Dienstag, 26. März 2019

Wings of Olympus (1) – Die Pferde des Himmels, Kallie George, Peter Kaempfe liest ungekürzt mit Musik, Argon Verlag



Wings of Olympus (1) – Die Pferde des Himmels, Kallie George, Peter Kaempfe liest ungekürzt  mit Musik, Argon Verlag

Hippolyta, genannt Pippa, ist ein Findelkind, dessen Körbchen einst neben einer Quelle gefunden wurde. Sie besaß nichts, bis auf eine goldene Münze mit einem geflügelten Pferd darauf. Als sie aufwächst, stellt sich ihre besondere Gabe im Umgang mit Tieren im Allgemeinen und Pferden im Besonderen heraus. Sie verdient sich ihren Lebensunterhalt in einem prächtigen Stall in Athen. Als der jähzornige Stallmeister sie vom Hof jagt, schläft sie erschöpft unter einem Rosenbusch ein und erwacht in den Stallungen der Götter!
Um sich die Zeit zu vertreiben veranstalten die Götter alle 100 Jahre ein Rennen mit ihren geflügelten Rossen. Es wird gewettet und Ränke geschmiedet. Jeder Gott sucht sich einen Reiter und ein Tier aus und natürlich versuchen sie alles, um ihren Schützling zum Sieg zu verhelfen. Wer gewinnt, wird als Halbgott unsterblich und darf für immer im Olymp bleiben. Pippa erhält ein geflügeltes Pony namens Zephyr, das ihr schon so bald so sehr ans Herz wächst, dass sie alles unternimmt, um das Rennen zu gewinnen.

Anfangs war ich etwas besorgt, daß eine Geschichte, die sich ja eigentlich nur um ein Pferderennen dreht, bei zwei Familienmitgliedern nicht gut ankäme, aber die Sorge war unberechtigt, denn es ist nicht einfach ein geflügeltes Pferderennen. Im Rahmen der Geschichte lernt man nicht nur alle Götter des Olymps und ihre Reiter und ihre geflügelten Pferde kennen, man erhält auch wunderbar Einblick in das antike Familienleben, die Unterschiede zwischen Arm und Reich, die Schicksalsgöttinnen, Halbgötter, wie man zu solchen wird, wie die Sternbilder an den Himmel gelangten (nach griechischer Mythologie) und einfach in das antike griechische Weltbild. Kallie George versteht es geschickt diese Elemente miteinander zu verbinden.
Meine Älteste liebt Sagen und Götter, aber sie mag nicht unbedingt Peter Kaempfe und schon gar keine Geschichten mit Pferden. Wir 4 haben dieses Hörbuch gemeinsam im Auto auf der Rückfahrt von der Leipziger Buchmesse gehört, leider war die Strecke dann doch nicht lang genug und es war klar, Eltern und Kinder wollten nun unbedingt wissen wie es weiter geht. Anfangs murrte meine Älteste noch, daß sie sich eine junge weibliche Sprecherin für Pippa vorgestellt hätte und ich gab ihr insgeheim recht. Aber wieso erwarten wir bei Geschichten mit Pferden und Mädchen immer junge weibliche Stimmen? Peter Kaempfe ist in Deutschland DIE Stimme für Helden- und Göttersagen. Für die donnernden Götter und mächtigen Stallmeister hat er definitiv die nötige polternde Power. Mein Mann meinte: der Sprecher ist aber toll, der ist ja richtig wandlungsfähig und unglaublich ausdrucksstark. Da musste ich ihm recht geben, denn auch die Moiren und die weiblichen Rollen spricht er wirklich überzeugend. Wir waren alle vier absolut überzeugt von der Wahl des Sprechers. Der Sprecher hat aber noch einen weiteren Vorteil: Jungs mögen Göttersagen, aber Pferde und eine weibliche Hauptperson? Durch die tiefe männliche Stimme, schafft Peter Kaempfe es auch Jungen zu fesseln und zu vergessen, daß es eigentlich eine Geschichte aus Mädchensicht ist. Aber so ganz stimmt es ja nicht. Die zwei Mädchen unter den Rennreitern sind die absolute Minderheit und so spielen eigentlich mehr Jungs als Mädchen mit. Beide Lager haben so ihre Vorurteile einander gegenüber, wie eben auch heute noch bei der Zielgruppe ab 10 Jahren.
Die Namen der Götter, ihrer Reiter und ihrer geflügelten Pferde sind nicht ganz so einfach, aber das macht nichts, die stehen im Booklet und können daher beim Hören immer wieder nachgeschlagen werden. Das war extrem hilfreich, denn Gott und Reiter passen irgendwie zusammen, aber wer gehörte noch mal zu wem? So gibt es dank des Booklets kein Vertun. Dort steht übrigens auch die Geschichte des ersten geflügelten Pferdes Pegasus zusammen gefasst.

Den Eindruck einer griechischen Sage verstärkt Kallie George, die auch in ihrer Heimat Vancouver Kanada kreatives Schrieben lehrt, indem sie wie in griechischen Tragödien die Geschichte mit einem Prolog in Form einer Wette unter Göttern beginnt. Der Kreis schließt sich dann, wie eine Rahmenhandlung im Epilog. Auch wenn ich es derzeit ziemlich nervig finde, daß fast jeder Krimi mit einem Prolog beginnt, finde ich es hier absolut passend und angebracht. Ich empfinde es wirklich als tollen dramaturgischen Kunstgriff der Autorin, der mit dafür sorgt, daß diese Geschichte viel mehr ist, als „nur ein Pferderennen“ und Jungen und Mädchen gleichermaßen fesseln kann, Mütter und Väter inklusive. Anders als in der griechischen Tragödie fällt dieser Epilog für die Zielgruppe ab 10 Jahren absolut zufriedenstellend aus! Sowohl unsere Sagenfan-Tochter als auch die Pferdefan-Tochter waren gebannt.

Da die Götter nicht immer nett sind, ist die Altersempfehlung ab 10 Jahren absolut angemessen, es ist ja auch eine wirklich komplexe Handlung. Absolut überzeugend und empfehlenswert.

Wir bedanken uns alle vier für diese packende Unterhaltung auf der langen Autofahrt beim Argon Verlag!

Montag, 25. März 2019

Mattis und das klebende Klassenzimmer, Silke Schlichtmann, Maja Bohn, Hanser



Mattis und das klebende Klassenzimmer, Silke Schlichtmann, Maja Bohn, Hanser

Mattis ist 8 Jahre alt und geht in die 2. Klasse. Eigentlich ist er mit sich und der Welt im Reinen. Doch da belauscht er seine Eltern, wie seine Mutter zu seinem Vater sagt, daß er sicher mal ein Schwerverbrecher würde, bei all den Briefen über ihn, die sie bekämen. Seine Vater lacht aber nur und meint, daß niemand, der sich stets an die Regeln halten würde, die Welt verändern würde. Mattis fragt seinen großen Bruder, was denn eigentlich ein Schwerverbrecher sei. Die Antwort stimmt ihn nachdenklich. Ist er wirklich so schlimm? Sollte er all die Briefe, die ihm seine Mutter immer mit dem Versprechen, so etwas nie wieder zu machen, ernster nehmen? Heimlich liest er den letzten Brief seines Lehrers und ist empört! So war das doch alles gar nicht! Das schreit nach einer Gegendarstellung und Mattis setzt sich hin und schreibt auf, wie es denn wirklich war und warum er getan hat, was er tat. Danach hat ihn nämlich bislang noch gar keiner gefragt!

Dieses Buch richtet sich an geübte Leseanfänger. Es ist in Fibelschrift, aber die Schrifttypen sind größer, aber nicht groß und pro Seite ist schon eine beachtliche Textmenge und nicht jede Seite ist illustriert. Es ist also ein kleiner Roman (auf 61 Seiten) für Leseanfänger und daher auch aus der Sicht eines solchen erzählt. Das finde ich prima, denn so ist sichergestellt, daß die Wortwahl das Lesevermögen und -verständnis der Zielgruppe nicht übersteigt. Bei schwierigen Wörtern fragt Mattis nach und lässt sie sich von seinem Bruder erklären. So fühlen sich die Leseanfänger ernst genommen und sind nicht auf Hilfe der Eltern angewiesen. Ganz prima, da es das Erfolgserlebnis der Kinder stärkt!

In Mattis Klasse ist es leider nicht so ruhig, wie der fantasielose Lehrer Herr Storm es gerne hätte. Kathi hat ein ausgeprägtes Bewegungsbedürfnis, daher kann sie nicht still sitzen, sondern steht im Unterricht gerne mal auf und läuft auf den Händen oder macht Handstandüberschlag, Marvin ruft immer rein und Mattis bester Freund... na ja, wer ist schon ohne Fehler. Dennoch bekommen die Kinder immer wieder Ärger von ihrem Lehrer. Das tut Mattis furchtbar leid und er überlegt, wie er Kathi helfen kann. Als kreativer Kopf fällt ihm etwas ein und so bitten ihn seine Schulfreunde ihn, ihnen wie geplant zu helfen. Diese Lösung gefällt dem Lehrer natürlich auch wieder nicht, und so bekommt Mattis ganz fürchterlichen Ärger. Leider hat ihn und die Kinder, die Mattis gar nicht böse sind, keiner gefragt, wie es zu diesem Chaos kam. Es geht ihm ähnlich wie Michel aus Lönneberga. Er hatte keinen Unsinn geplant, Unsinn wird es von alleine. Denn wie Michel hat Mattis das Herz am rechten Fleck und ist kein übler Bursche. Daher bin ich wie Mattis Vater auch ganz zuversichtlich, daß Mattis genau wie Michel seinen Weg gehen wird. Denn er hat Recht, wer die Welt verändern will, muss auch mal was riskieren, aber eben aus den richtigen Motiven.
Mattis hatte keine Streich geplant, sondern helfen wollen. Dennoch, nicht alles was gut gemeint ist, wird auch immer von Erwachsenen als gut gewürdigt. Manchmal geht es dennoch schief und ich bin zuversichtlich, daß die Kinder nun nach anderen Lösungen suchen. Ein Nachahmungseffekt ist meines Erachtens nicht zu befürchten, nicht nur, weil Mattis solchen Ärger bekommt, sondern auch weil die Zielgruppe ja durchaus schon zur Reflexion in der Lage ist. Mattis und Co. zeigen deutlich, daß es wenig bringt am Symptom herum zu doktern, man muss an die Ursachen.
Die Geschichte ist wirklich richtig witzig, wobei ich mit den Kindern echt mitfühle, die einen Lehrer haben, der anscheinend kein Herz für Kinder hat. Mattis ist so kreativ, daß er mehr als einmal Grund zum Lachen schenkt. Bei so viel Spaß fliegen die 61 Seiten nur so dahin, da lohnt sich die Anstrengung!
Sehr schön ist das Ende, als Mattis mit seiner Gegendarstellung fertig ist und nun die nächsten völlig ungerechtfertigten Vorwürfe in Angriff nimmt. Wir sind sehr gespannt, was er denn noch so alles angestellt hat!
 
 
Die farbigen Illustrationen von Maja Bohn haben meine Nachbarn Jonathan (8) und Debbie (6) sofort gepackt. Jonathan hat sofort angefangen zu lesen (das kann er allerdings sensationell gut) und hat sofort mit seiner Schwester gestritten, die mitgucken wollte... besonders gut gefiel Jonathan das Bild vom Superman-Mattis und dem Lehrer, der sich so aufregt, daß er sich in einen Krebs verwandelt. Jonathan fand die Geschichte super, gerade auch mit den Lügenbriefen und daß alles klebt. Als die Geschichte seiner Schwester vorgelesen wurde, kam er auch sofort angelaufen und hörte mit zu und war ganz aufgeregt, wenn eine seiner Lieblingsstellen kam. Auch Schwester Debbie und ihre Mutter waren ganz begeistert und sind schon gespannt auf seine nächste Gegendarstellung. Eine Nachahmungsgefahr sehen auch Jonathan und seine Mutter nicht.

Ein sehr schöner Erstleseroman, Roman deshalb, weil es eine richtige vollwertige Geschichte ist, mit leichtverständlichen Sätzen, aber echter Substanz. Absolut empfehlenswert von Silke Schlichtmann, die für „Bluma und das Gummischlangengeheimnis“ 2018 für den Jugendliteraturpreis nominiert war und deren Pernilla Romane ich noch lieber mag.