Sonntag, 1. Mai 2022

Der Markisenmann, Jan Weiler, vollständig gelesen von Lisa Hrdina, der Hörverlag, 1 MP3 ca. 9h

 

Der Markisenmann, Jan Weiler, vollständig gelesen von Lisa Hrdina, der Hörverlag, 1 MP3 ca. 9h

 

Köln-Hahnwald 2005: Die 15-jährige Kim Papen lebt mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater Heiko und ihrem Halbbruder Jeffrey in Heikos Luxusvilla. Täglich bekommt sie das Gefühl vermittelt, sie sei eine Versagerin und nur zum Geld ausgeben gut. Als Heiko sie beim Grillen vor allen Anwesenden bloßstellt, bricht es aus ihr heraus und sie begeht eine nicht wiedergutzumachende Tat. Entsetzt weiß keiner, wie er reagieren soll. Kim erweist sich als therapieunwillig und als die Familie nach Miami in den Urlaub fliegt, wird sie in den Zug nach Duisburg gesetzt, wo sie ihre Ferien bei ihrem Vater verbringen soll. Für sie bricht die Welt erneut zusammen, sie dachte ihr Vater sei verschwunden und würde sich nicht für sie interessieren. Stattdessen ist er ein ganz aufmerksamer und liebvoller Eigenbrötler und noch dazu das totale Gegenteil von Heiko, seinem ehemals bestem Freund: er ist der Markisenmann. Der Vertreter im Direktvertrieb des kompletten Restbestandes des volleigenen Markisenbetriebs der DDR mit zwei ebenso scheußlichen, wie einzigartigen Dekoren, Diese Welt im Duisburger Gewerbegebiet ist das krasse Gegenteil zum Hahnwald, direkt, ehrlich, unverblümt. Doch nach einer Weile beschließt Kim ihren Vater zu begleiten. Nicht nur mit durchschlagendem Erfolg, sie lernen einander auch besser kennen und sich selbst.

 

Kims Familie ist so kapitalistisch und ihr gegenüber gefühlskalt, dass es schon beim Zuhören wehtut. Doch Kim ist nicht unbedingt sympathischer, auch wenn ich mit ihr mitlitt. Kein Wunder also, dass sie keine Freunde hat. Obwohl ich sie alle unmöglich fand, hat mich dieses Leben nicht nur abgestoßen, sondern auch genug fasziniert, um weiter zu hören. Es hat sich gelohnt. Ausgerechnet im Duisburger Industriegebiet findet Kim echte Freunde und das Gefühl dazuzugehören! Während sie sich mit dem vierzehnjährigen Alik, der Aushilfe vom Schrottplatz am brackigem Kanal sich die Sonne auf die Nase scheinen lässt und sich ans Meer träumen, fanden die Hormone an zu tanzen und das Leben erhält eine ungeahnte Leichtigkeit. Sie fängt aber auch an, sich für ihren erfolglosen Vater verantwortlich zu fühlen und begleitet ihn auf seine Verkaufstouren, um Zeugin seines erbarmungslosen Scheiterns zu werden. Der Anblick schmerzt sie, immerhin hat sie von Heiko Businesspläne und Verkaufstratgien von Kleinauf eingeimpft bekommen. Sie entwickelt ihr ganz eigenes Konzept und entdeckt dabei nebenher ihr wahres Talent. Unerhört! Denkt ihr Vater, wie bei fast allem. So verbringt Kim den Sommer ihres Lebens und entdeckt die kulinarischen Hightlights des Ruhrgebiets insbesonder die Akropolis-Grills und Eiscafés Venezia, die es hier in jedem Ort gibt. Eine Erfahrung, die für sie prägender wird, als sie ahnt. Doch am Ende heißt es Abschied nehmen und in Köln erwartet Kim eine böse Überraschung. Gereift nach diesem Sommer, weiß Kim sie aber anzunehmen und das Beste darauf zu machen.

 

Diese Geschichte ist mit so viel Menschlichkeit und Wärme erzählt und voller skurrilem Humor, dass es ein Genuss ist, Kim beim Erwachsenwerden und der Selbstfindung zu zuhören. Ihr Weg ist nicht alltäglich, aber in diesem Sommer mit ihrem Vater, versteht man auch wie es dazu kam. Man versteht die Geschichte, warum Kim 3 Elternteile hat. Es geht um Deutsch-Deutsche-Geschichte selbst im Jahr 2005 noch, eine Geschichte von der Kim bislang zwar eine blasse Vorstellung hatte, für die sie nun aber auch ein Gefühl und ein Gespür erhält. Es geht um das Gefühl lebenslanger Schuld und wie es ein Leben prägt, nicht nur dessen, der diese Schuld zu spüren vermeint, sondern all jener in seiner Umgebung. Auch wenn es vor allem die Geschichte dieses Sommers ist, dürfen die Zuhörer am Ende erfahren, wie Kim ihren Weg findet und worin sie ihre Bestimmung findet. Ein Weg, den dieser Sommer ganz stark mitgeprägt hat und dem sie die schrulligsten und loyalsten Freunde fürs Leben fand. Selbst ihr Stiefvater entpuppt sich letztendlich als kein so übler Kerl.

 

Jan Weiler zeigt einmal mehr sein erzählerisches Können, sein Gespür für Pubertiere, die Konflikte von Eltern und skurille Pointen. Mit Leichtigkeit erzählt er eigentlich eine tragische Geschichte, die gut endet. Er erzählt, wie eine bockige Jugendliche lernt Veranwortung für ihr Leben und ihre Zukunft zu übernehmen und den Deal ihres Lebens abschließt: ihre Zukunft.

 

Lisa Hrdina ist eine gute Wahl als Sprecherin, so gerne ich Jan Weiler auch bei seinen eigenen Geschichten zuhöre. Eine Jugendliche hätte er nicht sehr glaubwürdig abgegeben, aber wenn man Lisa Hrdina lauscht, glaubt man Kim selbst zu hören, wie sie schonungslos und ehrlich erzählt, wie es war, in diesem besten Sommer ihres Lebens, der sie zu dem machte, was sie war. Aber Moment, dieser jetzig Sommer beginnt eigentlich auch sehr verheißungsvoll und ihre Stimme hochmotoviert und frisch. Da kann man noch viel von „Kim“ erwarten! Ihre Stimme ist frisch und unverbraucht, so dass sich nicht gleich ein Gesicht vor dem inneren Auge bildet und man sich ganz fallen lassen kann und ihrer abwechslungreichen und ausdrucksstarken Erzählweise lauschen kann.

 

Eine wirklich faszinierende und sehr ungewöhnliche Geschichte, die mich erstmal eine Playlist zur Geschichte zusammenstellen ließ... Ein echter Genuss, der auf keiner Speisekarte steht. Unerhört wie Ronald Pape sagen würde...

 

Vielen lieben Dank an der Hörverlag und das Bloggerportal für dieses wirklich fesselnde Hörexemplar!

 

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Freitag, 29. April 2022

Die Stoffis (1) – Auf plüschigen Sohlen, Sabine Städing, Nadine Reitz, Boje Verlag

Die Stoffis  (1) – Auf plüschigen Sohlen, Sabine Städing, Nadine Reitz, Boje Verlag

 

Es ist kalt und ungemütlich draußen, als ein Pappkarton mit der Aufschrift „Bitte mitnehmen“ auf den Bürgersteig gestellt wird. Mitten drin sitzen ausgeliebte Stofftiere, die einst die ganze Freude von Kindern waren, die jetzt zu alt für sie geworden sind. Unvorstellbar! Natürlich wird ein Kind sie entdecken und mitnehmen! Doch bei dem Wetter kommt kein Kind vorbei und niemand schaut in den Karton. Also fangen die Tiere an sich zu unterhalten und sich vorzustellen. Als die Müllabfuhr sich nähert wird ihnen klar, dass es Zeit ist, das Weite zu suchen. So schnell sie können machen sich Kater Minnie, Schildkröte Melisande mit Seestern Sternchen, Glitzereinhorn Sunny und Stoffhund Helmut auf ihren unterschiedlich lange Beine. Sie vereint der gemeinsame Traum davon wieder in ein gemütliches Kinderzimmer einziehen zu dürfen. Unterwegs zu ihrem neuen Zuhause, treffen sie auf verschiedene Menschen, die leider gar nicht so nett sind, wie sie gehofft haben, sondern die Nase über die regennassen Freunde rümpfen. Doch es kommt alles ganz anders als gedacht, viel besser und das liegt auch an Piratenbär Rumpel, den sie noch treffen werden und nicht nur ihn.

Alle Kinder lieben Kuscheltiere, doch irgendwann ist diese Phase vorbei, bei den einen früher, bei anderen später und was passiert dann? So manches Kind hat darüber wohl schon nachgedacht und das nicht nur beim Anblick verlorener Stofftiere, oder aussortierter Exemplare auf dem Sperrmüll. Was machen die Tiere eigentlich, wenn man gerade nicht da ist, z.B. im Kindergarten? Haben sie vielleicht doch ihr eigenes Leben? Sabine Städing gibt hier eine ganz klare Antwort: Klar haben die Stoffis eigene Gefühle, eigene Gedanken und ein eigenes Leben. Das kann sogar ganz schön aufregend sein, wenn man sie nur lässt, aber bisweilen auch ganz schön traurig, wenn sie ausgeliebt sind. Am Ende kommt alles ganz anders und es wird klar, dass das Abenteuer erst beginnt!

 

Mit vielen liebevollen, farbenfrohen und witzigen Bildern von  Nadine Reitz lädt dieser Auftaktband ebenso zum Zuhören, wie auch zu ersten Leseerfahrungen ein. Diese Reihe soll sowohl das Vorlesen und Zuhören schulen, als auch das Lesenlernen. Für beides ist es bestens geeignet. Die Sprache ist unkompliziert, aber abwechslungsreich. Dabei sind die Sätze geradlinig und übersichtlich, aber nie monoton. Kurzweilig wird diese fantastische Erkundung der fremden Menschenwelt erzählt! Zur Motivation gibt es einen Stickerbogen und für jedes selbstgelesene Kapitel kann das Kind einen Sticker in die Klappenillustration kleben, oder wo immer die Sticker gerade Freude machen. Das ist wirklich schön gemacht und eine wunderbare Motivationshilfe, damit das Kind ein weiteres Kapitel selbst liest, wenn es das schon schafft. Manchmal sind die liebsten Vorlesegeschichten später auch die schönsten Geschichten, um sie endlich selbst zu lesen, oder den jüngeren Geschwistern vorzulesen (die kritisieren auch nie, wenn man mal was falsch liest und bewundern einen stattdessen!).

 

Eine fantastische neue Reihe aus der Feder der Schöpferin von Petronella Apfelmus und anderen Kinderlieblingen. Einfach klasse, ab 5 Jahren!

 

Vielen lieben Dank an die Bloggerjury, für mein Rezensionsexemplar!

 

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