Mittwoch, 25. Juli 2018

111 Orte in der Provence die man gesehen haben muss, Ralf Nestmeyer, Emons



111 Orte in der Provence die man gesehen haben muss, Ralf Nestmeyer, Emons

Südfrankreich ist wunderschön und daher bin ich fast jedes Jahr dort. Daher ist es an der Zeit, mal was neues zu entdecken, die Augen auf kleine, feine Details zu richten.

Die 111 Orte sind alphabetisch geordnet und sie beginnen daher mit den größten Städten des hier dargestellten Teils der Provence: Aix-en-Provence  (3 Orte) , Arles (6 Orte) und Avingnon (4 Orte). Arles bildet dabei den Schwerpunkt. Es ist auch wirklich wunderschön, allerdings sollte man vorher wissen, daß das Parken dort nicht sehr leicht ist, wir haben dort inzwischen unseren speziellen Parkplatz gefunden, da die Durchfahrt der Altstadt mit großen deutschen Limousinen an einigen Stellen fast unmöglich ist. So schön Arles auch ist, es ist im Sommer unglaublich heiß, man benötigt unglaublich viel Wasser, viele Ruhepausen oder einen der seltenen bewölkten Tage. Als Kind habe ich dort fast immer befürchtet verdursten zu müssen und meinen Kindern geht es heute auch bisweilen noch so. Sehr schön finde ich Ort Nr. 4 „Die Alycamps“ eine alte römische Begräbnisstätte von der Rilke und Hugo von Hoffmannsthal bereits schwärmten. Klingt jetzt erst mal nicht so spektakulär, allerdings sollte man wissen und das verschweigt der Autor, daß es sich um von der UNESCO anerkanntes Weltkulturerbe handelt. Dort wird übrigens die Modeschau des Hauses Gucci 2019 stattfinden, da es sich um die Geburtsstadt des legendären Designers Christian Lacroix handelt. Die Zahlungen von Gucci für dieses Privileg an die Stadt, soll für den Erhalt der Vielzahl römischer Stätten verwendet werden. (Diese Info stammt aus einer aktuellen frz. Frauenzeitschrift, nicht diesem Buch).
Da Frankreich außer Mode natürlich auch noch Kunst, Musik und Kultur zu bieten hat, gefiel mir der Blick in das Internierungslager in der Ziegelei von Les Milles bei Aix-en-Provence in welcher bedeutende Exilkünstler wie Lionel Feuchtwanger, Max Ernst und Golo Mann interniert waren. Dank der Vichy-Regierung sind auch im unbesetzten, freien Süden zeitweise bis zu 3.000 Menschen jüdischer Herkunft dort interniert und teilweise von dort mit Zügen nach Auschwitz deportiert worden. Die wenigsten haben dies überlebt. Gegenüber der Ziegelei kann man noch einen der historischen Eisenbahnwaggons sehen, die zur Deportation nach Auschwitz genutzt worden.
Dieser Leitfaden wendet sich aber nicht nur den Toten zu, sondern auch alljährlichen Highlights und somit Ort Nr. 79 der Mont Ventoux, der härtesten Bergetappe der Tour de France, an dem schon einige scheiterten oder zusammenbrachen und dessen Bezwingung so viele Gemüter beschäftigt hat, daß ich über diesen Ort letztes Jahr einen wirklich spannenden Krimi aus der Radrennwelt gelesen habe.
Mit 8 Orten liegt das Hauptaugenmerk wohl auf Marseille, das heutzutage auch wirklich für Besuche deutlich besser geeignet ist, als in meiner Kindheit. Die Stadt hat in den letzten Jahrzehnten einiges für einen Imagewandel, weg von der schmuddeligen Hochburg der Kriminalität vom Mittelmeer getan. An die lange Geschichte der Kriminalität erinnert Ort Nr. 66, mit dem legendärsten Gefangenen der Stadt, dem Graf von Monte Christo aus dem Meisterwerk von Alexandre Dumas dem Älteren, dem die Flucht von der Gefängnisinsel Ile d'If dem Ort des berrüchtigten Chateau d'If gelang. Da Marseille am Meer liegt, ist das Klima dort auch im Sommer deutlich erträglicher als im Hinterland und es gibt dort auch deutlich mehr zu entdecken, als man meint.

Die Auswahl ist sehr vielfältig und bunt gemischt, so das für jeden Geschmack eine Menge zu entdecken ist. Allerdings ist das abgedeckte Gebiet auch sehr groß und reicht für mehrere Urlaube, wobei man die zu besichtigen Orte auch im Hinblick auf Jahreszeit und Klima wählen sollte.

Was ich sehr schade finde und was bei mir zu einem Punkt Abzug führt, ist das einige Highlights, die im Vorwort erwähnt werden, wie z.B. der Pont du Gard, das gigantische Aquedukt, daß das römische Nimes mit frischem Gebirgswasser versorgte, oder die unendlich scheinenden Strände der Camargue überhaupt nicht aufgeführt sind. Da er sie offensichtlich zur Provence mitzählt, ist es ausgesprochen merkwürdig, sie außen vor zu lassen, sofern er nicht einen weiteren Führer für die Camargue, das Languedoc-Rousillon plant. Aber dann hätte er sie auch im Vorwort unerwähnt lassen sollen. Na gut, Ort Nr. 60 Les-Saintes-Maries-de-la-Mer gehört zur Camargue, da es sich aber so fernab der übrigen hier aufgezählten Orte befindet, ist es nicht im Kartenanhang zu finden. Wer diesen Ort besuchen möchte, sucht im Kartenmaterial vergeblich, er wird sich keinen Eindruck von seiner Lage machen können. Solche Pannen dürfen eigentlich nicht passieren.

Wirklich sehr interessant für alle, die die Provence schon kennen und neue Inspirationen suchen, für Neulinge eine facettenreiche Ergänzung zu klassischen Reiseführern.

Dienstag, 24. Juli 2018

Mord erster Klasse – Ein Fall für Wells & Wong (3) Robin Stevens, Knesebeck



Mord erster Klasse – Ein Fall für Wells & Wong (3) Robin Stevens, Knesebeck

1935 Schulferien. Nach den Ereignissen in Fallingford zu Daisy Wells Geburtstag an Ostern, hat Hazel Wongs Vater entschieden, dass es besser für die beiden knapp 14 jährigen Mädchen ist, die Ferien unter seiner Obhut zu verbringen. Also besteigt der Hong Konger Privatbanker mit den zwei Jungdetektivinnen und seinem Sekretär Maxwell und Dienstmädchen Hetty den Orientexpress. Auf der Strecke zwischen Paris nach Istanbul kann er den Mädchen viel von Europa zeigen und erklären und im ersten Klasse Abteil wird man sich schon in bester Gesellschaft reisen. Doch schon beim Einsteigen stellen sich die Mitreisenden als schillernd und bisweilen alles andere als angenehm dar. Ein Entfesselungkünstler, eine MI6 Agentin undercover (aber Daisy und Hazel noch aus Fallingford bekannt), ein Medium, ein erfolgloser Krimiautor, eine steinreiche Erbin mit ihrem unfreundlichen Gatten und ebenso unangenehmem Dienstmädchen, eine emigrierte russische Gräfin mit ihrem Enkelsohn Alexander (14), sowie der österreichische Schaffner des Calais – Simplon – Istanbul Waggons werden unfreiwillig durch einen Mord auf jugoslawischem Boden zu einer Schicksalsgemeinschaft. Jeder misstraut jedem, Polizisten besteigen in Jugoslawien nicht den Zug und der mit den Ermittlungen beauftragte Hobbydetektiv erweist sich als elender Stümper. Wie sollen Hazel und Daisy da nur ihr Versprechen einhalten und nicht ermitteln?
 
Dieser 3. Fall, der Jungdetektivinnen, die sich als würdige Ermittlerinnen im Geiste von Holmes & Watson fühlen, spielt ein Jahr nach dem Erscheinen von Agatha Christies fulminaten Klassiker. Er ist eine echte Hommage an dieses Krimivorbild. Ein Mord in geschlossener Gesellschaft auf engstem Raum und eigentlich völlig unmöglich und dennoch ist er geschehen. Da helfen keine Indizien, da hilft nur Logik. Auch wenn Daisy meint, das logische Denken für sich gepachtet zu haben, zeigt die naschfreudige Hazel, wie unersetzlich ihre Geistesblitze bisweilen sind. Von wegen Watson! Es macht richtig Spaß mit zu ermitteln, da der Fall absolut logisch ist und genügend Hinweise gestreut sind, um den Fall ebenfalls lösen zu können. Er liegt nicht völlig auf der Hand, aber wer das Vorbild mit Hercule Poirot kennt und Sherlocks Ermittlungsmethoden, wird sicher noch vor unseren reizenden Jungdetektivinnen den Fall lösen können. Den Fall, nein, vielmehr die Fälle, denn es gibt ja nicht nur einen Mord, sondern auch einen geheimnisvollen Spion. Denn 1935 spitzte sich die Lage in Europa infolge von Hitlers Machtübernahme deutlich zu. Sehr schön, wie diese historisch-politischen Entwicklungen für die jungen Leser mit eingearbeitet wurden. So wird auch den heutigen Jugendlichen durch Hazel als Hong-Kong-Chinesin bewußt gemacht, wie es sich anfühlt, allein auf Grund des Aussehens anders behandelt zu werden.
 Außerdem finden sich wirklich schöne Anspielungen an britische Agentengeschichten, die auch älteren Lesern richtig Spaß beim Lesen bereiten.

Um den jungen Lesern zeitgeschichtliches leichter verständlich zu machen befindet sich im Anhang  Daisys Orient-Express-Führer in welchem Daisy für heutige Leser ungewöhnliche Begriffe erklärt werden. Während der Hauptteil aus Hazels Sicht erzählt wird, schließlich ist sie die Schriftführerin der Detektei Wells & Wong, erklärt hier Daisy in Ich-Form Begriffe wie „Scharlatan: ein Lügner, der für Geld so tut, als wäre er etwas, was er nicht ist.“ Sehr schön und ausführlich, wäre es mir jedoch lieber gewesen, wenn dieser Teil vorangestellt worden wäre, wie bereits der Übersichtsplan über die Waggons und ihre Belegung und das Personenverzeichnis, da sich kein Hinweis auf diese Erläuterungen vorne gibt. Wer aber bereits die früheren Fälle der zwei kennt, der weiß, wo er danach suchen muß. Die Waggon-Pläne fand ich bei der Rekonstruktion des Falls sehr hilfreich und wirklich schön zeitgemäß.

Ein echtes Schmankerl für Freundinnen des logischen Kombinierens und echt britischer crime-time historischen Ambiente.

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Knesebeck-Verlag für diesen herrlichen Krimispaß!