Dienstag, 29. August 2017

Burg Schreckenstein, Filmhörspiel, Der Hörverlag



Burg Schreckenstein, Filmhörspiel, Der Hörverlag
Ich liebe die Schreckenstein-Bücher von Oliver Hassencamp. Als ich sah, daß diese verfilmt wurden, war mir sofort klar, meine Töchter müssen den Film unbedingt sehen!
Trotz anfänglicher Zweifel waren sie völlig begeistert und haben sofort einige der Streiche nachgemacht. Was habe ich mich über all die Zahnpaste unter den Türklingen kaputtgelacht! (na gut, gegrinst habe ich schon). Da ich das Filmhörspiel sofort haben wollten, hörten sie erst einmal mein Hörbuch gelesen von Rufus Beck zu einem der Originalbände. Das gefiel ihnen gut, aber nicht so gut, wie dieses Filmhörspiel.
Warum? Die Bücher werden hier ein wenig „entstaubt“:
Der elfjährige Stephan ist entsetzt: Er soll aufs Internat in die alte Burg Schreckenstein, um seine Noten zu verbessern. Der Direktor dort ist ein alter Freund seiner Mutter, die nach der Scheidung berufsbedingt (sie ist Stewardess) sich nicht genug um ihn kümmern kann. Zum Glück nehmen die Schreckensteiner Jungs Ottokar, Mücke, Strehlau und Dampfwalze ihn schon bald in ihren Rittergeheimbund auf, der regelmäßig in der verborgenen Folterkammer tagt. Hiermit beginnt der Internatsspaß für Stephan erst richtig beginnt! Gemeinsam wird in den alten Gemäuern des Jungeninternats eifrig an Streichen verschiedenster Art getüftelt, um den arroganten Mädchen des benachbarten Internats Rosenfels eins auszuwischen. Einer ihrer Streiche hat jedoch zur Folge, daß der Klassenraum einer der Mädchenklassen, als einsturzgefährdet eingestuft wird und diese Klasse (inklusive Mückes Schwester Inga) kurzweilig auf Burg Schreckenstein untergebracht wird. Doch die Mädels sind keineswegs auf den Kopf gefallen und lassen sich allerhand einfallen, um es den „Schreckies“ heimzuzahlen. Doch manchmal kommt alles ganz anders, als man denkt …
Dieses Filmhörspiel ist wirklich Kino für die Ohren! Es sind die Originalstimmen aus dem Film und auch die Filmsongs werden eingespielt, wenn auch leider nicht ausgespielt. Das Vokabular wurde entstaubt, das Wort Drahtesel wurde natürlich nicht mehr verwendet und sogar die Mädchennamen wurden modernisiert. Warum Mückes Schwester nun Inga statt Ingrid heißen muß und Sophie plötzlich Alina, werde ich nicht begreifen, denn Ottokar durfte seinen komischen Namen immerhin behalten. Was bei mir einen Sternabzug kostet, ist dass das Thema Ritterlichkeit in dieser Modernisierung für meinen Geschmack zu kurz kommt. In den Büchern sind die „Ritter“ nicht „Schreckis“ stets ehrlich, dürfen nicht fuschen und lügen. Ihre Streiche dürfen nichts zerstören und keinem wirklich schaden, sie rauchen und sie trinken nicht, anders als die „Hühner“ von Rosenfels. Hier sind die Kinder erst 11 Jahre alt, da wird Tabak und Alkohol nicht thematisiert, in der Vorlage sind sie deutlich älter, was auch Sinn macht. Denn der Ritterrat muß natürlich aus Oberstufen- und nicht aus Unterstufenschülern bestehen. Filmisch sind 11 Jährige für einen Kinderfilm aber durchaus besser. Die Burg Schreckenstein hat ein besonderes pädagogisches Konzept, das auf Vertrauen und Eigenverantwortung basiert, weshalb der Direktor „Rex“ ein wirklich gutes Verhältnis zu seinen Schülern hat. Bei der Verfilmung/Filmhörspiel kommt mir das etwas zu kurz, es wirkt auf mich eher wie das antiautoritäre „Summer Hill“ und ich bekomme bisweilen tatsächlich Verständnis für Frau Dr. Horn die Leiterin des Mädcheninternats, was in den Buchvorlagen nie der Fall war. Dennoch ist das Hörspiel wirklich kurzweilig und gut zu verstehen (bei Hörspielen habe ich oft das Gefühl, daß sie beim 1. Hören verwirrend sind, ein Problem, das hier nicht entstand). Auch die Lautstärke ist hervorragend ausbalanciert. Henning Baum und Sophie Rois hört man sofort heraus und beide spielen ihre Rollen wirklich hervorragend, man hört richtig die Ruhe und Ausgeglichenheit des „Rex“ und die überspannte Überkorrektheit von Frau Dr. Horn. Harald Schmidt habe ich nicht herausgehört (psst, das darf mein Mann, ein riesiger Harald Schmidt-Fan, nicht wissen). Die Kinder klingen natürlich alle jung, aber sie nennen sich so oft gegenseitig beim Namen, daß keine Verwechslungen aufkommen können.
Meine Kinder, die ja nun auch mein Hörbuch hören durften, finden das modernere Filmhörspiel viel besser und den Film hammerstark. Sie geben dem Filmhörspiel glatte 5 von 5 Sternen. Das ist ein Phänomen, daß ich immer wieder beobachte, denn auch andere Kino-Neuadaptationen, finden sie viel besser, als die von mir geliebten Originale. Der Filmemacher wußte also genau was er tat, er wollte ja die Kinder und nicht nur die Eltern ins Kino locken. Die Kinder sollen einen zweiten Teil fordern! Da aber durchaus noch Ähnlichkeit mit der literarischen Vorlage besteht, finde ich es wirklich gut gemacht und werde mir dann auch mal den Film anschauen (meine Kinder haben mir ernsthaft versichert, daß das Hörspiel dem Film entspricht) und bin auch Fortsetzungen gegenüber offen. Sie finden, das Hörspiel sei, als würde man den Film nochmal sehen! Klar, das Cover entspricht ja auch dem Filmplakat! Anders als bei Hörfilmen von Disney-Filmen ist das auch völlig ausreichend, uns haben keine Bilder gefehlt.
Sie sagen 5 Sterne, ich sage 4 Sterne, aber sie sind die Zielgruppe und ich bin Puristin…..

Samstag, 26. August 2017

Befreiungsschlag, Stefan Gemmel, Uwe Zissener, Arena Verlag



Befreiungsschlag, Stefan Gemmel, Uwe Zissener, Arena Verlag
Der 17 jährige Maik hat sein Leben bislang versemmelt. Sein Hauptschulabschluß ist so schlecht, daß an einen Ausbildungsplatz nicht zu denken ist. In einer Berufsfördermaßnahme sitzt er seine Zeit ab, wenn er sie nicht schwänzt. Sein Leben scheint darin zu bestehen, mit seinen Kumpels abzuhängen und auf den nächsten Ärger zu warten. Kommt ihm einer dumm, schlägt er zu. Doch das zu oft und zu heftig, daher verurteilt ihn die Jugendrichterin zu 1 Jahr und 6 Monaten auf Bewährung. Während der 3 jährigen Bewährungszeit hat er 80 Sozialstunden und anschließend ein Antigewalttraining (AGT) zu absolvieren.
Damit steht er mit einem Bein in Haft, doch auch das rüttelt ihn nicht wach. Seine verzweifelte Mutter und sein wütender Großvater verlangen von ihm, das AGT auch wirklich anzutreten. Doch bis dahin muß er erst noch binnen zwei Wochen die Sozialstunden ableisten, weil er sich mal wieder um nichts gekümmert hat. Die Ableistung der Bewährungsauflagen werden für Maik zu einer riesen Herausforderung. Nach und nach muß er sich sich selbst, seinen Ängsten, Nöten und Taten stellen. Das AGT und seine Teilnehmer werden zu einem festen Bestandteil seines Lebens und zu seiner Reise zu sich selbst.
Ich wollte ja schon immer wissen, wie so ein AGT abläuft, aber meine verurteilten Mandanten, haben mir immer nur sehr ausweichend geantwortet. Als ich von diesem Buch erfuhr, wollte ich es daher unbedingt lesen und es hat sich gelohnt! Als Leser begleitet man Maik zu 30 AGT-Terminen keinen einzigen darf er verpassen, egal wie schmerzhaft die Erkenntnisse sind, die er über sich selbst gewinnt. Denn das AGT ist letztendlich ein Verhaltenstraining. Um sein Verhalten zu ändern, bedarf es nicht nur der Einsicht, daß es falsch ist, man muß verstehen warum man so handelt, warum man bisher wie zwanghaft in ein Verhaltensmuster fiel, um es zu durchbrechen und zu ändern. Man dringt tief in Maiks Kopf, der anfangs nicht sympathisch ist. Seine Gedanken befremden und stoßen ab. Nach und nach beginnt er zu hinterfragen. Warum er so geworden ist. Man stößt auf eine Spirale des Mobbens und der Gewalt. Sehr gut gefielen mir die Einblicke in die Entstehung des Mobbings und die Nöte die es bei den Betroffenen auslöst. Wie die Opfer nicht selten, um den Druck, den sie erleiden, endlich rauszulassen, selbst zu schlagen. Wie die Opfer zu Gewalttätern werden, um ihre Opferrolle endlich zu durchbrechen. Dies ist sehr eindrucksvoll und nachvollziehbar beschrieben. Aber es entschuldigt nicht, es erklärt. Zudem zeigt Maik am Ende die Einsicht auf, wie er sich selbst aus dieser Spirale der Gewalt befreien kann.
Viele Leser mögen denken, ja das betrifft mich nicht, mit solchen Leuten habe ich nichts zu tun. Wirklich? Noch nie aus gefühltem Gruppenzwang einen Mitschüler verächtlich gemacht, oder einen Dritten grundlos respektlos behandelt? Dies könnte schon ein Mosaik in der Abwärtsspirale des Betroffenen sein. Bei sämtlichen Amokläufen werden die Täter als Außenseiter beschrieben, doch wie sind sie dazu geworden? Meist trägt die Umgebung eine Mitschuld und so sollte sich der Leser fragen, was kann ich tun, um mich nicht mitschuldig zu machen? Warum kann ich nicht jemanden der anders ist, einfach anders sein lassen, ohne einen blöden Spruch oder einen abschätzigen Blick.
Dieses Buch macht nachdenklich, es rüttelt wach und führt hoffentlich auch bei den Lesern zu einer eventuell nötigen Verhaltensänderung.
Das Autorenduo besteht aus dem erfolgreichen Kinder- und Jugendbuchautor Stefan Gemmel, selbst Vater zweier schulpflichtiger Kinder. Seine Lesungen sind legendär, man sollte ihn unbedingt man live erleben, denn nicht umsonst ist er bereits zum Lesekünstler des Jahres gekürt worden. Wer aus NRW kommt hat demnächst im Oktober ihn im Rahmen des rheinischen Lesefestes Käptn Book in Bonn live zu erleben.
Uwe Zissener ist Dipl. Sozialarbeiter, Erlebnispädagoge, Mediator und AGT-Trainer. Ihn und seinen Kollegen hat Stefan Gemmel fast ein Jahr zu dem damaligen AGT-Kurs begleitet und die Höhen und Tiefen, die Erfolge und das Versagen dort hautnah miterlebt.
Durch diese Kooperation ist ein äußerst anschaulicher Einblick in die Seele von „Maik“ gelungen. Sehr flüssig und realitätsnah geschrieben. Ich mußte einfach immer weiterlesen, ich litt mit seiner Mutter und bekam wieder eine Wut, auf das Mobbing, das an den Schulen einfach nicht in den Griff bekommen wird.
Ein wirklich tolles, wichtiges Jugendbuch, das hoffentlich noch oft in Schulen als Lektüre eingesetzt wird. Ein Buch, das nicht nur Jugendliche, sondern auch ihre Eltern und Lehrer lesen sollten, denn oft genug tragen auch Lehrer ihren Teil zu dieser Abwärtsspirale bei. Absolut verdiente 5 von 5 Sternen.
Gewinnspiel:
Damit das Buch sich noch etwas verbreitet, verlose ich von heute bis zum 2. September ein vom Autor Stefan Gemmel signiertes Exemplar von „Befreiungsschlag“. Da ich das Porto selber trage, kann ich nur Bewerbungen innerhalb Deutschlands berücksichtigen. Kontaktiert mich einfach hier auf dem Blog, auf Facebook oder auf LB, schreibt mir Euren Namen, Stichwort „Befreiungsschlag“ und ihr seid dabei. Viel Erfolg!