Mittwoch, 26. September 2018

Verloren in Eis und Schnee, Die unglaubliche Geschichte der Geschwister Danilow, Davide Morosinotto, gelesen von Nicolas Artajo, Gabrielle Pietermann und Reinhard Kunert, cbj audio



Verloren in Eis und Schnee, Die unglaubliche Geschichte der Geschwister Danilow, Davide Morosinotto, gelesen von Nicolas Artajo, Gabrielle Pietermann und Reinhard Kunert, cbj audio

Leningrad 1941, die Stadt wird von den deutschen Truppen im zweiten Weltkrieg eingekesselt. Die Versorgungssituation wird immer schwieriger, daher sollen Kinder und Jugendliche aus der Stadt gebracht werden, mit speziellen „Kinderzügen“. Diese sollen die Kinder möglichst weit weg von den herannahenden deutschen Truppen in Sicherheit bringen. Die 12 jährigen Zwillinge Nadja und Viktor bekommen von ihrer Mutter eingeschärft, daß sich sich auf keinen Fall trennen dürfen, sondern immer zusammen bleiben müssen. Aber sie waren bisher stets zusammen, sie sind Zwillinge, niemals würden sie sich freiwillig trennen. Doch die Aufpasser am Bahnhof lassen ihnen keine Wahl, obwohl Geschwister zusammenbleiben sollen. Nadja steigt in den Zug Nr. 76 der schon bald den Bahnhof verlässt, aber nach nur wenigen Kilometer anhält und nicht mehr weiterfährt. Viktors Zug bringt ihn in eine Kolchose in Sibirien, wo die Kinder zu harter Arbeit angehalten werden, um sich ihren Unterhalt zu verdienen. Nadja's Zug voll mit Müttern mit ihren Babys und der ebenso schönen wie faszinierenden Anna, fährt nicht weiter. Irgendwann steigen alle aus, weil sie nach Tagen, die Enge nicht mehr aushalten und eine Katastrophe ereignet sich. Dennoch sind Nadja und Viktor stets überzeugt, daß er andere noch lebt und sie sich finden müssen. Ein harter Kampf um Leben und Tod beginnt auf ihrem weiten und mehr als abenteuerlichen Weg.

Ich hatte altersgerechte Einblicke in das Leben während des zweiten Weltkriegs erwartet, die man auch erhält, doch rückt dies etwas in den Hintergrund. Es ist vor allem eine sehr harte und sehr spannende Abenteuergeschichte. Sehr hart, aufgrund der Witterungsbedingungen im Winter, als auch wegen des erbarmungslosen Umgangs mit Kindern und Jugendlichen in Kriegszeiten. Während einige zusammen halten und das Beste in ihrem Charakter zeigen, offenbaren sich bei anderen innere Abgründe und Selbstsucht. Beide Geschwister werden auf ihrem Weg begleitet, wobei die Truppe, die sich Viktor bei seiner Flucht aus der Kolchose anschließt, wahnsinnig groß ist, viel zu groß und zum Teil erbarmungslos dezimiert wird. Das ist schon starker Tobak, das muß man auch verkraften, weshalb ich der Altersempfehlung ab 12 Jahren nur bedingt zustimme.
Wirklich interessant ist der Einfallsreichtum der Kinder und zum Teile ihre Loyalität. Nadja hat wirklich Glück mit ihren Begleitern, auf die sie sich verlassen kann und die sie begleiten, obwohl sie ja eigentlich nicht müssen. Doch Anna ist schon bald eine wahre Freundin für sie geworden und ihre Schachpartien für beide eine überlebensnotwendige kurze Flucht vor dem Wahnsinn um sie herum. Anders ist es bei Viktor, er wird schon bei der Flucht verraten und ausgerechnet sein Feind aus Schulzeiten, schließt sich ihm an. Ein Umstand den ihn wurmt und den er gerne ändern würde, während er über die Gesellschaft von Clara sehr froh ist, auch dann noch, als er ihr Geheimnis aufdeckt. Die Geschwister und ihre Begleiter brauchen unheimlich viel Mut, Kraft und Überlebenswillen, um sich mit Einfallsreichtum, den gegebenen Gefahren zu stellen, auf die sie immer wieder treffen. Auch von Verrat und Korruption lassen sie sich nicht klein kriegen und lassen sich vor allem nicht selbst korrumpieren. Sie gehen so weit sie sie müssen, doch gibt es Grenzen der Menschlichkeit, die sie selbst in Kriegszeiten, in Kenntnis der geltenden Gesetze nicht bereit sind zu überschreiten. Festgehalten wird die Geschichte in Schulheften, die sie mit in den Kinderzug nahmen, ursprünglich um für ihre Eltern ihr Schicksal festzuhalten.

So liest Nicolas Artajo die Tagebuchaufzeichnungen von Viktor. Er ist mir bereits aus einem anderen Hörbuch bekannt, hier gefiel er mir eindeutig besser. Er konnte mich richtig überzeugen, mit einer Stimme, der man in allen Lebenslagen den an den Herausforderungen heranreifenden Viktor abnimmt. Wenn er nicht gerade Hörspiele spricht, ist er als Schauspieler auch in TV-Produktionen und als Moderator bei Disney Channel aktiv.

Gabrielle Pietermann liest Nadjas Tagebuchaufzeichnungen. Sie ist einem großen Publikum als die deutsche Stimme von Emma Watson, Emilia Clarke (Game of Thrones), Selena Gomez und Anna Kendrick bekannt. Als Synchronsprecherin arbeitet sie übrigens bereits seit ihre 9. Lebensjahr und klingt immer noch frisch und unverbraucht.

Deutlich älter klingt hingegen Reinhard Kuhnert, der gegen Ende den gestrengen Oberst Smirnow spricht. Er ist als Synchronsprecher von Peter Coyote, André Dussolier und David Stratharin bekannt, neben seiner Arbeit als Schauspieler, Regisseur, Dramatiker und Liedtexter. Er klingt streng, aber nicht grausam, einfach nach militärischer Autorität.

Alle drei Sprecher konnten mich absolut überzeugen. Sie schaffen es eine wahnsinnige Spannung aufzubauen. So spannend, daß ich nicht weiß, ob das nicht für 12 jährige etwas viel ist, da Kinder spannungstechnisch noch nicht so abgebrüht sind. Das Hörbuch zum Vorgänger „Die Mississippi-Bande“ fand meine inzwischen 11-jähre Tochter große klasse, aber es ist deutlich weniger spannend und dramatisch, für mein Empfinden (Altersempfehlung ab 10 Jahren meine ich). Die Spannung und Grausamkeit ist jedoch nie Selbstzweck sondern trägt stets die Handlung. Das vorgenannte Kinderbuch wurde übrigens für den Deutschen Jugendliteraturpreis nomminiert. Hierbei handelt es sich um eine bearbeitete Hörbuchfassung, was ich als sehr angenehm empfinde. Denn auch trotz der großen Personenanzahl und der vielen für mich fremden Namen, hatte ich fast keine Zuordnungsprobleme (Viktor ist zeitweise mit 78 Personen auf der Flucht), ich hatte kein Bedürfnis nach einem Personenverzeichnis.

Dieser erbitterte Überlebenskampf in Kriegszeiten verdeutlicht hoffentlich Jugendlichen heutzutage, den unschätzbaren Wert des Friedens den wir haben und weckt Verständnis für das Leid der Menschen auf der Flucht vor Krieg und Terror.

Ein ganz toller historischer Jugendroman, der unglaublich spannend und emotional ist. 5 von 5 Sternen.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei cbj audio für dieses fantastische Hörbuch.

Dienstag, 25. September 2018

Lilo auf Löwenstein (3): Nichts für Feiglinge, Mara Andeck, Illu. Eleni Livanios, Boje Verlag



Lilo auf Löwenstein (3): Nichts für Feiglinge, Mara Andeck, Illu. Eleni Livanios, Boje Verlag

Dies ist der dritte und leider letzte Band der Lilo auf Löwenstein-Reihe, die meine beiden Töchter lieben. Noch sind Sommerferien und die Kinder der Familien Lorenz und Chevalier haben sich gut auf Schloss Löwenstein eingelebt. Mittlerweile ist auch die Familie von Papas altem Freund Fred ständig zu Gast, so daß David fast auch schon dort lebt. Zusammen mit dem Enkelsohn, des menschenscheuen Grafen, Golo sind sie inzwischen ein eingespieltes Team, eine richtige Bande mit Bandengeheimnis. Denn noch immer haben die Kinder nicht herausgefunden, wie man die geheime Tür im alten Speicherschrank öffnet, um in das verborgene Zimmer zu gelangen. Sie sind fest überzeugt, daß darin ein Schatz verborgen sein muss, den sie dem Grafen aber lieber verheimlichen. Als dann aber ein Sturm das alte Schlossdach so stark beschädigt, daß der Graf eine Reparatur nicht mehr bezahlen kann, kommen sie ins Grübeln, ob sie ihn nicht doch besser einweihen sollen. Noch während sie nachdenken, spitzt sich die Lage zu, als sie ein Gespräch belauschen, das nicht für ihre Ohren bestimmt ist. Schloss Löwenstein ist in ernsthafter Gefahr und es sieht so aus, als ob nur sie den Erhalt des Schlosses im Familienbesitz retten könnten.

Dieser Band rundet die Triologie für uns voll zufriedenstellend ab (auch wenn meine Töchter gerne noch weitere Bände lesen würden). Endlich wird das Geheimnis gelüftet und es ist völlig anders, als es die Leser erwarten. Meine Große, die das Buch als erste las, musste sich wirklich zusammenreißen uns nicht zu verraten, was die Löwenbande denn dort entdeckt hat. Neben dem großen Schlossgeheimnis und der sich anbahnenden Gefahr lernen wir nach Golo, nun auch Graf Benno von einer ganz anderen, persönlichen Seite kennen. Die Kinder staunen Bauklötze, als er ihnen von seiner Kindheit erzählt. Sie wußten ja, daß Kinder es früher oft schwer hatten, aber wenn man weiß wie ein Mensch aufwächst, kann man ihn auch oft viel besser verstehen und besser leiden, stellen sie fest. Eine sehr schöne Einsicht.
Lilo auf Löwenstein bannt zwischen zwei Buchdeckeln Kinderträume von abenteuerlichen Ferien, Banden und echter Freundschaft, die durch dick und dünn geht. Aufgelockert wird dies alles natürlich wieder durch die wunderbar anschaulichen Zeichnungen von Eleni Livanios. Denn sie muß Lilos Erklärungen (z.B. zu den verschiedenen Schloßbewohnern und ihren Beziehungen untereinander) und Ideen bildlich darstellen, so wie Lilo auch gerne ihre Gefühle als Feelies, als Tonaufnahmen von ihren sprachlich ausgedrückten Gefühlen auf ihrem Handy, ausdrückt. Anders als die zweifarbigen Illustrationen, sind die geschriebenen Listen & Regeln dreifarbig in schwarz, weiß und grün, während die Feelies in grüner Handschrift gedruckt sind. Diese Darstellungen finden beide toll, weil sie sehr anschaulich sind und die Zeichnungen aussehen, als hätten sie wirklich Lilo und Anni gezeichnet. Wunderbar kindgerecht gemacht. Das Highlight für meine Jüngste war allerdings eine zu entziffernde Geheimschrift, die zu entknobeln ihr richtig Spaß macht.

Sprachlich kommt Mara Andeck einer Romanerzählung aus Sicht zweier Elfjähriger sehr nahe, allerdings ohne so viele Wiederholungen im Ausdruck, wie es wohl Kinder machen würden. Der Spaßfaktor wird durch diesen Eindruck aber noch weiter erhöht.

Das Schriftbild ist sehr angenehm groß mit relativ großem Zeilenabstand, so daß auch Kinder, denen das Lesen optisch noch etwas Probleme bereitet, es leichter haben, sich nicht in den Zeilen zu irren. Es ist schon wie ein richtiges Buch, aber eben durch den Zeilenabstand optisch sehr entspannt. Meine Kinder lehnen Bücher nämlich gerne ab, bei denen ihnen das Druckbild unangenehm ist. Ab 8 Jahren ist dieses Buch daher optimal lesbar, weshalb es sich meine Jüngste zur Kommunion gewünscht hat.

Eine ganz tolle, nicht ganz so mädchenhafte, Mädchenbuch-Reihe, die aber nun leider abgeschlossen ist (auserzählt, wie die Autorin sicher einwenden würde). Wir lieben die Reihe 5 von 5 Sternen.