Donnerstag, 25. Juli 2019

Herzensbruder – Bruderherz, Andrea Schomburg, Illus. Dorothee Mahnkopf, Tulipan Verlag



Herzensbruder – Bruderherz, Andrea Schomburg, Illus. Dorothee Mahnkopf, Tulipan Verlag

Luise meint, sie wäre eine ganz normale Zwölfjährige, zwar Einzelkind, aber mit netten Freundinnen und liebevollen Eltern. Nun gut, sie sind etwas übervorsorglich, aber sie meinen es ja nur gut, auch wenn sie es manchmal übertreiben. Doch dann geschehen zwei Dinge die ihr Leben verändern: Ihre Mutter will, daß sie für den Besuch eines Freundes des Vaters das Haus aufräumen, wobei sie ein altes Fotoalbum findet. Dabei entdeckt sie, daß sie einen Zwillingsbruder namens Felix hatte, der wohl kurz nach der Geburt gestorben ist. Ist das der Grund für ihre Sorge um sie? Warum haben sie ihr nichts davon erzählt? Die Frage beschäftigt sie unentwegt. Auch noch als sie sich heimlich zum Jugendtheater-Workshop anmeldet, den ihre Eltern ihr aus Angst vor seltsamen Subjekten am Theater verboten haben. Als dort alle bei der Vorstellungsrunde nach Geschwistern gefragt werden, erzählt sie von ihrem coolen Zwillingsbruder Felix, dem Jugendtheaterstar und Hip-Hop-Champion. Alle wollen ihn kennen lernen und so gerät Luise in echte Erklärungsnot, aus der sie ausgerechnet Viktor, ihr verschlossener Klassenkamerad befreit.

Eine unglaublich einfühlsame und humorvolle Geschichte über den Mut zur Wahrheit und dem Mut seine Träume zu verwirklichen. Es ermuntert die Gedankenmauern einzureißen und als die Kreidestriche zu entlarven, die sie eigentlich nur sind. Ja, Luise lügt ganz schön viel, aber erst, nachdem sie merkt, daß ihre Eltern ihr etwas verheimlichen und sie fühlt sich dabei immer und immer unwohler, vor allem weil sie merkt, daß jede Lüge die nächste hinterher zieht. Meine Tochter (10) mag eigentlich keine Romanhelden, die lügen, betrügen oder stehlen, aber bei Luise geschieht dies mit so vielen Gewissensbissen und auch nur, weil sie etwas unbedingt machen möchte, daß ihr zwar verboten wurde, aber völlig zu unrecht. Sie ist eine gute Schülerin und erfüllt all ihre Pflichten, hat nette Freundinnen und eigentlich spricht nichts gegen eine Teilnahme. Das Schauspiel als solches ist weder verboten, noch hat es einen schlechten Einfluss, ihre Eltern machen sie nur Sorgen, weil die Gruppe nicht direkt in der Nachbarschaft probt. Doch wer in der Großstadt lebt, muss seinen Kindern auch mal etwas zu trauen, wenn sie älter werden. So erfüllt sich Luise ihren eigenen Traum, den vom Theater, den davon mal etwas ganz alleine auf die Beine zu stellen, und den von einem großen Bruder, auch wenn Viktor nicht älter ist als sie. Aber Viktor hat Lebenserfahrung und sie kann nicht nur ihn kennenlernen, sondern auch viel von ihm. Für beide ist es ein Gewinn und beide gewinnen durch den Anderen an Mut und Selbstvertrauen. Allerdings müssen sie feststellen, daß ehrlich doch am längsten währt, da selbst in der Großstadt man solch eine Posse nicht unendlich durchziehen kann, ohne aufzufliegen und es ist auch ganz schön anstrengend! Das hat uns beiden sehr gut gefallen. Kinder und Eltern werden ermutigt: miteinander zu reden, ehrlich zu sein, einander mehr zu zutrauen und die Ängste im Kopf zu besiegen!


Als Mutter musste ich mal wieder grinsen, über die schier unvermeidliche Unordnung im Akademikerhaushalt – zu gerne würde ich  mir diese Seiten einrahmen.

Dabei ist der Schreibstil von Andrea Schomburg wunderschön leicht und selbstverständlich, trotz des ernsten Themas. Meine Tochter wollte immer wissen, wie es mit ihnen weitergeht. Wie das Theaterstück sich entwickelt und ob Luise und Viktor auffliegen. Die Autorin hat jahrelang als Gymnasiallehrerin gearbeitet, was sich an der guten Lesbarkeit der Geschichte zeigt. Kein unbekanntes Wort, nichts, was ein Kind nicht auf Anhieb versteht, dafür aber Gefühle, die direkt ins Kinderherz gehen. Diese Geschichte ist in Prosa geschrieben, was bei der Lyrik liebenden Autorin ungewöhnlich ist. Dafür sind die Liedtexte von dem selbstgeschriebenen Musical als Anhang abgedruckt, zu singen nach einer Melodie der eigenen Wahl!

Auch wenn dieser Roman schon für ältere Kinder ab 10 Jahren ist, ist er dennoch zweifarbig illustriert. Mit präzisen Strichen fängt Dorothee Mahnkopf die Stimmungen und Situationen ein, egal ob Kuscheltier oder die patente Nachbarin Frau Krauseminze, die uns richtig ans Herz gewachsen ist.
Ein kleiner Roman, der sich für uns zum Herzensbuch entwickelt hat.

Wir bedanken uns ganz herzlich beim Tulipan Verlag für dieses wunderbare Rezensionsexemplar.

Mittwoch, 24. Juli 2019

Besser als Bus fahren – die Online-Omi legt ab, Renate Bergmann, Der Audio Verlag 3 CDs 3 h 38 min



Besser als Bus fahren – die Online-Omi legt ab, Renate Bergmann, Der Audio Verlag 3 CDs 3 h 38 min

Renate Bergmann denkt sich: das letzte Hemd hat keine Taschen, da soll man sich das Leben schön machen, solange man es hat. Es wäre doch ganz wunderbar, einmal mit ihrer Freundin Gertrud eine schicke Kreuzfahrt mit allem Drum und dran auf so einem Traumschiff zu machen, wie bei Sascha Hehn. Ist ja auch tatsächlich günstiger, als das Leben in einem Altersheim, nicht daß sie beiden so etwas nötig hätten. Die Frage ist nur, wo soll es denn hingehen? Es soll ja trotz allem nicht zu strapaziös und doch auch ein bißchen aufregend sein. Da klingt doch eine Mittelmeer-Kreuzfahrt mit Italien, Kroatien, Griechenland und Mallorca ganz wunderbar. Tochter Kerstin hat natürlich gleich so ihre Bedenken, ob ihre Mutter das denn noch schafft, aber eine Renate Bergmann übersteht auch trotz künstlicher Hüfte einen Gesundheitscheck und das Sicherheitspersonal am Flughafen sollte sich besser in Acht nehmen, ehe sie zu zudringlich werden! Auch auf den Landgängen können die Einwohner so mit einigem rechnen.
 

Renate Bergmann, geb. Strelemann wohnt in Berlin-Spandau, kommt aus dem Osten, Trümmerfrau, vierfach verwitwet, eine Tochter Kerstin, die in Köln lebt, aber sie hat ja noch Neffen Stefan mit Familie vor Ort, den Senioren-Club, ihre Schulfreundin Ilse und ihren Mann Kurt und die Nachbarn.... Da ist natürlich immer was los, denn eine Renate Bergmann ist organisiert und will was erleben und nicht den ganzen Tag auf dem Sofa vor dem Fernseher hocken! Für Fans der Reihe werden viele der vertrauten Figuren nur am Rande vorkommen, was für diese wohl etwas schade sein dürfte, für Neueinsteiger wie uns, macht es den Start einfacher. Für zwei rüstige alte Damen ist es natürlich ein Abenteuer eine solche Reise anzutreten, aber sie haben ja schon viel erlebt in ihrem Leben, da bekommen sie das auch noch hin. Aber dieser neumodische Kram am Flughafen? Und wo steckt denn bloß Sascha Hehn, auf den sich doch Gertrud so gefreut hat?  Hier werden Stereotypen und Klischees wild durcheinander gewürfelt. Von meiner Oma, über meine Großtante, Schwiegermutter und Mutter, haben wir sie alle an verschiedenen Punkten wieder entdeckt. Womit ich allerdings nicht gerechnet habe ist, dass es den Kindern auch solchen Spaß macht, dabei ist ihnen weder das Traumschiff, noch Sascha Hehn ein Begriff. Aber Bastelkurse auf Kreuzfahrten kennen sie von Oma und Opa, die sie immer mit ihren Werken beglücken. Von einigen Exzessen abgesehen, sind die Beschreibungen also wirklich sehr treffend, auf humorige Art. Da eine Renate Bergmann nicht auf den Kopf und Gertrud nicht auf den Mund gefallen ist, sind die zwei patenten Frauen aus Spandau schon bald auf dem Schiff bei allen bekannt. Selbst Thrombosestrumpfhosen und Seekrankheit können die zwei nicht ausbremsen und was es da alles für interessante und merkwürdige Leute auf so einer Reise gibt! So isses halt das Leben!

Die Online-Omi hat meine Familie so gut unterhalten, daß sie sofort fragten, ob es denn auch noch weitere Folgen von ihr geben würde, und ob ich sicher sei, daß noch mehr Folgen erscheinen würde. Die Skepsis der Kinder liegt wohl in der Sorge um Renate Bergmanns Alter von 82 Jahren. Aber da konnte ich sie beruhigen, daß hinter Renate Bergmann ein Autor namens Torsten Rohde, Jahrgang 1974 steckt, der sich für seine Kunstfigur einmal einen Twitter-Account zulegte, der quasi über Nacht zum Erfolg wurde. Solange ihm die Ideen nicht ausgehen, ist ein Ende nicht abzusehen.

Carmen-Maia Antoni ist 1945 in Berlin geboren und Vollblutschauspielerin. Da sie jünger ist als Renate Bergmann ist auch hier nicht mit einem baldigen Ende der Vertonungen zu rechnen. Es ist nicht das erste Mal, daß sie mir als Sprecherin mit Leib und Seele auffällt, aber dieses Mal ist sie für mein Empfinden und das meiner Familie, die perfekte Besetzung mit ihrer resoluten etwas dunklen und sicher nicht zimperlichen Stimme. So klingt keine Zauderin, die Frau hat Power, das hört man sofort. Trotzdem kann sie ein Staunen und Wundern nicht immer verbergen. Absolut überzeugend und so ist sie nicht nur dem Publikum des Berliner Ensembles bekannt, sondern auch einem breiten Fernsehpublikum sei es aus dem Tatort, Rosa Rot, Mord mit Aussicht, Horst Krauses Schwester...

Vergnügliche Familienunterhaltung, wunderbar kurzweilig für lange Autofahrten, mit Beobachtungen rund um das Leben.... ab 10 Jahren und ohne sprachliche Entgleisungen oder Anzüglichkeiten, dafür steht eine Renate Bergmann mit ihrem guten Namen.

Seit kurzem sogar als günstige Doppelfolge Besser als Bus fahren/Das kann man doch noch essen!

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Der Audio Verlag für diese vergnügliche Familienurlaubsunterhaltung!

Mit Hörprobe: