Samstag, 3. März 2018

Die kleine Hexe, Otfried Preußler, Das Original-Hörspiel zum Film, DAV



Die kleine Hexe, Otfried Preußler, Das Original-Hörspiel zum Film, DAV
Die kleine Hexe von Otfried Preußler ist ein absoluter Klassiker, den wir als Kinder als Buch und Kassetten hatten. Als ich mal die Hörspielbox sah, kaufte ich sie sofort, doch oh Schreck, meine große Tochter mochte es nicht, die kleine durfte sie dann nicht hören. Umso erstaunter war ich, als beide Kinder dann ganz heiß auf den Film und das Hörspiel zum Film waren. Aber, so wurde mir gesagt, der Film ist jetzt total angesagt, auch bei älteren, weil Karoline Herfurth aus „Fuck you Goethe“ mitspielt. Tja, Kinderlogik!
Der Film hält sich ziemlich eng an die Buchvorlage und doch ist er deutlich moderner als das Buch.
Die kleine Hexe ist erst 127 Jahre alt und lebt mit ihrem Raben Abraxas im Wald, wo sie heimlich in ihrer Hütte zaubert. Dabei geht so einiges schief, so regnet es z.B. Löffel. Als sie es dann auch noch wagt sich unter die Menge der tanzenden Hexen in der Walpurgisnacht auf dem Blocksberg zu mischen, fliegt sie auf. So junge Hexen haben dort nichts zu suchen! Zur Strafe wird ihr Besen im Feuer verbrannt, sie muß zu Fuß nach Hause laufen und hat 1 Jahr Zeit, um sich als gute Hexe zu qualifizieren. Dafür muß sie alle Zaubersprüche aus dem dicken Hexenbuch lernen. Doch die kleine Hexe hat sich bisher noch nie als besonders fleißig oder ehrgeizig erwiesen, da fällt die Aufgabe doppelt schwer, vor allem weiß die Großhexe Rumpumpel sie heimlich beobachtet und ihr versucht Fallen zu stellen. Glücklicherweise hilft Abraxas ihr immer wieder weiter und in diesem Jahr erlebt die kleine Hexe jede Menge Abenteuer, lernt neue Menschen kennen, freundet sich mit Kindern an und steht vor jeder Menge Probleme, die sie zu lösen hat. Ob das wohl alles ausreicht, um in der nächsten Walpurgisnacht mit den großen Hexen mittanzen zu dürfen?
Eigentlich mag ich ja im Gegensatz zu meinen Kindern Hörspiele nicht so gerne, gerade bei Hörspielen zum Film habe ich oft das Gefühl, daß man der Geschichte nur schlecht zu folgen vermag, wenn man den Film nicht gesehen hat. Das ist hier nicht der Fall Marion Martienzen als Erzählerin schafft es, lebendig und doch ohne sich aufzudrängen, mit Zwischentexten zu ersetzen, was man nicht sehen kann. So ergeben die Dialoge stets Sinn, auch wenn man die Bilder des Films nicht sehen kann. Außerdem ist die Tonqualität sehr gut, man kann auch den Stimmen gut folgen, sie sprechen auch in den spannendsten Szenen immer noch klar und deutlich, ohne, daß die Lebendigkeit verloren geht. Nun sind neben den Kinderrollen auch echte Größen des deutschen Films, wie Suzanne von Borsody als Hexe Rumpumpel, Karoline Herfurth als kleine Hexe und Axel Prahl als Rabe Abraxas. Suzanne von Borsody scheint derzeit ein Abonnement als weiblicher Bösewicht in deutschen Kinderfilmen zu haben, sie spielt und spricht diese Rollen aber auch wirklich genial böse und daher ein wunderbarer Kontrast zu der sympathischen kleinen Hexe Karoline Herfurth.
Der Szenenwechsel scheint rasanter als im Buch, gerade auch durch die Vertonung, wobei die Geräuschkulisse nie die Sprecher überlagert. Hierdurch wirkt die Version moderner und spannender, allerdings finde ich für empfindsame Kinder die Altersangabe ab 3 Jahren dann doch etwas früh.
Richtig schön finde ich, daß die zwei Tonträger (Laufzeit 1h 40 min) mit jeweils unterschiedlichen Filmszenen bedruckt sind.
Ich war etwas traurig, daß die alte Musik der kleinen Hexe nicht mehr zu hören ist, aber das ist eine Nostalgie, die nur die Eltern trifft. Gerade meiner jüngsten Tochter (8) fehlt bei dieser Version nichts. Sie findet es sowohl lustig, als auch spannend, wie die kleine Hexe ihren Weg geht, Gutes tut und es einfach nicht übers Herz bringt eine gute Hexe zu sein, indem sie böse wird. Diese Aussage des Buches ist absolut zeitlos. Der Geist von Otfried Preußlers Meisterwerk bleibt erhalten und wird dennoch angenehm modernisiert.
Ganz dicke Hörempfehlung von dem unvoreingenommenen Kind und der Nostalgiker Mutter!
Wir danken dem DAV (der Audio Verlag) ganz herzlich für diesen wunderbaren Hörfilm, eines meiner Lieblingsbücher!

Freitag, 2. März 2018

Das Leben ist manchmal woanders, Ulrike Herwig, dtv premium



Das Leben ist manchmal woanders, Ulrike Herwig, dtv premium
Die etwas alternativ-esotherische Marlene begibt sich mit ihrem noch ungewöhnlicherem Sohn Gregor (14) mit der Bahn zu ihrer älteren Schwester Judith und deren Mann Achim, zum alljährlichen Besuch. Achim graust es schon vor dem Besuch, Marlene scheint sich gar nicht an Gregors Eigenheiten zu stören, lässt ihm alles durch gehen und erzieht ihn gar nicht! Ihrem eigenen Sohn Frank hätten sie so etwas nie durch gehen lassen! Schon bei der Ankunft auf dem Bahnsteig fallen Marlene und Gregor auf, aber Marlene scheint das nicht zu stören, ebenso wenig, wie Gregor schrille, merkwürdige Kleidung, seine offensichtliche Unfähigkeit sich in die Normalität einzufinden. Noch auf dem Bahnsteig quatscht er eine Brötchenverkäuferin an und macht ihr ein Kompliment – diese freut sich und lächelt wahrscheinlich zum ersten Mal an diesem Tag. Gregor begegnet seinen Mitmenschen unvoreingenommen, offen und mit entwaffnender Ehrlichkeit. Auch auf die Menschen in dem Mehr-Parteienhaus von Tante Judith geht er unbekümmert auf alle Bewohner zu, obwohl die meisten sich sogar aus dem Weg zu gehen scheinen. Aber Gregor beobachtet, denkt nach und kombiniert. Als sich Gregors Aufenthalt durch einen Unfall von Marlene verlängert, gehen in dem Haus in der Brunnerstraße nach und nach die wunderbar unvorhersehbarsten Dinge vor sich.
Gregor stolpert einem auf diesem Bahnsteig zu Beginn quasi entgegen. Was mit ihm los ist, erfährt man erst ganz am Ende, aber das ist ja eigentlich auch gar nicht so wichtig, wie es heißt, was bei ihm anders ist. Er ist anders und daher reagiert er auch anders auf seine Mitmenschen. Auch wenn ihn alle nicht auf Anhieb ernst nehmen, fühlen sie sich doch nie von ihm bedroht, sondern wundern sich allenfalls. Seiner offenen, staunenden Art kann man sich nicht entziehen, und so lassen die Nachbarn Dinge geschehen, die sie selbst nie für möglich gehalten hätten. Irgendwie knackt er sie auf, mit seiner entwaffnend ehrlichen Art, hält er ihnen unschuldig einen Spiegel vor und sie erkennen allzu oft, wie sehr sie sich in etwas verrannt haben oder das sie in eine Sackgasse gelangt sind. Auch wenn Gregor anders ist, ist er kein Außenseiter, denn er ist einfach da und ein Bindeglied, zwischen Menschen, die es nie für möglich gehalten hätten, das sie etwas gemeinsam haben könnten.
Sehr humorvoll und wundervoll sensibel erzählt Ulrike Herwig (alias Ulrike Rylance, Caro Martini oder Carly Wilson) die Geschichte eines Kindes, das anders ist. Dabei bezeichnet sie ihn selbst nie als behindert oder mit so unsinnigen Umschreibungen wie „Menschen innerhalb eines anderen Spektrums der Normalität“, sie läßt einfach Gregor für sich selbst sprechen und das ist gut so. Trotz aller größerer und kleinerer Probleme der Hausbewohner ist der Ton der Geschichte immer ein positiver, er zieht einen nicht herunter, sondern zeigt auf, daß eigentlich alles möglich ist. Nicht in einer aufgesetzten „Denk-positiv“-Manier, sondern einfach durch die Offenheit des Geistes und des Herzens. Einfach wunderschön bewegend, geht diese Geschichte ins Herz. Man versteht, warum Marlene ihr Kind so liebt, auch wenn Gregor wohl kaum so ist, wie sie es sich noch in der Schwangerschaft erträumt hat. Aber müssen Kinder wirklich immer „Erfolgsgeschichten“ sein? Kann man sie nicht einfach nur lieben, wie sie sind? Ein ehrliches Plädoyer für Akzeptanz und Respekt, vor den Menschen, wie auch immer sie auch sein mögen. Gregor nimmt seine Mitmenschen so an, wie er sie kennenlernt, er schaut auch hinter ihre bisweilen hübschen Fassaden und urteilt mit dem Herzen und nicht mit den Augen. Während er so einige als Blender entlarvt, entpuppt sich manch Grantler als herzensgut, aber einsam.
Eine Geschichte, die mir während des Lesens nicht nur das Herz wärmte, sondern meine Tage einfach ein wenig schöner machte. Ein echtes Lesehighlight, ein kleiner Schatz.