Exploring London with Sherlock Holmes – Mit Sherlock Holmes durch London,
erzählt von John Sykes, zweisprachig, dtv
Sherlock und Watson sitzen in Sherlocks Wohnzimmer in der Baker Street, als
sich gleich zwei Besucher ankündigen: ein Kutscher, der Sherlock in der
Vergangenheit schon wertvolle Dienste geleistet hat und ein Dienstbote aus dem
Privathaushalt des Premierministers. Der Kutscher schildert einen finster
aussehenden Kunden, den er quer durch London fahren musste und der ihn an den
wichtigsten Monumenten der Stadt halten ließ. Er ist überzeugt, dass dieser
Fahrgast Übles im Schilde führe. Der Angestellte des Premierministers übergibt
Sherlock eine Einladung in die Downing Street 10 für 14.00 h am Nachmittag.
Während Watson einen Termin beim Barbier empfiehlt, ist Sherlock entschlossen
der Kutschroute zu folgen, überzeugt, dass dieser Auftrag in direktem
Zusammenhang zu seinem späteren Termin steht. Nach und nach begleitet man den
legendären Privatdetektiv und seinen Chronisten vom Buckingham Palace über
Westminster Abbey bis zur Tower Bridge. Dabei treffen sie Geister, historischer
Größen, die ihre Ruhestätten bewachen und verteidigen. Durch sie lernt man
einiges über die Geschichte des Landes, der Stadt und dieser Orte.
Die Zweisprachigkeit des Buches wird gewährleistet, indem auf der jeweils
linken Seite der Text auf Englisch abgedruckt ist und auf der rechten, auf
Deutsch. Sollte man also irgendwo im Test hängen bleiben, kann man kurz mal aus
die gegenüberliegende Seite schielen. Das Sprachniveau ist für
Fortgeschrittene. Es ist allerdings an die Zeit und den Stil von Sherlock und
Watson angepasst. Wer also sein Sprachniveau auch durch die Lektüre von
englischen Klassikern erreicht hat, wird das Lesen als einfacher finden, als
ein Fan von MTV im Original, oder wer seine Sprachkenntnisse mit amerikanischen
Serien im Original erreicht hat. Keine Ahnung von alten englischen
Kutschbezeichnungen? Kein Problem, ein Blick nach rechts genügt, das ist aber
auch zugegebener Maßen sehr verführerisch, aber wer kennt schon die Bezeichnung
für Hänge- oder Zugbrücken, oder der verschiedenen antiken Kirchendecken auf
Englisch? Zugegeben, es ist etwas ungewohnt nur jede zweite Seite zu lesen,
aber man gewöhnt sich sehr schnell daran.
Besonders spannend wird die Geschichte erst ganz am Ende, als es zum
Showdown, mit dem unbekannten Erpresser kommt. Bis dahin ist es eine
unterhaltsame Spurensuche, die interessanter ist, je mehr man sich für
Geschichte interessiert. Im Stil von Dickens Weihnachtsgeschichte, treffen
Holmes und Watson auf die Geister verstorbener Persönlichkeiten, deren Leben
besonders eng mit dem jeweiligen Wahrzeichen verbunden war, auf dass der
Schurke einen Anschlag vornehmen könnte. Doch die Geister schützen ihre Denkmäler
und Gedenkstätten und vertreiben den Bösewicht erfolgreich. Anschließend
erzählen sie dem Ermittler davon, wodurch der Leser eine Menge über die
historische Örtlichkeit, als auch die erzählende Person erfährt. Im Glossar ist
dann noch ein Überblick über die Persönlichkeit der „Zeugen“ und der Ermittler
mit Erläuterungen angehängt, zu diesen gehören z.B. William Shakespeare für den
Temple District, oder Eliza Doolittle in Covent Garden, Lord Nelson für den
Trafalgar Square, Sir Horace Jones, der die Tower Bridge entwarf. Viele kleine
interessante Anekdoten finden sich so in diesem besonderen Stadtrundgang und
viele Namen und Örtlichkeiten, über die ich mich stets wunderte, haben für mich
ihre Rätsel enthüllt. Natürlich kann man hier nur historische Orte entdecken,
das London Eye gab es zur Zeit von Conan Doyle noch nicht, weshalb es nicht
erwähnt wird. Aber bisweilen wird Bezug genommen auf frühere Nutzungen von
Stadtvierteln und heutige und ich bin mir nicht sicher, ob dies immer nur auf
Holmes Zeit Bezug nimmt, oder auch auf unsere. Für Sherlock Fans ein Muss, wenn
auch kein klassischer Krimi. Für historisch Interessierte auch ohne
bevorstehende Londonreise sehr aufschlussreich. Als mein Mann das Buch bei mir
entdeckte, wollte er es sich sofort zum Auffrischen seiner Englischkenntnisse
schnappen, dafür ist es sehr komfortabel, wenn auch für einen sehr
elaborierten, nicht unbedingt zeitgenössischen Stil, dafür aber von hoher
sprachlicher Eleganz.
Eine wirklich schöne Vorbereitung auf einen Londonaufenthalt, Auffrischung
seiner Englischkenntnisse, Erinnerungen aufzufrischen oder etwas englische
Geschichte zu lernen. Weniger ein Krimi, als eine Geschichtsstunde mit
Stadtrundgang, aber eben mit Sherlock-Flair,
das ist ja auch genau das, was der Titel verspricht!
Vielen lieben Dank an den dtv Verlag für dieses vergnügliche
Rezensionsexemplar.