Donnerstag, 12. August 2021

Ein Garten für zwei, Emma Sternberg, gelesen von Vanida Karun, Random House Audio, 1 MP3 7 h 28 min. leicht gekürzt

Ein Garten für zwei, Emma Sternberg, gelesen von Vanida Karun, Random House Audio, 1 MP3 7 h 28 min. leicht gekürzt

 

Lu ist jung und als Anwältin in einer Großkanzlei so erfolgreich, dass sie kurz vor ihrer Beförderung zur Partnerin steht. Allerdings hat sie keine Zeit für Privates, für Freunde oder Familie, sie geht ganz in ihrem Beruf auf. Bis ihr nur wenig älterer Bruder Pip steht, der ihr einst so nahe stand. Wie lange hatte sie keine Zeit mehr für ihn? Sie fällt in ein tiefes Loch, ist völlig aus der Bahn geworfen und macht plötzlich Fehler, die ihrer früher nie passiert wären. Sie zieht die Reißleine und verkriecht sich im Garten ihres Bruder in einem Dorf vor den Toren Berlins. Anfangs ist es eine Notlösung, solange Handwerker ihre chice Wohnung renovieren, aber die Arbeiten dauern länger und sie lernt die Nachbarn kennen. Nach und nach bringen ihre Nele und Nico die Schönheit der Natur und das Leben mit dieser und im Einklang mit dieser nahe. Sie fängt an, das Leben zu genießen und die Nähe zu den beiden. Als Nele ihre Gartenkräuter unter einem Bio-Label vermarkten möchte, kommt ihr beruflicher Ehrgeiz wieder durch und sie einem Umweltskandal auf die Spur.

Den Vorgängerroman „Fünf am Meer“ fand ich ganz nett, aber wirklich mitreißen konnte er mich nicht. Irgendwie hatte er mich nicht berührt. Warum um alles in der Welt ich mich dann auf „Ein Garten für zwei“ eingelassen habe, weiß ich nicht so genau, vielleicht wieder das schöne Cover und die Themen Garten und Anwältin auf Sinnsuche. Denn Lu liebt ihren Job und merkt dabei gar nicht, wie ausgebrannt sie ist. Eigentlich ist sie inzwischen innerlich leer und im Gegensatz zu ihrer Sekretärin, die sie eigentlich als Menschen gar nicht wahrnimmt, scheint es niemand zu bemerken. Für Lu ist es ein Wettbewerb, ein großes Kräftemessen, bei dem sie sich keinerlei moralische Fragen stellt. Es geht einzig darum, für ihre Mandanten das beste herauszuschlagen. Erst in der Natur beginnt sie langsam dieses System zu hinterfragen. Anfangs ist ihr das Grün und Gekrabbel um sie herum fremd und sie beäugt es misstrauisch. Was wollte ihr geliebter Bruder hier nur? Doch dank seines Tagebuchs und seiner Nachbarn kommt sie ihm nachträglich näher. Sie versteht ihn wieder und pflichtet ihm sogar bei.

 

Vanida Karun empfinde ich als sehr treffende Wahl. Ihre warme Stimme kann gleichzeitig kompetent und freundlich klingen, wobei sie auch verständnislos, irritiert, einsichtig und ein wenig herrisch ebenso wie völlig verwirrt oder überfordert (insbesondere beim Zusammentreffen mit Handwerkern) klingen kann. Ich habe ihrer Stimme sehr gerne zugehört und fand sie ebenso angenehm unvertraut und neu, wie abwechslungsreich. Für mich eine echte Neuentdeckung.

 

Als echtes Wohlfühlhörbuch findet Lu natürlich einen neuen Sinn und eine neue Aufgabe in ihrem Leben, aber nicht nur das, auch die Liebe findet wieder ihren Weg zu ihr. Allerdings ist dies nur so nebenbei und zur Abrundung des Ganzen, denn es ist definitiv nicht der Mittelpunkt. Trotz des glücklichen Endes in jeglicher Hinsicht, würde ich es also nicht als Liebesroman bezeichnen. Dafür gibt es aber eine Menge Gartentipps und die Mahnung ökologischer die Natur zu bewirtschaften, im Kleinen, wie im Großen. So hat Pip in seiner Laube getrocknete Zapfen, in Wachs getaucht als Kaminanzünder verwendet. Ich habe hier im Urlaub direkt Pinienzapfen gesammelte, für die ich die Reste unserer Adventskranzkerzen einschmelzen werde. Eine schöne Beschäftigung auch mit den Kindern.

 

Im Kontrast zu den entspannten Gartenkapiteln steht die Hektik im Büro. Auch wenn Lu ihre Arbeit liegt, laugt sie sie aus. Sie merkt aber nicht wirklich, dass sie kurz vor dem Zusammenbruch steht. Anders als ihre Sekretärin, denkt sie gar nicht mal an Dinge wie Entspannung und inneres Gleichgewicht. Sie scheint gefangen in einem Hamsterrad, in dem sie effizient Leistung bringt, bis sie fast kollabiert. In Wirklichkeit geht es in den Großkanzleien noch brutaler zu und die Arbeitszeiten sind noch länger, aber für Normalhörer klingt es schon schrecklich und auslaugend genug. Die Ausstiegsquote in diesem Berufszweig ist enorm hoch, denn Geld ist zum Glück doch nicht alles, wie auch Lu feststellt. Lu ist durchaus facettenreich beschrieben. Sie ist keine Karrikatur einer erfolgreichen Anwältin, auch wenn zu Beginn die Realität in Form der Renovierung ihrer Wohnung, sie hoffnungslos überfordert. Bisweilen kann sie nicht aus ihrer Haut, doch sie ist bereit nicht nur ihr Leben und das auf dem Land, sondern auch sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse in Frage zu stellen, was mir sehr gut gefällt.

 

Ein wirklich glücklich machender Wohlfühlroman, den ich sehr gerne gehört habe und der mich im Gegensatz zu seinem Vorgänger auch wirklich persönlich interessiert und bewegt hat. Ich bin sehr froh, dass ich mich vom Titel und dem Cover habe verführen lassen und der Autorin noch eine Chance gab!

 

Ganz herzlichen Dank an das Bloggerportal und Random House Audio für mein Hörexemplar!

 

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Dienstag, 10. August 2021

Ich heiße Billy Plimpton, Helen Rutter, gelesen von Julian Greis, Hörcompany, 1 MP3 5 h 19 Min. leicht gekürzt


Ich heiße Billy Plimpton, Helen Rutter, gelesen von Julian Greis, Hörcompany, 1 MP3 5 h 19 Min. leicht gekürzt

 

Billy Plimpton ist zwölf Jahre alt und steht kurz vor dem Schulwechsel! Anders als fast alle anderen aus seiner Klasse wählt er eine andere Schule, mit chicer Uniform aus. Eine wunderbare Chance für den Fan von Witzen, ganz von vorne anzufangen, er muss sich nur überlegen, wie er es anstellt, dass niemand merkt, dass er stottert! Die ganzen Ferien über legt er sich einen Plan zurecht, wie er möglichst unbemerkt bleibt und auch beim Reden nicht auffällt, obwohl er doch so gerne Witze erzählt! Aus der Sprachschule kennt er auch schon so einige Tricks, die zwar helfen, das Stottern aber leider noch nicht abgestellt haben. Dummerweise sitzt da einer in der Klasse, dem man schon von Weitem ansieht, dass er keinen Ärger scheut und schwächere terrorisiert. Dafür scheint sein Sitznachbar nett zu sein und auch Skylar, die einzige von seiner alten Schule, scheint ihm gegenüber wohlgesonnen, obwohl sie sein Geheimnis kennt. Wird er es schaffen, das Stottern nach all den Jahren los und der coolste Junge der Schule zu werden, ehe sein Geheimnis auffliegt?

Jedes Jahr suchen wir nach einem geeigneten Hörbuch für die ganze Familie inkl. Pubertier und den fantasyfeindlichen Vater für den Urlaub. Dass der Lehrer von der Sprachförderschule das Thema interessant findet, war vorhersehbar, aber das Pubertier und seine Schwester? Tatsächlich hat unsere Jüngste (12) immer wieder nach Taschentüchern im Auto gesucht, weil Billy Plimpton eine hochsensible Geschichte ist, so wunderbar erzählt und vertont, dass Lachen und Weinen oft ineinander übergehen. Obwohl die Geschichte ab 9 Jahren ist und somit eigentlich nichts mehr für Mangagirls (14) war ganz schnell klar, dass Billy Plimpton mit seinen Schulerlebnissen, ganz besonderen Mitschülern, seiner umwerfenden Oma, pardon Großbutter und seinem Pausenmentor uns alle gepackt hat! Julian Greis vertont diesen Kampf mit den störrischen Silben unglaublich nachvollzieh- und -spürbar. Diese verflixten Silben wollen einfach nicht aus dem Mund raus und versauen jede noch so gute Pointe. Ja, einige Witze sind echt gut und die Jüngste hat sich viel Mühe gegeben, sich besonders viele für Oma und Opa zu merken.... zum Glück kann man einige in der Hülle noch mal schnell nachlesen!

 

Viele bekannte Stotterer haben dem Stottern mit Hilfe von Musik den Garaus gemacht und so stellt auch Billy fest, dass er den Beat hat, als Drummer ist er echt nicht schlecht! Ob das reicht, um der coolste Junge der Schule zu werden? Bei seinem hochgesteckten Ziel stellt er sich nicht immer geschickt an. Dabei ist er eigentlich ein feiner Kerl, auch wenn seine jüngere Schwester Chloe, der alles zuzufliegen scheint, davon wenig mitbekommt. Er ist halt ein echter Junge und kein Abziehbild und so hat er nicht nur sympathische Seiten, sondern kann auch mal fies sein. Das bereut er dann aber ziemlich schnell wieder. Den Fehler wieder auszubügeln wird dann leider etwas schwieriger. Er reagiert da ganz normal, wie andere Gleichaltrige auch. Dabei erweist er ein unglaubliches Gespür für seine Mitschüler, für die, die auf seiner Seite sind und die, die ihn in seinen Träumen unterstützen können. Julian Greis lässt wunderbar seine verletzlichen und auch entschlossenen Seiten gleichermaßen durchklingen. Mit seiner sympathischen, jungen Stimme, nimmt man ihm den Zwölfjährigen im Alltagskampf absolut authentisch ab.

 

Nach den einzelnen Kapiteln gibt es bisweilen recht lange Pausen, in denen man sich wundert, was denn jetzt los ist und man über den Fortgang beginnt zu grübeln und zack, geht es weiter, mit einem harten Szenenwechsel oder einem neuen Witz.

 

Die Sprache ist unglaublich detailfreudig, wobei der Ich-Erzähler unglaublich lebensnah, aber ohne zu stottern erzählt. Klar, in seinem Kopf, kann er das ja alles, nur wenn man mit ihm die Situation live miterlebt, spürt man seine Wut, Resignation und Verzweiflung über diese blöden, unwilligen Silben. Seine Mutter sagt ihm immer wieder, dass alles was er sagt wichtig ist, aber mal ganz ehrlich, wäre es nicht furchtbar, wenn wir nie mal was Banales sagen würden?

 

So haben wir Billy durch das wahrscheinlich aufregendste Jahr seines Lebens begleitet, das Jahr seines größten Glücks, der größten Trauer und den höchsten Zielen. Ganz schön bewegend diese Achterbahn der Gefühle, aber auch unglaublich witzig, schön und traurig. So, wie das Leben eben spielt! Dabei trieft die Geschichte aber nicht rührselig vor sich hin, sondern ist stets unterhaltsam und macht neugierig, wie es mit Billy weitergeht!

 

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Michele von der Hörcompany, sowohl für die Empfehlung, als auch das Hörexemplar!

 

Hier findet Ihr eine Hörprobe:

https://www.hoercompany.de/index.php?op=neuerscheinungen&isbn=978-3-96632-043-6

 

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