Sonntag, 23. Dezember 2018

Was Jungs mit 15 wollen und warum ich das weiß, Heike Abidi, Oetinger



Was Jungs mit 15 wollen und warum ich das weiß, Heike Abidi, Oetinger

Justine ist 15 Jahre alt und weiß schon ganz genau was sie will. Nämlich in ihrem geliebten Internat bleiben und sich auf das Jurastudium vorbereiten, Hockey spielen und Querflöte im Orchester. Zu dumm nur, daß ihre Mutter ihren Spitzenmanagerjob an den Nagel gehängt hat, um sich mit „Lolas Liebesschule“ selbstständig zu machen. Das Schulgeld kann sich ihre Mutter daher erst mal nicht leisten und Justine muß nun auf eine Gesamtschule gehen. Aber zum Glück ist sie vernünftig und akzeptiert, was sie ja eh nicht ändern kann und macht doch lieber das Beste draus. Ihre Geduld wird auf eine harte Probe gestellt, als ihre Mutter sie und ihren Gepäckberg noch nicht einmal vom Bahnhof abholt. Zum Glück trifft sie dort auf die coole Giulia, die mit anfasst und die ihr sofort sympathisch ist. Sie geht sogar in ihre Klasse! Eigentlich alles bestens, würde sie sich nur nicht über all die dummen Kommentare ihrer Mitschüler wundern. Noch mehr wundert sie sich, als sie merkt, daß es in Wirklichkeit die Gedanken aller Männer und Jungs in ihrer Umgebung sind, die sie hört, seit sie ein Kugelblitz getroffen hat. Dieses Gedankenwirrwarr ist unglaublich anstrengend, aber auch ganz praktisch, wenn sie an Lenny mit dem süßen Grinsen denkt, denn der  scheint ja eigentlich nur sehr schüchtern zu sein, wenn man seinen Gedanken glauben schenken darf...

Vorsicht! Warnung: wenn man beginnt zischt man nur so durch das Buch! Die Geschichte ist wirklich süß und witzig und die Hauptpersonen einfach nur zum Gernhaben, ohne nervig perfekt zu sein. Es ist locker, flockig und doch fesselnd geschrieben. Zwischendurch sind ein paar Chat-Verläufe eingestreut, denn kein Teenager-Alltag ist heute mehr ohne Chat-Nachrichten von den Freunden möglich. Das macht die beschriebenen Situationen noch unmittelbarer, als wäre man mittendrin. Ich mag das Talent von Heike Abidi sympathische Protagonistinnen mit Herz und Hirn zu schaffen, die man auch gerne im realen Leben treffen würde, immerhin werden die Heldinnen beim Lesen ja auch lebendig. Wenn ich da allerdings an Justines Mutter denke, fürchte ich, daß ich auch so das eine oder andere Mal erröten würde, würde ich ihr begegnen. Als Mutter eines Sohnes weiß die Autorin genau wovon sie schreibt, wenn sie eine Lanze für unsichere Jungs bricht, denn den Jungs geht es meistens nicht besser als den Mädels.

Justine hat da wirklich eine Herausforderung zu meistern, Ort neu, Schule neu, Haus neu und das Auto mit der dezenten Beschriftung „Lolas Liebesschule“ sind für eine 15 Jährige echt schon harter Tobak. Die Gedanken der Männer in ihrer Umgebung zu hören ist aber noch viel schonungsloser. Schließlich ahnen die ja nichts davon, daß sie „belauscht“ werden und sind absolut unbarmherzig ehrlich. Dabei darf sie sich natürlich nicht anmerken lassen, daß sie die Gedanken belauscht. Ein wunderbar herrliches Gedankenspiel, das Justine immer wieder neues Gefühlschaos garantiert. Aber natürlich geht auch auch um andere Themen für diese Zielgruppe, so müssen sie eine Buchpräsentation vorbereiten und so bekommt man so ganz nebenbei noch wunderbare Lesetipps, während man noch über die Kino-Diskussion zwischen Mutter und Tochter schmunzelt.

Ein herrliches Gute-Laune-Wohlfühlbuch ab 13 Jahren, das noch dazu wunderbare Lese- und Kinotipps gibt!

Freitag, 21. Dezember 2018

Lotti & Otto, Eine Geschichte über Jungssachen und Mädchenkram, Collien Ulmen-Fernandes, Illustr. Carola Siverding, Edel Kids



Lotti & Otto, Eine Geschichte über Jungssachen und Mädchenkram, Collien Ulmen-Fernandes, Illustr. Carola Siverding, Edel Kids

Lotti ist ein kleines Otter-Mädchen, das immer eine lustige rote Bommelmütze trägt und das Abenteuer sucht! Am liebsten in Form von Monstern, denen sie gerne Fallen stellt, um sie zu fangen. Bisher hatte sie da aber wenig Glück, anders als beim Angeln, wobei sie großes Geschick beweist. Otto ist ein kleiner Otterjunge mit blauer Bommelmütze, der gerne mit backt und aus alten Gardinen ein Zelt näht, da er ins Ferienlager soll, wo er doch ein wenig Schutz vor Monstern möchte, die er absolut fürchtet. Deswegen möchte er auch gar nicht dorthin! Aber er muss und trifft dort auf Lotti, die nicht nur genauso aussieht wie er, sondern auch all die Dinge liebt, die er fürchtet, dafür aber Backen und Nähen nichts abgewinnen darf. Leider werden die Tierkinder nach Geschlechtern getrennt in Gruppen eingeteilt und nicht nach Interessen. Wie soll Lotti nun um das Backen herumkommen, für das sie nun so gar kein Talent hat und sich Otto vor dem Angeln drücken?

Ein Bilderbuch über Geschlechterrollen, das fand ich cool, denn um die Gesellschaft zu ändern, muss man mit den Gedanken in den Köpfen beginnen. Also war ich sehr neugierig, fand allerdings die gewählten Beispiele jetzt nicht krass genug. Ich kenne genügend Jungs die Backen, im Nähkurs meiner Töchter war auch ein Junge, aber Jungs die Angeln kenne ich nicht so viele (das ist ja auch langweilig, mit dem vielen rumsitzen), dafür sind aber auch im Grundschulalter Teddybären noch eine Selbstverständlichkeit. In sämtlichen Ferienfreizeiten meiner Töchter waren die Gruppen durchmischt und es gab Angebote, die jeder wahrnehmen konnte, auch wenn einige Angebote mehr Jungs anlockten als Mädchen. So der ganz krasse Mädchenkitsch wie Barbies, Prinzessinnenkostüme, Glitzerkram und Schminke fehlten hier in der Tierwelt ebenso wie Roboter, Waffen, Mondraketen, Technik, Schnitzmesser..... Daher brauchte ich dringend eine Kindermeinung für dieses Buch mit der Altersempfehlung 4 – 6 Jahre.

Die fast 4 jährige Emilia fand offensichtlich den Textanteil zu hoch, nach 1,5 Seiten im öden Schwimmbadcafé schaltete sie ab. Der nächste Versuch scheiterte ebenso schnell. Nein, ich habe ein Kind aus einer lesebegeisterten Akademikerfamilie gewählt, daß durchaus eine positive Einstellung zu Büchern hat, aber auch die wirklich zauberhaften Illustrationen von Carola Sieverding konnten ihre Aufmerksamkeit nicht lange fesseln. Das Text-Bild-Verhältnis ist wohl für 4 Jährige noch zu textlastig, daher würde ich es für die Altersgruppe 5 – 7 Jahre empfehlen.

Da in der turbolenten Vorweihnachtszeit mir einfach kein Kinder der entsprechenden Altersgruppe mehr begegnete und meine Jüngste (9) immer wieder nach dem Buch schielte, wurde sie meine nächste Zuhörerin. Ihre Konzentrationsspanne war kein Problem. Ihr Urteil: nein, das darfst Du nicht verschenken, das will ich behalten! - Warum? - Weil es cool ist, es erklärt ganz klar, dass nicht alle gleich sind und jeder mögen darf was er will. Als ich sie fragte, ob das mit den typischen Rollenbildern in der Geschlechterverteilung gut rübergekommen wäre, schaute sie mich nur fragend an.

Die Sprache ist gut verständlich, wenn auch die Sätze für 4 Jährige noch zu lang und der Textanteil zu hoch. Die Begriffe sind bekannt, die Gedanken für die meisten Kinder aber so nicht relevant, weil in der Praxis die Gesellschaft doch sehr viel offener ist, als man es meinen mag. Die Akzeptanz von Querdenkern fand meine Tochter aber sehr deutlich und hilfreich.

Collien Ulmen-Fernandes ist Mutter einer kleinen Tochter (jetzt 5) und gibt Erziehungsratschläge gemeinsam mit Jesper Jul und Kirsten Fuchs im Familientrio der Süddeutschen Zeitung. Meistens tendiere ich zu den Ansichten von Kirsten Fuchs und am Wenigsten zu Jesper Jul, die mir zu realitätsfern sind. Daher war ich auf diese Bilderbuchumsetzung sehr gespannt. Man muss natürlich überlegen, daß die Umsetzung durch die Wahl der Tiere als Erklärmedium beschränkt ist. Backende oder angelnde Otter kann man sich wohl besser vorstellen als Barbie spielende und PC-zockende Otter.

Optisch hat Carola Sieverding die Geschichte wunderbar umgesetzt, mit herrlich leuchtenden und fröhlichen Farben. Mit ganz vielen liebevollen Details gibt es jede Menge zu entdecken und so werden Kinder das Buch auch immer wieder gerne zur Hand nehmen, es durchblättern und die Geschichte durch den Kopf gehen lassen. Die Gestaltung finde ich ausgesprochen gelungen.