Montag, 8. Oktober 2018

Feuerwerk mit Todesfolge (Ein Fall für Wells & Wong 4), Robin Stevens, Knesebeck Verlag



Feuerwerk mit Todesfolge (Ein Fall für Wells & Wong 4), Robin Stevens, Knesebeck Verlag

Für die Jungdetektivinnen Daisy Wells und Hazel Wong beginnt nach den abenteuerlichen Ferien im Orient-Express ein neues Schuljahr im exklusiven Deepdean Internat für höhere Töchter. Doch dieses Jahr ist alles irgendwie anders. Die neue Schulsprecherin Elisabeth mit ihren 5 Aufsichtsschülerinnen verbreitet unter den Mädchen Angst und Schrecken. Alle werden irgendwie gemeiner und fieser, es wird nicht mehr gelacht, es wird sich gefürchtet. Auch Hazel, die Tochter eines reichen Bankiers aus Hong Kong hat sich verändert. Sie ist selbstbewußter und eigenständiger geworden und führt heimlich einen regen Briefwechsel mit Alexander, mit dem sie sich bei ihrem letzten Abenteuer angefreundet hat. Dies missfällt der jungen selbstbewußten Daisy aus bester englischer Adelsfamilie umso mehr, als Hazel auch Details aus ihrem neuesten Fall stets unverzüglich berichtet, heimlich natürlich. Denn während des Guy Fawkes Feuers stirbt die verhasste Schulsprecherin Elisabeth. Während die neue Schulleiterin dies als Unfall abzutun versucht, sind Daisy und Hazel fest davon überzeugt, daß es Mord war. Erstmals werden ihre Schlafsaalgefährtinnen in die Ermittlungen einbezogen, denn es gilt die fünf Aufsichtsschülerinnen zu beschatten. Doch der Zwist zwischen Daisy und Hazel lastet schwer auf den Ermittlungen.

Dieser Band steht unter dem Zeichen mieser Stimmung. Elisabeth hat es binnen kürzester Zeit geschafft, die Stimmung an der Schule zu vergiften und ein Terror-Regime aufzubauen, von dem die Lehrerinnen, genannt Fräuleins, nichts mitbekommen. Der lange unausgesprochene Zwist zwischen Daisy und Hazel schwelt vor sich hin und belastet die Atmosphäre des Schlafsaals. Mir gefällt sehr gut, daß Hazel sich endlich wagt sich von Daisy zu emanzipieren und eigene Wege geht. Sie hat ihre Meinung, hält sie für richtig und ist nicht bereit, diese zu korrigieren, nur weil die zauberhafte Daisy Wells dies so wünscht. Hazel ist in den letzten Fällen gereift, während Daisy noch immer Daisy ist, mit allen Stärken und Schwächen. Denn in ihrer Detektei sind die Rollen klar verteilt: Daisy ist der Kopf und Hazel ist Protokollantin, daher nennt Daisy sie auch gerne Watson. Doch während Daisy eine brilliante Beobachterin und scharfsinnige Kombiniererin ist, hat Hazel eine untrügliche Intuition, der sie immer mehr lernt zu vertrauen, auch wenn sie nicht zu erklären mag warum. Dabei ist auch Hazel alles andere als dumm. Doch wer vermag schon neben der strahlenden Daisy zu bestehen? Genau das gefällt mir so an diesem Band. Daisys unbestrittene Unfehlbarkeit wird angekratzt. Sie wird zwangsläufig gezwungen ihr eigenes Urteil zu überdenken. Das ist absolut untypisch für sie. Dabei sollten ja all ihre mentalen Kräfte auf den neuen Fall gerichtet sein, denn dieser hat es durchaus in sich. Der Mord ereignete sich mal wieder in einer geschlossenen Gesellschaft, quasi vor aller Augen. Nur die Aufsichtsschülerinnen waren nicht in aller Blick und kommen daher als Täter in Frage. Auch wenn sie einander nicht zu mögen zu scheinen, schweißt sie etwas, daß größer und stärker ist als sie zusammen. Was kann das nur sein?

Sehr klassisch britisch, wunderbar nostalgisch, hilft Daisy und Hazel die moderne Forensik nicht weiter im Jahre 1935. Es helfen ihnen nur ihr Hirn und ihre fünf Sinne. Nebenbei lernen auch Nicht-Engländer die Tradition der Guy Fawkes Night kennen, die jährlich am 5. November im Gedenken an den vereitelten Sprengstoffanschlag auf König Jacob und das Parlament im Jahre 1605. So bekommt man neben Ermittlungen Einblick in das soziale Gefüge zu Zeiten von Georg V. Während Wells & Wong ermitteln, bereitet sich Nazi-Deutschland auf die bevorstehenden olympischen Spiele in Berlin vor und die Lage der Juden wird immer ernster. Auch dies spielt hier am Rande eine Rolle, eingebettet in die Handlung, ohne erhobenen Zeigefinger. Während das Settin historisch ist, ebenso wie die Ermittlungsmethoden, ist es der Stil nicht. Dieser ist frisch und jung und ich habe diesmal wieder mit Hazel mitgelitten, die den Fall ja dokumentiert, weshalb auch dieser Fall wieder aus ihrer Perspektive in der Ich-Form erzählt wird. Diesmal war ich bei den Ermittlungen auf dem völligen Holzweg und wurde von der Auflösung überrascht. Dabei ist es ja das Schöne bei den klassischen Whodunnits, daß man immer eine Chance hat mitzurätseln und den Fall vor den Detektiven zu lösen, da man als Leser seine eigenen Beobachtungen macht und Schlüsse zieht.

Auch dieses Mal ist dem Fall ein Plan der Schule und ihres Geländes, sowie ein Personenverzeichnis vorangestellt, damit man bei den Ermittlungen den Überblick erhält. Sehr nostalgisch anmutend und sehr schön dargestellt übrigens. Im Anschluß befindet sich wieder ein Glossar, in welchem Daisy Deepdean-typische bzw. sehr englische Begriffe erläutert, was gerade für die Junge Leserschaft sehr hilfreich ist.

Robin Stevens ist wieder ein wunderbarer historischer Jugendkrimi mit viel Atmosphäre gelungen und so freue ich mich schon auf die weihnachtliche Fortsetzung: Mord unterm Mistelzweig.

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Knesebeck-Verlag, der mich so unmittelbar an den Abenteuern der Detektei Wells & Wong teilhaben lässt.

Sonntag, 7. Oktober 2018

Willow in Deutschland, Stefan Rensch, gelesen von Christian Ulmen, Random House Audio



Willow in Deutschland, Stefan Rensch, gelesen von Christian Ulmen, Random House Audio

Die Menschheit steht kurz davor einen weiteren Entwicklungsschritt zu machen und intelligent zu werden! Höchste Zeit diese Spezies noch rechtzeitig zu erforschen, ehe es so weit ist und einen Beobachter auf die Erde zu schicken. Daher wird Willow in einen Tarnkörper gesteckt, der einem Durchschnittstypen entspricht, die Intelligenz drastisch herunter gefahren und er für ein Jahr nach Deutschland geschickt. Dort ist er artgerecht in einem Mehrfamilienhaus in der Nähe von Düsseldorf, in einem wohlhabenden Ort genannt L.A., in einem sozial sich eher auf dem absteigenden Ast befindlichen Stadtteil untergebracht. Um die Ergebnisse forschungsrelevanter zu gestalten bekommt Willow gerade zu Beginn immer wieder Forschungsaufgaben, wie Kontaktaufnahme zu den Einheimischen aufzubauen. Willow stellt sich daher den Mitbewohnern des Hauses vor. Anders als Willow, repräsentieren die Nachbarn nicht unbedingt den Durchschnitt. Da wäre Witwe M.M., die meint, mit einer gewissen Ikone nicht nur die Anfangsbuchstaben gemein zu haben, Klaus, ein Metall-Fan alter Schule, Karla, die etwas schwierige Kunststudentin, Chicago Hurensohn ein noch nicht aufgegangener neuer Stern am Rap-Firnament und Torben, ein Cineast und Kenner der Filmsparte ab 18 Jahren, so wie Ramid, der CEO mit Migrationshintergrundes der Trinkhalle an der Ecke. Eigentlich passt das alles so gar nicht zusammen, aber Willow geht so offen und unbedarft auf alle zu, daß schließlich sogar Karla ihn in ihr Herz schließt.

Willow ist eigentlich total unbedarft, was die Menschheit angeht und wundert sich zu Beginn vor allem, auch nach einem Jahr, hat er noch nicht alle Feinheiten durchschaut, aber schon eine Menge kennengelernt und sich gut angepasst. Das Schöne an Willow ist die Unbekümmertheit, mit dem er alles aufnimmt und sich an seine Aufträge heranwagt. Der Humor ist hier nicht von der Sorte, daß der dumme Außerirdische über Lichtschalter und Klospülungen staunt. Nein, Willow bekommt z.B. den Auftrag Kontakt zu Frauen aufzunehmen. Der Kioskbesitzer hält sich gleich für den optimalen Ansprechpartner, der Willow auch sogleich zu Weiterbildungszwecken sämtliche Frauenzeitschriften seines Sortiments aufs Auge drückt. Nach eingehender Lektüre begibt sich dann Willow an den Feldversuch. Seine Sprüche aus den Frauenzeitschriften, kommen bei der realexistierenden Damenwelt ebenso wenig an, wie die Aufreißsprüche, der er nach Filmabenden mit Pornofan Torben vom Stapel lässt. Klar, man weiß, daß Willow nun Blödsinn loslassen wird, wenn er versucht sich den Frauen zu nähern, aber wie Christian Ulmen das mit naiv-treuer Art so an die Frau bringt, da mußte ich sowohl hinterm Steuer, als auch beim Kochen laut loslachen. Das Schöne ist, daß man Christian Ulmen kennt und sein Image entspricht dem von Willow ganz herrlich. Er ist für mein Empfinden die absolut perfekte Wahl. Dadurch ist es nie schmierig oder anrüchig. Willow versucht stets seiner Aufgabe gerecht zu werden und sich einzudenken. Sei es bei seinen Versuchen Geld zu verdienen oder als Weggefährte des Old-School-Rappers Chicago. Stefan Rensch trifft dabei den Ton der zu parodierenden Gruppe hervorragend, aber ohne das man sagen muß „ja, so isses halt, ja und?“, er kombiniert die Phrasen und Clichés herrlich neu. So, wie auch Willow das Stadt-Marketing neu erfindet. Dabei kommen auch Themen wie das deutsche Vereinsleben, Oper, Kultur, Shoppingmalls, Köln-Chorweiler, Berlin und seine Party-Kultur, der Weihnachtsmann, die Gentrifzierung, Gleichstellungsbeauftragte, Sissi, Heinz-Ehrhardt und des Deutschen liebstes Haustier nicht zu kurz. Denn ja, Willow wird auch innerhalb dieses Jahres Halter eines Haustieres, auch wenn ihm dieses Konzept bis zuletzt sehr befremdet. Z.T. Ein herrlicher Nonsens, der uns selbst von außen über uns selbst lachen lässt.

Willow ist einfach schräg und wunderbar liebenswert, kein Wunder, daß jeder noch so skurrile Nachbar letztendlich an ihm hängt.

Autor Stefan Rensch ist Jahrgang 1979, dessen sollte man sich bewußt sein. Ich denke es hilft ungemein, wenn die Zuhörer so zwischen 1964 bis 1983 geboren sind, um die Anspielungen alle zu verstehen. Gerade die Bands aus dem Metall-Bereich sind jüngeren Zuhörern wahrscheinlich ansonsten kein Begriff, während Ältere wiederum mit Tocotronic herzlich wenig anfangen können. Es hilft auch sehr, das Düsseldorfer Umfeld zu kennen und die WDR-Radiolandschaft, sprich 1 Live. Sprich, o.k. Ich falle absolut ins Raster der Zielgruppe, so kommt es auch daß ich wirklich mehrfach laut und herzlich losgelacht habe, während ich einige gesellschaftskritische Parodien im Kino (z.B. Rossini und Late Night) zum Gähnen fand. Dieses Hörbuch fand ich sehr witzig, auch ohne den beschriebenen Berufsgruppen anzugehören, sondern zu denen, die laut Willows Zukunftsforschung absolut überflüssig, da durch Computer ersetzt werden (wie gut, daß ich bereits ein paar Beitragsmonate absolviert habe ;))

Das Hörbuch ist mit viel Liebe zum Detail gestaltet worden, dessen Anspielungen man beim Anhören dieser Geschichte lachend versteht. Viel Spaß innerhalb dieses einen Jahres mit Willow in Deutschland, ehe ihn seine Forschungen wieder weiter führen. 

Vielen lieben Dank an Random House Audio, da hatte ich dank Euch richtig Spaß bei der öden Hausarbeit!