Freitag, 28. September 2018

NSA – Nationales Sicherheits-Amt, Andreas Eschbach, Lübbe Verlag



NSA – Nationales Sicherheits-Amt, Andreas Eschbach, Lübbe Verlag

Wenn man die amerikanische NSA mal ins Deutsche übersetzt klingt es doch ziemlich nach Nazi-Deutsch. Dies hat sich Autor Andreas Eschbach nachvollziehbar gedacht und dann überlegt, was wäre denn gewesen, wenn schon die Nazis damals die Überwachungsmöglichkeiten der heutigen Geheimdienste gehabt hätten, wäre der Krieg anders ausgegangen?

Schon zu Zeiten des Kaiserreiches wurde in Weimar, ohne große Bekanntmachung in der Öffentlichkeit, die unbekannteste Behörde überhaupt gegründet. Das Nationale Sicherheits-Amt. Dort stehen in riesigen Hallen Datensilos (-speicher) in denen die Daten die durch die Komputernetze Deutschlands fließen gespeichert werden. Nichts wird vergessen, alles kann gefunden werden, was jemals durch die Datenkabel floss. Man muß nur wissen wie man es sucht! Suchprogramme zu schreiben ist ganz klare Frauenaufgabe, dabei muß man immerhin genauso gründlich und gewissenhaft sein, wie bei der Hausarbeit, während die Herren in der Behörde die Daten analysieren. Die unscheinbare Programmiererin Helene Bodenkamp, Tochter des regimetreuen, renommierten Chirurgen Dr. Bodenkamp, ist die begabteste Programmiererin des Amtes. Sie kann sich unglaublich schnell und logisch in die Strukturen des Netzes hineindenken. Eine Fähigkeit, die auch schon bald dem Behördenleiter auffällt, der sie daher gerne für Spezialaufträge mit einem ebenso gewieften wie skrupellosen Analysten Eugen Lettke, einsetzt. Eugen Lettke ist völlig skrupellos und verfolgt stets eigene Ziele, die manchmal auch dem Staate aus Zufall dienen. Während Helene langsam aber sicher Zweifel an ihrem Tun und den Folgen der totalen Überwachung bekommt, denn diese droht ihr streng gehütetes Geheimnis zu offenbaren.

Der Anfang ist mir nicht ganz leicht gefallen. So viele Personen, die irgendwie in Verbindung zu einander standen. Langsam haben sich dann doch 2 Hauptpersonen herauskristallisiert, aus deren Sicht jeweils die Geschichte, die hauptsächlich in den Jahren 1941/42 spielt, als die Amerikaner in den II. Weltkrieg eintraten, dargestellt wird. Dabei verhält es sich mit Helene und Lettke ein wenig wie in Amerikanischen Krimiserien „good cop und bad cop“. Helene ist ganz eindeutig die Sympathieträgerin in diesem packenden Werk, das geeignet ist, beim Leser eine Paranoia heraufzubeschwören. Denn auch wenn die Geschichte in der Vergangenheit spielt, ist sie doch durch ihre Aktualität, hoch brisant. Auch heute kann jeder mitlesen, was wir im Netz tun, oder mithören, was wir in unseren Privaträumen sprechen über Telefon oder Handy, von den Webcams und ihren Möglichkeiten ganz zu schweigen! Ganz klar ist Lettke ein absoluter Unsympath, der stets nur nach seinem eigenen Vorteil strebt, doch er ist nicht dumm und sieht den Staat und seinen selbsternannten Führer durchaus kritisch. Viele seiner Gedanken haben mich schmunzeln lassen, weil ich mich als Kind auch immer wieder gefragt habe, wie die Menschen damals nur auf so einen Typen reinfallen konnten, der seinen eigenen Anforderungen so gar nicht entsprach, ebenso wie die um ihn versammelte Führungsriege. Das lässt sich wohl wirklich nur durch Charisma erklären, einem Merkmal, daß so habe ich mal gelesen, typisch für Soziopathen ist. Auch wenn viele seiner Gedanken selbstsüchtig, uncharmant und abstoßend sind, so kann man ihnen oft den Scharfsinn nicht absprechen. Dies macht für mich seinen Charakter so interessant und führte dazu, daß Helene und Lettke während fast 800 Seiten der Lektüre mir stets auch im Alltag präsent erschienen. Vieles aus dem Buch stimmt nachdenklich und lässt einen auch Bangen, wenn man bedenkt, welche Möglichkeiten den derzeitigen Regierungen zur Verfügung stehen, ohne daß die Regierenden nun immer sonderlich demokratisch oder moralisch wären.
Ich hatte ja angesichts des Buchumfangs befürchtet, daß es sicherlich an einigen Stellen ratsam wäre, das Buch zu kürzen. Aber Andreas Eschbach ist es immer wieder gelungen unerwartete Wendungen einzubauen, die einem die üppige Lektüre wirklich schmackhaft macht. So konnte ich mit der Lektüre, sobald ich mal in die Handlung hineingefunden hatte, auch nicht mehr aufhören. Es ist unglaublich packend und hätte daher trotz der Startschwierigkeiten von mir 5 von 5 Sternen erhalten, doch lässt mich leider das Ende etwas ratlos zurück. Es ist kein offenes Ende, aber eben weit von dem entfernt, was ich mir gewünscht hätte, ein Ende das eines Camus würdig wäre, aber der ist nunmal nicht mein Lieblingsexistentialist. Schon die letzten rund 70 Seiten sind mir etwas aufs Gemüt geschlagen. Denn da ja die Prämissen der damaligen Zeit geändert wurden, weiß man während des Lesens nie genau, wie denn der 2. Weltkrieg in diesem Fall ausgehen wird. Man ist sich während des Lesens nicht unbedingt sicher, daß es gut ausgehen wird. So werden alle losen Enden schlüssig zusammengeführt und es ist definitiv kein rosarotes Hollywoodende, aber leider auch keines, das mich glücklich macht. Daher trotz brillanter 700 von 800 Seiten „nur“ 4 von 5 Sternen.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei der Lesejury für diese Möglichkeit an der Vorableserunde mit Autor teilnehmen zu dürfen und bei Andreas Eschbach, der bereitwillig die ihm gestellten Fragen beantwortete.

Mittwoch, 26. September 2018

Die magischen 6 – Mr. Vernons Zauberladen, Neil Patrick Harris, Schneiderbuch



Die magischen 6 – Mr. Vernons Zauberladen, Neil Patrick Harris, Schneiderbuch

Carter ist in einem kleinen und gemütlichen Häuschen bei liebevollen Eltern aufgewachsen. Sein Vater hat ihm allerhand Zaubertricks bei gebracht und Carter war glücklich. Bis seine Eltern beide viel zu früh starben und er zu seinem einzigen lebenden Verwandten Onkel Sly kam. Während sein Vater Zaubertricks nutzte, um Menschen zu überraschen und zu erfreuen, nutzt Sly sie zu seinem eigenen Vorteil, um andere übers Ohr zu hauen und sich zu bereichern. Trotzdem sind sie arm und  leben auf der Straße, ziehen von Ort zu Ort, von Obdachlosenunterkunft zu Obdachlosenunterkunft.  Doch eines Tages geht Onkel Sly zu weit und Carter der inzwischen ca. 12 Jahre alt ist, reißt aus. Im Städtchen Mineral Wells entdeckt er einen Jahrmarkt voll funkelnder Verheißungen, die sich jedoch als genauso falsch erweisen, wie Onkel Sly. Als man ihn zwingen will, sich mit seinen geschickten Händen der Truppe anzuschließen, nimmt er erneut die Beine in die Hand. Im Ortskern trifft er auf eine buntgemischte Truppe Kinder, die sich zum Zaubern und Entfesseln in Mr. Vernons Zauberladen trifft. Zum ersten Mal erlebt er so etwas wie Freundschaft und die Kinder beschließen den Betrügereien des Jahrmarktes ein Ende zu setzen.

Ich war ja anfangs skeptisch. Nur weil jemand als Schauspieler berühmt ist, muß er nicht automatisch gute Kinderbücher schreiben können. Doch die Geschichte klang interessant und das Cover gefiel meinen Kindern, also bekam es eine Chance (ich war ja auch neugierig, schon wegen meiner Vorurteile). Diese Chance hat das Buch mehr als verdient, denn es hat die Kinder und mich von Beginn an in seinen Bann gezogen. Beide drängten mich immer wieder ihnen weiter „Carter“ vorzulesen. Bereits das Inhaltsverzeichnis zu Beginn ist es wert gelesen zu werden, denn es ist witzig kommentiert und weicht deutlich vom üblichen ab. Während des Erzählstrangs gibt es immer wieder kürzere Einschübe mit Gedanken von Carter und detailliert beschriebene Anweisungen für ganz unterschiedliche Zaubertricks, die wir auch schon begonnen haben zu üben. Aber wie Carter immer wieder betont: Das Geheimnis liegt im „üben, üben, üben“! Allerdings nicht nur beim Zaubern ;) Es gibt übrigens Tricks aus ganz verschiedenen Bereichen und am Ende kann man sogar noch geheime Botschaften entschlüsseln. Da mußte ich unbedingt den Spielkarten-Code kopieren, um ihn auch an die Freunde zu verteilen.

Sprachlich lässt es sich wirklich sehr gut auch vorlesen. Die Sprache ist sehr flüssig und durch die direkte Ansprache des Lesers, in der dieser in die Geschichte eingebunden wird, kann man auch wirklich gut seine Zuhörer ansprechen und so sprachlich fesseln. Keine sprachlichen Stolpersteine, allerdings merkt man bisweilen, daß der Text im Original aus dem Amerikanischen kommt, weil das Leben dort etwas anders ist. Schön ist aber, daß das Abenteuer in keiner besonderen Zeit spielt, außer definitiv nach dem großen Börsencrash, aber es kommen keine Handies oder technischen Spielereien vor, an denen man das Jahrzehnt festmachen könnte. Es ist eine Geschichte, spannend, witzig, analog, denn auch Freundschaft, wie diese jungen Zauberkünstler sie erleben, ist analog und magisch zugleich. Die Kinder die Carter trifft sind alle sehr ungewöhnlich und werden wegen ihres Faibles für's Zaubern, Entfesseln, Verschwindenlassen etc. von Gleichaltrigen als Freaks wahrgenommen. Aber untereinander, sind sie ganz normal, na ja, fast, sie können halt einiges besser als andere. Dabei ist Theo schwarz und sehr musikalisch, aber seine Hautfarbe ist nie ein Thema und er scheint interessanterweise aus der wohlhabendsten Familie zu stammen. Leila ist ein Waisenkind mit zwei Vätern, Ridley sitzt im Rollstuhl und ist sehr misstrauisch, während Olly und Izzy, die im Hotel aufwachsen, Zwillinge mit eigener Showeinlage sind. Dies ist der erste Band einer auf vier Bände angelegten Reihe. Bis Izzy und Olly zu der buntgemischten Truppe stoßen dauert es in diesem Band eine ganze Weile und wir haben daher relativ lange über den Titel nachgedacht und immer wieder die Kinder auf dem Cover durchgezählt... und endlich betraten sie dann gegen Ende der Geschichte die Bühne!

Ach ja, Autor Neil Patrickk Harris (bekannter als Barney Stinson aus „How I met your mother“) ist selbst Vater von Zwillingen und Zauberer. Er war von 2011 bis 2014 Präsident der Academy of Magical Arts.

Die ausdrucksstarken Illustrationen, sowie das Cover mit Spot- und Relieflack stammen von Lissy Marlin und haben beide Töchter direkt angesprochen.

Bis zum Erscheinen der nächsten Bände werden wir noch fleißig weiter üben, denn wir wollen alle 3 unbedingt wissen, wie es mit Carter und seinen Freunden weitergeht. Die Kinder fanden die Geschichte sehr spannend, witzig und auch emotional. Definitiv für Jungen und Mädchen ab 9 Jahren geeignet. Sie haben das Buch geliebt (Mama, wie lange dauert es noch bis zum nächsten Band?) und geben daher einstimmig 5 von 5 Sternen.

Wir bedanken uns ganz herzlich beim Schneiderbuch Verlag für magische Lesestunden.