Donnerstag, 13. April 2017

Mach die Biege, Fliege! Kai Pannen, ungekürzte szenische Lesung mit Musik, Head Room Verlag



Mach die Biege, Fliege! Kai Pannen, ungekürzte szenische Lesung mit Musik, Head Room Verlag
Hiermit setzt der Head Room Verlag gekonnt das Adventsbilderbuch „Du spinnst wohl!“ von Kai Pannen aus dem Tulipan Verlag fort, ungekürzt szenisch gelesen von namenhaften Schauspielern.
Die Spinne Karl-Heinz und Fliege Bisy sind inzwischen dicke Freunde geworden und haben gemeinsam in Karl-Heinz Netz überwintert und Karl-Heinz ist Bisy zu Liebe Vegetarier geworden und geblieben. Doch nun erwacht der Frühling und mit ihm der Frühjahrsputz. Ein wahnsinniges Getöse beginnt im Haus und ein merkwürdiges Brummen kommt immer näher: Vorsicht der Staubsauger! Bisy bläst zum Umzug in den Garten, doch Karl-Heinz nimmt die Gefahr erst richtig war, als er fast schon eingesaugt wird. Schnell retten sie sich in den Garten, einen für Karl-Heinz völlig fremde Welt. Und das auch noch ohne sein geliebtes Sofa! Als es dann auch noch zu nieseln anfängt, wird Karl-Heinz immer grummeliger. Dieses neue Wohnkonzept gefällt ihm so überhaupt nicht und das Auftauchen der herrischen Ameisenarmee, macht ihm das Leben in der freien Natur nicht sympathischer. Doch gibt es auch Lichtblicke in Form von Läusebonbons, dem neuen Spinnennetz in der Buchenhecke und die wunderschöne Raupe Konstanze, die Karl-Heinz den Kopf verdreht!
Die vielen tierischen Helden in dieser Geschichte sind ausgesprochen witzig, wobei ich mich besonders über Blattwanze Theobald, einen Verwaltungspiesel erster Güte amüsiert habe, der stets auf der Vorlage einer entsprechenden behördlichen Genehmigung besteht!
Es ist eine wunderbare Geschichte über Familie, Verliebtheit und wahre Freundschaft, die bleibt und verzeiht, weil niemand ohne Fehler ist.
Erstaunt hat mich, wie weich die Erzählstimme von Mechthild Grossmann klang, so ganz anders  als im Münster Tatort oder den Bones Thrillern von Kathy Reichs. Dies ist aber nicht der einzige große Name unter den ausgewählten Sprechern. Auch Felix von Manteuffel und Jens Wawcrzeck (oder besser bekannt als die Stimme von Peter Shaw) und Frauke Poolmann sind mit von der Partie. Dabei ist die Inszenierung so geschickt, daß mir gar nicht auffiel, daß Bisy von Peter Shaw gesprochen wurde. Das finde ich super, da sie so eine komplett eigenständige Persönlichkeit für mich entwickeln konnte. Persönlichkeit haben diese kleinen Tierchen nämlich schon. Egal ob Karl-Heinz nun den Umzug in den wilden Garten fürchtet, der seiner Angebeteten nachschmachtet oder er seinen besten Freund vermisst, die zwei machen keine halben Sachen. Auch Bisy der von einer gefährliche Libelle verfolgt wird, sich für seinen Freund in Gefahr begibt, indem er dessen Spinnenverwandtschaft zur Geburtstagsparty einlädt oder Karl-Heinz vor dem Staubsauger rettet, ist nicht einfach ein Draufgänger, sondern ein vielschichtiger Charakter. Ich war ja sehr gespannt, ob meine Kinder diesen Humor überhaupt verstanden haben, denn mit Baugenehmigungen und Fluglizenzen haben sie ja nichts am Hut. Aber sie konnten sich über ganz andere Späße kaputtlachen, wie die Unmengen an Läusebonbons (igitt, wer isst denn sowas! Kicher!) die die zwei vertilgten oder die vegetarische Spinne. Von daher steht für mich fest, daß dies wirklich ein Hörbuch für die ganze Familie ist. Witzig, für Kinder ab 6 Jahren auch ganz schön spannend (vielleicht nicht unbedingt beim 1. Mal zum Einschlafen hören!) tiefsinnig, unterhaltsam und dank der gelungenen Gestaltung des Covers auch eine Wohltat fürs Auge.
Sehr gut gefällt mir auch an dieser szenischen Lesung mit Musik, daß sie so lebendig wie ein Hörspiel ist, jedes Tier hat seinen eigenen Sprecher, allerdings ohne die Nachteile eines Hörspiels. Es gibt keine nennenswerten Lautstärkeschwankungen, die mich bei Hörspielen oft kolossal nerven. Lautstärkeänderungen werden alleine durch die Modulation der Sprecherstimmen erreicht. Mechthild Grossmanns Erzählstimme liefert im Übrigen bei dieser ungekürzten Lesung alle nötigen Hintergrundinformationen um dem Fortgang der Geschichte gut folgen zu können. Die Musik ist sehr angenehm unterstützend eingesetzt. Sie verbreitet gute Laune, ohne sich aufzudrängen.
Wir sind ja große Fans von Kai Pannens Illustrationskunst und dem Verlag scheint es genauso zu gehen, denn auch optisch ist dieses Hörbuch ein Leckerbissen, der sich alle Mühe gibt, den Zuhörern auch einen Augenschmaus zu bieten, um die Hörwelten auch vor dem inneren Auge entstehen zu lassen.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei Head Room und Silke Hallmann für das tolle Rezensionsexemplar. Ich bin so beeindruckt, daß ein so junger kleiner Verlag so tolle Sprecher immer ans Land zieht, dass ich geneigt bin, der Frage mal genauer nachzugehen….

Dienstag, 11. April 2017

Die Herzen des Monsieur Lefort, Mara Ferr, Tredition



Die Herzen des Monsieur Lefort, Mara Ferr, Tredition
Achtung, dies ist kein durchschnittlicher Kriminalroman, er ist anders!
Der Roman spielt in Paris, der Stadt der Liebe und der Liebesschlösser an der Pont des Arts. Dennoch geht es um Mord nach Herzenslust. Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht der Café-Bedienung Elaine Sabatier (Ich-Form), des Commandant der Kripo a.D. Jérome Léfort, seiner eleganten und stilsicheren Gattin Joséphine und Inspecteuer Mathis Lunel, dessen Mentor Lefort einst war und mit dem er sich noch immer gerne austauscht.
Während Männer reifen, altern Frauen, daher verlor Elaine ihre Stelle im Ritz (was nur auf die dort beschäftigten Frauen mit Überschreitens einer gewissen Altersgrenze zutrifft) und begann vor wenigen Tagen eine neue Arbeit im Café Moncoeur im Viertel Montmartre, wofür sie eigentlich völlig überqualifiziert ist, weshalb Oberkellner Albert sie erst einmal etwas abkanzelt. Auch, daß sie Commandant Léfort nicht so kriecherisch begegnet wie er, gefällt ihm gar nicht.
Doch kaum macht Elaine die Bekanntschaft dieses gepflegten, stolzen pensionierten Chefermittlers scheint er schlagartig abzubauen. Nicht nur Albert und Gattin Joséphine beobachten dies mit Besorgnis. Aber das ist noch nicht alles, eine Reihe unerklärlicher Morde, die scheinbar nichts miteinander verbindet, gibt Rätsel auf. Als Elaine Mutter eines der Opfer ist, gibt sie keine Ruhe, auch wenn sie kein besonders gutes Verhältnis zu ihrer Mutter hatte.
Vorsicht, der Klappentext spoilert!
Wer der Täter hinter diesen Greueltaten ist, steht relativ bald fest. Doch neben die Faszination des Grauens für dieses sinnlose, wahnhafte Töten tritt die Frage: Kann er noch gestoppt werden? Wird er überführt werden, ehe er selbst stirbt, oder überlebt er etwa doch?
Ja, denn auch der Täter ist dem Tode geweiht! Daher baut sich auch trotz Kenntnis des Täters eine dicht gewebte Spannungsatmosphäre auf. Geschmückt wird diese noch durch eine Reihe eigenwilliger Charaktere, wie z.B. den Pathologen Sauvre, ein riesiger, schwarzer Marathonläufer, der weiteren Stress mit einer eigenwilligen, Kaffee-Pralinen-Gras-Diät abbaut.  Auch die typischen Randexistenzen die in Montmartre relativ günstigen Wohnraum teilen, würzen die Geschichte zusätzlich. Selbst diese Nebenrollen werden mit Eigenheiten versehen, so daß selbst die Bardame und Gelegenheitsprostituierte nicht einfach nur ein Cliché bleibt, sondern zum Leben erwacht, auch wenn sie es schon bald wieder aushaucht.
Gut gefällt mir, daß das Buch mit einem Zitat beginnt, daß Lefort in der Zeitung entdeckt: „Der Mensch kann alles kontrollieren, nur nicht sein Herz“ (Friedrich Hebbel). Der Geschichte vorangestellt, zieht es sich wie ein roter Faden durch die Handlung und Motive und entbehrt auch am dramatischen Finale nicht an Bedeutung und Wahrhaftigkeit.
Der Schreibstil ist ebenfalls ungewöhnlich, nüchtern wird der Tathergang betrachtet, wobei nicht an trockenem Humor gespart wird.
Nichts für zartbesaitete Liebhaber klassischer Whudunnits, dazu geht der Täter zu kaltblütig und herzlos vor. Aber  wer gerne mal einen etwas anderen Krimi mit Parisflair lesen möchte, ich hier wirklich gut bedient, er sollte nur den Klappentext nicht lesen ;) Dieser nimmt leider einen sehr reizvollen Twist vorweg, auf den ich so nur gewartet habe.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei der Autorin und der mir unbekannten edlen Spenderin, die mir dieses  neuwertige Exemplar hat zukommen lassen.