Dienstag, 27. August 2019

Sei ein Mädchen! Raimund Frey, Jochen Till, Tulipan Verlag



Sei ein Mädchen! Raimund Frey, Jochen Till, Tulipan Verlag

Sei ein Mädchen! Stammt aus der Feder des Erfolgsduos Raimund Frey (Illustration) und Jochen Till (Text), die beide einen schwarzen schrägen Humor haben. Keine ganz so angepassten Herren und so rufen sie in ihrem neuen Werk die Mädels der Welt dazu auf, so zu sein wie sie wollen und nicht, wie es von ihnen erwartet wird. Stets wird ein Stereotyp am unteren Rand in den Raum gestellt, das durch das großflächige, farbige Bild obendrüber das Fürchten gelehrt wird.


Davon, dass einige Klischees leider nicht stimmen, können Eltern oft ein Lied singen, wie z.B. Mädchen sind ordentlich, mit einem mampfenden Mädel faul auf dem Bett liegend und die Bananenschale neben den Mülleimer werfend. Aber sonst? Ist doch alles möglich.z.B. bei Mädchen sind rosa, ein mürrisches Gothic-Girl vor einem pinken Prinzessinnenthron (Kommentar meiner Töchter: soooo viel schwarz tragen wir aber nicht). Es geht um Ironie und die die Möglichkeit der Selbstreflexion. Klar wird da einiges überspitzt und provoziert, aber es sollen ja auch die Kleinen schon merken, daß es lustig ist und vor allem: Mädels traut Euch, ihr könnt alles was ihr wollt, Rülpsen, Pupsen, Klettern, Handwerkern Rocken, Rumalbern, Einsauen..... Nichts unbedingt für brave Mädchen oder Prinzessinnentypen, die werden wohl nur erstaunt die gezupften Augenbrauen heben oder die Näschen rümpfen. Es ist sicherlich kein Bilderbuch der gängigen Art. Aber es wäre ja auch furchtbar langweilig, wären alle Bilderbücher gleich. Meine Töchter (12 und 10) haben es mit den Nachbarinnen (6 und 3, sehr rosa, große Prinzessinnen- und Einhornfans) gemeinsam gelesen und sich kringelig gelacht über die Kombi Text- und Bild. Könnte vielleicht daran liegen, daß die vier zu selbstständig denkenden Menschen erzogen werden, mit und von entsprechenden Eltern. Ironie ist für sie kein Fremdwort. Es ist sicherlich kein Buch für jederkind, leider, denn Eigenständigkeit, Humor und seinen Weg zu finden und zu gehen, wünsche ich jedem Kind, nicht nur Mädchen ;).

Dieses Team ist übrigens auch verantwortlich für Pogo & Polente und Luzifer junior (1 bis 6), auch nicht ganz durchschnittliche Kinderbücher.

Wir bedanken uns ganz herzlich beim Tulipan Verlag für das witzige Rezensionsexemplar.

Montag, 26. August 2019

Eifeldeal, Andreas J. Schulte, Emons Verlag



Eifeldeal, Andreas J. Schulte, Emons Verlag

Sprayer wollen die Wahrzeichen von Andernach am Rhein mit ihrem Tag versehen. Doch plötzlich bricht einer zusammen. Im Krankenhaus stirbt er mit Symptomen einer Tropenkrankheit, doch ohne Fieber. Im Blut finden sich keine Anzeichen von Drogen. Diese muss Hauptmann Paul David a.D. aber leider auf seinem idyllischen Campingplatz im Pöntertal, bei Andernach-Kell beobachten und wirft die Typen hochkannt vom Platz, da versteht er keinen Spaß. Auch nicht, als er plötzlich in der Nähe Schüsse hört, die von der Grillhütte seines Onkels kommen. Ein Jugendlicher hat das Blockhaus gestürmt, wirkt wie von Sinnen und erschießt einen vermeintlichen Zombie, ehe Paul die Hütte erreicht hat und sich ihm ein Bild des Grauens bietet. Auch in seinem Blut sind keine Anzeichen von Drogen zu finden. Das ist für ihn unerklärlich und nagt an ihm. Als ihn dann ein kleiner lokaler Radiosender ins Visier nimmt, ist es zu viel. Alle Ermittlersinne sind geschärft und er beantragt eine Privatermittlerlizenz. Wer immer für diese Gräueltat auf seinem Platz verantwortlich ist, dem wird das Lachen vergehen.

Dies ist der 3. Fall von Paul David, Nato-Sonderermittler a. D., nach einem Bombenanschlag in Afghanistan. Seit diesem Anschlag fehlt Paul der linke Unterarm, der inszwischen durch eine bionische Prothese ersetzt wird. Dieses Handicap führt dazu, daß der Träger mehrerer schwarzer Gurte in diversen Kampfsportarten gerne mal unterschätzt wird. Auch wenn er nun schon in jungen Jahren im Ruhestand im Pöntertal mit seiner Tante Helga einen Campingplatz im Naturschutzgebiet betreibt, kommen seine Kampfkünste erstaunlich oft zum Einsatz. Dabei liegt das noch nicht einmal an seiner Freundschaft zu POK Kalle Seelbach von der PI Andernach. Sein Ermittlerinstikt ist einfach zu sensibel, er riecht den Ärger, 7 Meilen gegen den Wind. Paul ist eine Art-Superheld, eine einarmige-Einmann-Kampfmaschine, die manchmal an die Marvelhelden erinnert. Allerdings ist er bei all seinen vermeintlichen Superkräften sympathisch, was auch an seiner Tante und seinen Freunden liegt. Auch dieser Fall ist wieder hart, rasant und sehr spannend. Mit kurzen Schnitten mit Perspektivwechseln, die z.T. In der Ich-Form aus der Sicht von Paul David und dann wieder aus der distanzierten 3. Person, aus Sicht der Bösen bzw. der Opfer geschildert wird. Das ist als Erzählweise interessant und kurweilig. Auch interessant finde ich nach wie vor den Kniff, der  Einspielung verschiedener Radiosender und ihrer unterschiedlichen Arten der Berichterstattung. Ich fand es super so viele bekannte Schauplätze mit zu besuchen und die Ermittlungen von Andernach nach Koblenz, Bonn, ins Ahrtal und in die Eifel zu begleiten. Immer spannend, nie langweilig. Allerdings habe ich immer so ein Problem mit Selbstjustiz und Rache. Gerade am Ende, als scharf geschossen wird, bekam ich Bauchgrummeln, das war Angriff, keine Verteidigung, denn da wo auf ihn geschossen wird, hat er nichts zu suchen, das ist Sache der Polizei. Gut, das kommt in fast jedem amerikanischen Krimi vor. Doch Freund Kalle betont, daß Paul in diesem Fall besonders gründlich ist, zum einen weil er im Visier der Medien gelandet ist und zum anderen weil er Jura studiert hat. Computernerd-Freund Steffen hat mittels inovativster Technik zuvor Unmögliches möglich gemacht, und auch sämtliche datenschutzrechtlichen Bestimmungen und Beweisverwertungsverbote über Bord geschmissen. Ich mag solche Gimmicks, auch wenn die Technik vielleicht noch nicht so weit ist, beim Hacking für einen guten Zweck bin ich mir immer etwas unschlüssig. Doch Paul David mag ich als unbewaffnete Kampfmaschine deutlich lieber, als als ballernder Schütze.

Der Fall ist spannend und leider realistischer als man meinen möchte, denn die Versuche in Militärlaboren der USA gab es früher tatsächlich und wahrscheinlich werden sie in einigen Ländern von bestimmten Regimen noch immer betrieben. Auch Hitler träumte von den Supersoldaten dank des LSD-Derivates Pervitin. Dennoch habe ich moralische Bauchschmerzen und ziehe trotz der tollen Schauplätze und der durchgängigen Spannung auf hohem Niveau einen Stern ab und komme auf gute 4 von 5 Sternen.

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Emons Verlag für dieses heiß ersehnte Rezensionsexemplar.