörpert, der auch ganz toll den Wandel in Venetias Persönlichkeit gelingt. Elena Wilms als warmherzige Mrs. Tillings ist die ideale Besetzung, schon ihre warme Stimme lässt sie einen ins Herz schließen. Andrea Sawatzki hatte hörbar ihre Freude an der Rolle der intriganten, egomanischen Hebamme Edwina, deren vermeintliche Cleverness immer schiefgeht. Ich finde die Stimmen ganz ausgezeichnet gewählt, aber, und das empfinde ich als den einzigen Makel der Hörbuches: Nicht alle Stimmen sind gleich laut! Gerade auf CD 5, als Venetia ihre schlimmste Zeit mitmacht, ist ihre Tonspur deutlich leiser, als Andrea Sawatzki. Das fällt nicht sonderlich auf, wenn man in Zimmerlautstärke hört, hört man die CD jedoch leise, im Auto oder zum Einschlafen, kann man Monika Oschek nicht verstehen, obwohl ihr Part ganz entscheidend ist. Stellt man den Ton lauter, wird insbesondere die Stimme von Edwina so laut, dass man die ganze Nacht wach bleibt, um der Geschichte zu folgen. Meine Augenringe sprechen da eine deutliche Sprache.
Als großer Fan von CD’s als Tonträgern statt MP3, mochte ich die kurzen Tracks und die autofreundliche Taschenhörbuchverpackung. Diese Variante nimmt weniger Raum ein und der schnelle CD-Wechsel während der Fahrt ohne anzuhalten ist deutlich einfacher. Dabei lässt sich der Pappeinband durchaus ausdrucksstark bedrucken. Für die Kritiker, die sich über die geringe Chorpräsenz beschweren: schon das Cover zeigt ein ziemlich menschenleeres Dorf zu Kriegsbeginn und kein Chorgestühl.
Mir hat es ausgezeichnet gefallen, bis auf die Lautstärkedifferenzen in der Aufnahme der zwei besagten Sprecherinnen, die jedoch nur bei niedrigen Hörstärken ins Gewicht fallen. An der Qualität der Sprecherinnen als solche ändert dies nichts. Wer ohnehin in Zimmerlautstärke hört, dem wird dies nicht weiterauffallen, es ist nur ein Punkt, der mir bei Hörbüchern am Herzen liegt.
Ein wirklich tolles Frauenhörbuch mit starken Charakteren, ausdrucksstarken Stimmen und wunderschönen, wenn auch kurzen Choreinlagen.
Gerne vergebe ich 4,5 Sterne.

Montag, 16. Oktober 2017

Liliane Susewind: Ein kleiner Hund mit großem Herz, Tanya Stewner, KJB



Liliane Susewind: Ein kleiner Hund mit großem Herz, Tanya Stewner, KJB
Dieser Leseanfänger Band ist quasi eine Prequel zu den übrigen Bänden, denn er erzählt, wie Lilli zu Bonsai kam.
Lilli ist mit ihren Eltern und ihrer Oma im Urlaub in einem Hotel. Mama Susewind lebt immer noch in der totalen Panik, daß jemand hinter Lillis Gaben mit Tieren reden und Pflanzen zum Wachsen zu bringen, kommen könnte, daß sie es Lilli streng verboten hat, mit auch nur einem Tier zu sprechen. Aber wer Lilli kennt, der weiß, das kann einfach nicht funktionieren! Sobald sie ein Tier in Gefahr weiß, muss sie ihm einfach helfen. So beobachtet sie z.B. den großen fiesen Theo, der die Finken als Zielscheibe für seine Steinwürfe nimmt und andere Gemeinheiten plant. Da nimmt Lilli all ihren Mut zusammen und stellt sich ihm entgegen. Dort lernt sie auch einen kleinen strubbeligen Streuner, ohne Namen kennen, der Unmengen von Lebensmitteln aus der Hotelmülltonne in die Hecke schleppt. Was kann so ein kleiner Hund, nur mit so viel Futter anfangen?
Das Buchcover und der fette Hinweis: „Wie Bonsai zu Lilli kam“ sind dann wohl doch so verführerisch, daß meine große Tochter das Buch heimlich in einem Rutsch gelesen hat, als sie früher Schule-aus hatte und Mama noch in einem Termin feststeckte. Das scheint nichts Besonderes zu sein, ist es aber schon, wenn man weiß, dass dieses Kind freiwillig eigentlich gar nichts liest! Sie war dann auch so begeistert, dass sie uns alles verraten wollte, aber so nicht! Wir haben es diesmal alle getrennt voneinander gelesen. Fazit: ohhhh, das Ende war sooooo schön!
Da es eine Prequel ist, kommt natürlich auch Jesajah noch nicht vor und Lillis Mutter muss noch viel mehr lernen, als in den neueren Büchern! Dafür ist Lilli schon ganz sie selbst! Sie kann Tiere einfach nicht leiden sehen und auch Pflanzen nicht. Auch wenn sie eher schüchtern und zurückhaltend ist, kann sie in der Not über sich hinaus wachsen. Dadurch erfährt sie auch, daß selbst der scheinbar böse Konrad eigentlich auch ein Geheimnis hat. Denn Kinder sind ja eigentlich nicht böse, da steckt meistens viel mehr dahinter, man muss nur mal genauer hinschauen! Auch das Geheimnis hinter Bonsais scheinbarerer Verfressenheit fanden wir wirklich spannend.
Meine Kinder lieben den großen fetten Druck dieser Geschichten und auch die vielen farbigen Illustrationen. Auf der Messe noch stellte sich Johanna vor ein Regal und zeigte mir ein Buch mit dem Hinweis: „schau mal, das muss von der Illustratorin der kleinen Lilli-Bücher sein!“ Tatsächlich, sie hatte Florentine Prechtels Stil sofort erkannt! Die Kinder kommen offensichtlich gut klar mit zwei verschiedenen Illustrationsstilen, für die verschiedenen Altersstufen.
Ich würde mir sehr wünschen, dass auch für ältere Kinder die Bücher manchmal größer gedruckt würden, dass würde sicher vielen Kindern das Lesen erleichtern und die Leseprofis würden sich an größerer Schrift sicherlich auch nicht stören.
Ein sehr schönes Buch, nicht nur für Leseanfänger, sondern eigentlich auch für ältere Kinder, die gerne größere Schrift lesen. Es gibt viel mehr Menschen, die eine größere Schrift benötigen, als den Verlagen bewußt zu sein scheint…
Wir haben uns gefreut, daran erinnert zu werden, wie einsam Lilli ohne Freunde war und zu erfahren, wie Lilli und Bonsai zueinander gefunden haben. Vergnügliche Lesestunden, die 5 von 5 Sterne verdient hat.
Vielen lieben Dank an FJB, die Fischer Kinder und Jugendbücher für dieses wunderbare Rezensionsexemplar und Herzlichen Glückwunsch an Lilli zum 10. Buchgeburtstag!