Deutsche Heldensagen I, Willi Fährmann, gelesen von Peter Kaempfe,
audiolino Verlag
Dieser erste Teil enthält die Sagen von Siegfried dem Drachentöter, seiner
rachsüchtigen Ehefrau Kriemhild, die den Mord an ihrem Ehemann nicht verwinden
kann und eine Blutsfehde anzettelt und des tapferen, loyalen und zugleich
weisen Dietrich von Bern, der stets erst nachdachte, ehe er handelte und der
seinen Waffenbrüdern zuliebe sogar sein Königreich bis auf die Stadt Bern
aufgab.
Meine 11 jährige Tochter ist ein großer Niebelungenfan, doch so genau war
uns die Geschichte von Siegfried, dem Königssohn aus Xanten, der es vorzog in
die Welt hinaus zu ziehen und Abenteuer zu erleben, statt sich auf die
Nachfolge im Reich der Burgunder vorzubereiten nicht bewußt. Dass die Burgunder
überhaupt irgendwas mit Siegfried zu schaffen hatten, war uns überhaupt neu.
Das war umso erstaunlicher, als meine Tochter mal eine Klassenfahrt nach Xanten
machte und seine Drachenhöhle quasi bei uns vor der Haustür liegt.
Die Sagen sind eigentlich recht verständlich erzählt, allerdings so komplex
und gespickt mit Personen mit heutzutage völlig ungebräuchlichen Namen, das es
echt schwierig ist, den Überblick zu behalten. Dabei ist das dringend
erforderlich, da alle drei Sagen miteinander verknüpft sind und die
Hauptfiguren immer wieder vorkommen. Aber die Waffenmeister, Berater und
Brüder, Schwäger, Söhne, Neffen.... auch wenn man aus einer weitverzweigten Familie
stammt wie ich, wären hier Stammbäume der Familien von Siegfried, Kriemhild,
Etzel und Dietrich Booklet ausgesprochen hilfreich gewesen. Sie waren alle weit
davon entfernt Einzelkinder zu sein, wobei Könige damals wohl hauptsächlich
Söhne hatten und Töchter echte Raritäten, die die es aber gab, waren von
atemberaubender Schönheit, Mut, Intriganz, Rachsucht und Loyalität (vielleicht
waren Frauen ohne diese Eigenschaften für die Erzähler auch ohne Interesse, wer
weiß). Die Söhne hatten aber leider oft Namen, die dem des Vaters ähnelten
Dietrich, Dietmar, Diet.... In Seifenopern den Überblick zu behalten ist
dagegen ein Kinderspiel. Denn ehrlich, bei der Intriganz, die die edlen Damen
und Herren hier an den Tag legen, sind Fernsehdynastien Kasperltheater dagegen.
Daher auch der Kommentar meiner Tochter: Ja, es interessant, aber so
blutrünstig, daß ich es nicht zum Einschlafen hören kann. Das kann ich
verstehen, das ging mir genauso, dabei höre ich bisweilen Thriller zum
Einschlafen, die aber weit weniger komplex sind. Man muß ganz genau zu hören
und das am Besten mehrfach. Mit jeder Wiederholung entdeckt man mehr und merkt
sich mehr Zusammenhänge. Sehr beeindruckt hat mich Dietrich von Bern, den ich
nun als den Ur-Schweizer-Diplomaten betrachte, stets um Neutralität bemüht.
Das Booklet bildet die Ritterrüstung des 13. Jahrhunderts ab und erklärt
sie. Warum ist mir allerdings nicht ganz klar, da die hier wiedergegebenen
Sagen alle grob um 500 n Chr. spielen. Da hätte ich mir auch einen genaueren
zeitlichen Überblick gewünscht. Ganz stark tritt hier immer wieder König Etzel
auf, ein Kerl von dem ich noch nie gehört habe und doch muß er wohl der
mächtigste Mann seiner Zeit gewesen sein und über ein riesiges Reich geherrscht
haben. Wie kann es sein, das wir so jemanden denn nicht kennen? Ganz einfach,
im Booklet wird erklärt, daß es sich bei König Etzel wohl um den legendären
Hunnenkönig Attila handeln dürfte. Zu diesem gibt es ebenso weitere
Informationen im Booklet, wie zu Dietrich von Bern bei dessen Eintrag sogar
Auszüge aus dem mittelhochdeutschen Niebelungenlied stehen. Für Kinder
sicherlich sehr interessant, daß das heutzutage kaum verständlich ist, so sehr
hat sich die Sprache im Laufe der Zeit verändert. Sprachlich gibt es trotz der
Schilderungen der Morde und Schlachten Zugeständnisse an das Alter der
potenziellen Zuhörer wenn es um Sex bzw. Vergewaltigung geht. Auch wenn auf dem
Schlachtfeld die Köpfe rollen, ist hier die Schilderung sehr zurückhaltend. Im
Übrigen klingt in der Wortwahl bisweilen der Charme vergangener Zeiten an, was
für Kinder zwar etwas gewöhnungsbedürftig ist, aber zum Thema sehr passend.
Peter Kaempfe hat meiner Tochter als Sprecher nicht zugesagt. Ihre Freundin
Rebecca (11) fand ihn aber gut. Ich persönlich finde ihn eine sehr passende
Wahl zum Thema, da es sich um Sagen handelt und er durchaus eine warme,
wohlklingende Märchenonkel mit klarer Aussprache und sehr passender Betonung
hat. Bei Sagen erwarte ich keine stimmliche Schauspielerei. Leider empfinde ich
die Tonaufnahme als sehr leise. Wenn ich von CD-Spieler auf Radio wechsle,
brüllt es mir entgegen! Die Aufnahme selbst hat aber keine
Lautstärkeschwankungen und ist gut verständlich.
Ein Hörbuch, daß man wirklich genau und am Besten mehrmals hören sollte.
Aufgrund seines Anspruchs ist es nicht zum nebenbei Hören oder sich berieseln
lassen geeignet. Ab 10 Jahren nur sehr bedingt, für Kinder, die sich für
Schlachten interessieren. Es bedarf unbedingt der Bereitschaft zum mehrmaligen
und genauen Hinhören, es lohnt sich aber.
Ein besonderes Hörbuch, für das ich mich ganz herzlich bei audiolino
bedanke, wir sind nun wieder schlauer!