Montag, 22. Oktober 2018

Die Schwestern von Mitford Manor: Unter Verdacht, gelesen von Juliane Köhler, Jessica Fellowes, Random House Audio, gekürzte Lesung, 2 MP3, 10 Std. 49 Min.



Die Schwestern von Mitford Manor: Unter Verdacht, gelesen von Juliane Köhler, Jessica Fellowes, Random House Audio, gekürzte Lesung, 2 MP3, 10 Std. 49 Min.

Louisa Cannon wächst in London zu Beginn des 20. Jahrhunderts in bescheidenen Verhältnissen auf. Als ihr Vater stirbt, bringt ihre Mutter sie als Wäscherin durch, doch ihr schmarotzender Onkel, macht sich nach der Beerdigung seines Bruders bei ihnen breit. Durch Glück besorgt eine alte Freundin, die vorteilhaft geheiratet hat eine Stellung als Kindermädchen bei der adeligen Familie Mitford 1920. Die älteste Tochter Nancy Mitford ist nur 2 Jahre jünger als Louisa und bedauerte es bislang stets, keine Schule besuchen zu dürfen, da ihr stets eine Vertraute fehlte. Diese findet sie nun in Louisa, die die temperamentvolle und überschäumende Nancy nicht immer zu bremsen weiß. Denn als Nancy in der Zeitung von dem Mord an der Krankenschwester Florence Nightingale Shore (Patentochter der englischen Krankenschwesternlegende Florence Nightingale) am hellichten Tag in einem Abteil der Brighton Line liest, stellt sie fest, daß diese eine gute Freundin der Zwillingsschwester ihrer Nanny war und möchte sofort mit Louisa ermitteln. Auch Bahnpolizist Guy Sullivan geht dieser Mord, ebenso wenig aus dem Kopf, wie die junge Frau Louisa Cannon, die er kennenlernte, als sie aus dem fahrenden Zug der Brighton Line kurz vor Hastings sprang. So kreuzen sich ihre Wege immer wieder, und klären einen Mordfall, der in der Realität bis heute ungelöst ist.

Zu Beginn begegnet die junge Louisa ihrer Schulfreundin Jenny und die Kontraste könnten kaum krasser sein. Jenny hat es geschafft einen jungen, gut situierten Architekten zu heiraten und somit in gesellschaftlich scheinbar unerreichbare Höhen aufzusteigen, während Louisa ihrer Mutter hilft, für reiche Familien die Wäsche zu waschen. Ein unfassbarer gesellschaftlicher Aufstieg für Jenny, doch sie ist in ihrem Herzen noch immer Louisas beste Freundin geblieben und begegnet ihr noch genauso unbekümmert, wie zuvor. Ihr verdankt Louisa die Empfehlung als Kindermädchen, obwohl sie noch keinerlei Erfahrung auf dem Gebiet hat. Doch die Not, in die ihr nichtsnutziger Onkel sie bringt ist so groß, daß sie bei ihrer Bewerbung bei Lady Redesdale ein wenig schummelt um ihre Aussichten zu erhöhen. Louisas Angst und Not wird eindringlich geschildert und auch wenn der Titel dieser Familiensaga sich um die 6 Töchter des Hauses Mitford dreht, widmet sich dieser erste Band um die älteste Tochter Nancy, die sich ihrem Kindermädchen Louisa anvertraut. Beide sind ausgesprochen neugierig und hartnäckig, wenn es darum geht, einem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Nancy langweilt sich aber auch unter den strikten Konventionen ihrer Zeit, denn auch in den goldenen Zwanzigern legen ihre Eltern durchaus großen Wert auf das Ansehen in der Gesellschaft. Sorgen, die ihre 6 Töchter nicht unbedingt teilen. So ist es bei Nancy wohl auch mehr Langeweile, als persönliche Betroffenheit, die sie dem Schicksal der Ermordeten Florence Shore auf den Grund gehen lässt. Bei Louisa hingegen ist es der Gedanke, daß dieses Verbrechen in dem Zug stattfand, in welchem sie saß und daß der Bahnpolizist, ihres Vertrauens sich an diesem Fall festgebissen hat.
Es werden reale Fakten anhand von Briefen und Vernehmungsprotokollen mit Fiktiven Elementen verknüpft. So verbindet sich ein Kriminalfall mit einem Gesellschaftsroman und einer Familiensaga. Auch wenn der einzige Sohn der Familie Tom, wohl der Augapfel der Eltern war, wurden die Töchter mit ihrem später extravaganten Lebensstil berühmt. Obwohl dieser Lebensstil bereits in der Hülle als Teil von Luisas Leben erwähnt wird, so ist er für die Klasse, der Nancy entstammt doch recht zurückhaltend. Sie ist noch nicht offiziell in die Gesellschaft eingeführt und ist daher während der London-Aufenthalte auch kein ständiger Gast auf rauschenden Adelsbällen. Aufgrund seiner traumatischen Erlebnisse im 1. Weltkrieg bevorzugt Lord Redesdale doch eher die  beschauliche Lebensweise eines Landadeligen.
Sehr gut hat mir gefallen, daß weder Nancy noch Louisa ohne Fehl und Tadel sind, sondern Ecken und Kanten haben. Man merkt Nancy durchaus an, daß sie zeitweise flatterhaft, dickköpfig und bisweilen verwöhnt ist. Trotz ihres scharfen Verstandes denkt sie meistens nicht an die Konsequenzen ihres Handels für Louisa. Doch auch Louisa hat von ihrem Onkel Steven einige Tricks gelernt, die den aufrechten Guy Sullivan dann doch schockieren. Wegen seiner starken Kurzsichtigkeit konnte er übrigens nicht in den Krieg ziehen und wird von seinen Brüdern daher nicht ganz für voll genommen. Schon allein damit hat er auf Anhieb meine Sympathien sichern können.
Dass aber Nancy so vertraut mit ihrem Kindermädchen verkehrt, die eigentlich keinerlei wahre Referenzen hat, fand ich da schon erstaunlicher. Es gefällt mir aber gut, da ich so als Hörerin einen viel persönlicheren Einblick in ihr Leben fand und emotional involvierter war. Anders als es der Klappentext vermuten lässt, geht es nicht nur um einen Mordfall und rauschende Bälle. Da die Geschichte in den Jahren 1920 - 1922 sind auch die Folgen für die heimkehrenden Soldaten, die Krankenschwestern und der Männermangel ein Thema. Dabei fällt mir immer wieder auf, daß in englischen Romanen die sogenannten Kriegszitterer (heute PTBS) viel stärker thematisiert werden, als in deutschen. Bei uns wurde es wohl eher totgeschwiegen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Dies mag für einige teilweise langatmig sein, aber die Autorin orientierte sich auch an existierenden Briefwechseln und will eben auch einen Eindruck von Zeit, Gesellschaft und Werten liefern, was ihr für meinen Geschmack, sehr gut gelingt.

Jessica Fellowes ist die Nichte des Downton Abbey Autors und dem auch Belgravia bei Random House Audio vertont wurde. Sie hat auch die Begleitbücher zur Serie geschrieben und nun mit diesem Band eine 6 bändige Familiensaga über realexistierende recht exzentrische und konträre  Schwestern begonnen. Ich empfinde ihre Stil als persönlicher und emotionaler als den ihres Onkels, da sie ihren Blickwinkel mehr auf wenige Personen beschränkt. Dabei kann man der Geschichte sehr gut folgen, trotz der Verwicklung zahlreicher Personen und des großen Haushaltes. Auch wenn dies nicht ausschließlich ein Krimi ist, sie der Fall logisch stringent aufgelöst, was ich echt zu schätzen weiß.

Juliane Köhler ist mir bislang nur als Schauspielerin bekannt gewesen insbesondere aus Aimée und Jaguar und Nirgendwo in Afrika. Ich empfinde ihre sehr weibliche Stimme als ausgesprochen angenehm und jung.Dabei spricht sie die ungestüme Nancy sehr lebhaft und lebendig, während Louisa ruhiger und bedächtiger klingt. Trotz ihres eindeutig weiblichen Klanges, wirken ihre Männerinterpretationen jedoch nie schrecklich aufgesetzt, sondern nur einen Tacken dunkler im Timbre.

Die Klapppapphülle ist sehr schön mit Goldrahmen im zeitgemäßen Jugendstilmuster gestaltet. Für Interessierte enthält sie nicht nur Informationen zur Autorin und Sprecherin, sondern auch zu den Fakten, auf denen dieser erste Band beruht und ein Hinweis auf die Fiktion, mit der die Autorin den Tatsachen Leben und Frische einhaucht.

Ich hätte Juliane Köhler noch deutlich länger lauschen können und bin gespannt, ob sie auch die Folgebände lesen wird, oder ob die gegensätzlichen Schwestern von unterschiedlichen Stimmen eingesprochen werden.

Für Fans der Epoche und Familiensagas, sowie des Cosy-Crime-Genres sehr zu empfehlen.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Random House Audio für den Hörgenuss.

Sonntag, 21. Oktober 2018

Amalia von Flatter (2) – Wer hat Angst vor Einhörnern? Laura Ellen Anderson, Schneiderbuch



Amalia von Flatter (2) – Wer hat Angst vor Einhörnern? Laura Ellen Anderson, Schneiderbuch

Nachdem sich im ersten Band Amalia, das Vampirmädchen aus dem Reich der Finsternis, daß sich vor den Wesen des Lichts fürchtet, mit Prinz Marillo angefreundet hat. Geht sie gemeinsam mit ihrem Haustier Kürbis Kürbinian, dem Jungsensenmann Todd, Flora, die kein Monster ist, sondern einer seltenen Yeti-Art angehört, König Vladimir und Prinz Marillo gemeinsam auf die Suche nach Marillos lange verschollener Mutter Königin Morgentau. Ziemlich bange machen sie sich gemeinsam auf  den Weg ins Königreich des Lichts, das ihnen mit all dem Glitzer und seiner Helligkeit ganz schön Angst macht. Sie vermuten, daß Morgentau in der Hauptstadt des Reichs festgehalten wird, doch König Vladimir sucht schon seit Jahren nach diesem legendären Ort, bislang vergeblich. Zuerst geht dank Floras unbedachtem Mundwerk alles schief und der erhoffte Weg in die Stadt des Glitzers, der edlen Einhörner, verschmusten Engelskatzen und süßen Feen bleibt ihnen verschlossen. Doch zum Glück sind sie als Wesen des Lichts verkleidet und so treffen sie auf den freundlichen Kobold McSchiller, der ebenfalls seinen lange vermissten Bruder McSchimmer sucht. Dieser zeigt ihnen nicht nur den Weg, er verrät ihnen auch, daß immer mehr mutige Wesen des Lichts verschwinden und daß dafür die Wesen der Finsternis verantwortlich gemacht werden. Doch der Regent des Landes Alpha Einhorn ist entschlossen, sie vor allen Gefahren durch die Wesen der Finsternis zu beschützen....

Im ersten Band durften wir das Königreich der Nacht kennen lernen und mußten mit einigen Vorurteilen gegenüber Vampiren (die vertragen gar kein Blut), Sensenmänner und Monster aufräumen. Sehr witzig war diese liebevolle Welt der Schattengestalten, die alle außerordentlich freundlich sind und so gar nicht unseren Vorstellungen entsprechen, sondern einfach alles auf den Kopf stellen, was wir so kennen (in die Schule geht es natürlich nachts und geschlafen wird tagsüber). Nun geht es in die helle und glitzernde Welt, die unseren liebgewonnen Helden rund um Vampirmädchen Amalia von Flatter, ganz schön suspekt ist. Aber um die Mutter ihres Freundes Marillo zu retten, nehmen sie diese Risiken gerne in Kauf! Schön ist dabei fest zu stellen, daß Marillo trotz all seiner guten Vorsätze noch nicht so recht aus der Haut kann und immer wieder Anzeichen des rumkommandierenden verwöhnten Prinzen zeigt. Aber auf freundliche Art, erinnern ihn seine Freunde an die gelobte Besserung. Was sie im Nachbarland erwartet ist ganz anders als erwartet, alles ist ganz anders und der Wunschbrunnen, den sie als erstes treffen ist auch wirklich eigenwillig. Da in dieser Welt alles ganz fremd ist, ist zu Beginn des Buches erst einmal eine wunderbare Landkarte vom Königreich des Lichts und der Grenze zum Königreich der Nacht gezeichnet. Anschließend werden noch kurz die wichtigsten Personen dieses Abenteuers vorgestellt, mit ihren Vorlieben und Abneigungen. Wie die richtig zahlreichen Illustrationen stammen auch diese aus der Feder der Autorin. Diese hat jede Seite illustriert, z.T. Nur mit kleinen Ranken, aber größtenteils wirklich mit aussagekräftigen Bildern, die gleichzeitig richtig süß und doch auch Halloween-Feeling vermitteln. Nein, Gruseln kann man sich bei diesen lustigen und freundlichen Illustrationen nicht wirklich! Es ist ein wirklich witziges und ungemein schönes Kinderbuch, daß aber auch durch seinen Subtext eventuell mitlesenden Eltern richtig Spaß macht. Denn es geht um Ängste, die durch Unkenntnis und gezielte Irreführung entsteht. Die Reiche des Lichts und der Nacht fürchten sich ganz furchtbar voreinander, weil sie so gegensätzlich sind und man nichts voneinander weiß. Na ja, nichts stimmt auch nicht, denn irgendjemand setzt gezielt Horror-Darstellung des jeweils anderen in die Welt, die dafür sorgen, daß die Bewohner der jeweiligen Reiche einander fürchten und sich nicht kennen lernen wollen. Doch wer steckt hinter diesen Falschmeldungen? Dieser spannenden Frage kommen Amalia und ihre Freunde auf die Spur, während sie im Nachbarland auf unglaublich witzige und liebenswerte Wesen treffen, die ihnen natürlich niemals helfen würden, wären sie nicht verkleidet....

Ach ja, die Schrift ist übrigens für junge Leser sehr angenehm groß und der große Zeilenabstand verhindert ein unfreiwilliges Verrutschen zwischen den Zeilen. Durch die zahlreichen Verzierungen ist die Textmenge prima zu bewältigen. Hinzukommt, daß Freundin Flora so groß, stark und laut ist, daß sie stets in GROSSBUCHSTABEN spricht, noch dazu mit einem witzigen Sprachfehler. Der lässt die jungen Leser nebenbei über die richtige Schreibweise nachdenken und über ihre Fehler liebevoll kichern. Denn bei aller Tolpatschigkeit ist Flora so sympathisch beschrieben, daß man mit ihr und nicht über sie lacht. Der Schreibstil ist altersgerecht, frech und abwechslungsreich, so daß die rund 235 Seiten ratzfatz gelesen sind und das Kind am Ende nicht nur stolz ist, so ein dickes Buch alleine gelesen zu haben, es darf sich auch noch über ein Rezept für „Reizende Rosenblattröllchen“ freuen. Viel Spaß auf der Suche nach den Zutaten ;)

Abgerundet wird diese Vampirgeschichte der besonderen Art durch ein glückliches Ende, von dem man meinen könnte „Ende gut, Alles gut!“, doch nein, auf der letzten Seite, als Amalia glücklich mit Kürbinian in ihrem Sarg einschlummert, lauern schon wieder neue Gefahren! Wir freuen uns also schon auf den kommenden 3. Band!

Richtig tolle Halloween Lektüre, für alle, die sich von den Weihnachtssüßigkeiten in den Geschäften nicht ablenken lassen! Nein, eine junge Vampirheldin für alle Jahreszeiten ab 8 Jahren!

Wir bedanken uns ganz herzlich beim Schneiderbuch Verlag für diese flattertastischen Lesestunden!