Mittwoch, 1. August 2018

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl, Judith Kerr, gelesen von Sascha Icks, Silberfisch Hörbuch



Als Hitler das rosa Kaninchen stahl, Judith Kerr, gelesen von Sascha Icks, Silberfisch Hörbuch

Nach der DDR wollte ich mich auf Grund der Kinderfragen gerne mit ihnen mit dem 3. Reich beschäftigen, ein Thema, das in meiner Kindheit allgegenwärtig war, heute aber wohl von einigen vergessen wird. Fast alles was ich fand war ab 12 Jahren und schon gar nicht als Hörbuch erhältlich... Doch Judith Kerr wurde im Juni 95 Jahre alt und in „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ erzählt sie von ihrer Kindheit von 1933 an, als die Familie aus Deutschland floh. Auch dieses Buch wird ab 11/12 Jahren empfohlen, als Hörbuch ist es aber bereits ab 9 Jahren sehr zu empfehlen.

Die 9 jährige Anna wächst in Deutschland ziemlich priviligiert auf. Ihr Vater ist ein berühmter Schriftsteller und Journalist und ihre Mutter eine Pianistin. Wie gut, daß sie loyales Personal haben, denn besonders praktisch veranlagt sind Annas Eltern nicht. Doch Annas Vater sieht die Entwicklung in Deutschland 1933 sehr kritisch und macht sich keine Illusionen. Von einem Bewunderer, erhält er den Hinweis, daß ihm der Pass abgenommen werden soll, sollte Hitler an die Macht kommen und so verlässt zuerst er heimlich Deutschland über Prag, während seine Familie am Tag vor der Wahl möglichst unauffällig über Stuttgart in die Schweiz ausreisen soll. Diese Entscheidung erwies sich als goldrichtig. In Zürich steigen sie in einem edlen Hotel ab und gehen davon aus, daß alles so weitergeht wie bisher, doch die Schweizer Zeitungen trauen sich nicht, Artikel des bekannten Hitler-Gegners zu veröffentlichen, die Neutralität halt. So kommt es, daß sie erst das edle Hotel verlassen und in einem Dortgasthof absteigen. Im Dorf und in der Dorfschule leben sich Anna und ihr älterer Bruder Max gut ein, doch als das Geld immer knapper wird, flüchtet die Familie nach Frankreich und Anna und Max landen in einem Land, in dem sie kein Wort verstehen, vorerst. Als es ihnen so richtig gut dort gefällt, müssen sie jedoch vor der Wirtschaftskrise erneut fliehen, nach London. Lange bevor die Nazis auch in Paris einmarschieren und sie dort in Gefahr wären.

Dies ist die Geschichte einer langen Flucht, einer Flucht derer, die auf ihr Recht zur Meinungsäußerung bestehen, die sich zwar bereitwillig an Landessitten anpassen, aber sich nicht verbiegen lassen wollen. Auch wenn Annas Vater ein großer Schriftsteller, aber in Alltagsdingen völlig unbeleckt ist, so erweist er großen Weitblick. Durch die frühe Flucht sowohl aus Deutschland, als auch aus Frankreich, mußte die Familien nie besonders große Gefahren durch die Nazis erfahren. Dadurch hat Anna trotz der ständigen Neuanfänge, eine schöne und sehr aufregende Kindheit. Sie kann sich mit dem Gedanken anfreunden keine Heimat mehr zu haben und ein Flüchtling zu sein, solange die Familie zusammenbleibt. Judith Kerr bringt Gedanken über Familie, Flucht, Entbehrungen und Herausforderungen wunderbar für Kinder und Erwachsene auf den Punkt! Die Gräueltaten des dritten Reichs werden zwar erwähnt, aber nicht in der Deutlichkeit, daß Kinder ab 9 Jahren es nicht verkraften können. Dafür wird die Geschichte aber auch immer wieder durch sehr lustige Momente aufgelockert. Wir haben dieses Hörbuch im Frankreichurlaub alle zusammen gehört und Annas Mühen beim Französisch lernen, hat die Kinder ganz nachhaltig beeindruckt, immer wieder mußten sie lachen und zitierten sie. Aus dem Grunde suchte ich ein Hörbuch, damit wir es wiederholt gemeinsam hören können, damit die Gefühle, die Erlebnisse, die Geschichte besser haften bleibt. Auch heute gibt es Flüchtlinge, die hier bei uns ganz neu anfangen müssen. Unsere Jüngste saß lange neben einem Flüchtlingsmädchen und hat von ihr viel gelernt, sie konnte in Frankreich ganz herrlich ohne Worte mit französischen Kindern spielen. Sprache ist wichtig, sie zu lernen ist schwierig. Anna und Max sind sehr intelligente Kinder und in ihrer Familie wird viel Wert auf Bildung gelegt. Doch auch für sie ist es eine sehr anstrengende Herausforderung eine neue Sprache zu lernen und es macht sie so unendlich müde, das Anna bisweilen der Mut zu verlassen droht. Aber sie gibt trotzdem nicht auf, so wie ihre Mutter sich redlich bemüht die Aufgaben einer Hausfrau zu lernen. Einmal wird es für die Familie brenzlig, daß hat die Kinder wirklich bewegt, so wie auch eine traurige Nachricht aus der alten Heimat, aber solange die Familie zusammenbleibt, wird alles gut. Daher ist dieses Buch noch immer aktuell, es macht Kindern begreiflich, wie schwer es erst für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus einem anderen Kulturkreis bei uns ein muß. Sie sind nicht alle Verbrecher, sie sind vor allem Opfer, Opfer eines Konfliktes, für den sie nichts können. Das macht dieses Werk nicht nur sehr persönlich, sondern immer noch aktuell, es zeigt, wie Geschichte sich wiederholt.

Sascha Icks liest mit unglaublich warmer, ausdrucksstarker Stimme. Es ist wohl gerade auch ihrer warmen Klangfarbe zu verdanken, daß unsere Jüngste niemals Angst verspürte. Sie hatte zwar die Gewissheit, daß Anna es schaffen würde, denn immerhin ist es das Alter Ego von Judith Kerr, die noch heute in London lebt und dort zahlreiche Kinder- und Jugend- und Drehbücher veröffentlicht hat, doch hätte ja auch ihrer Familie auf der Flucht etwas passieren können, oder der Bombenhagel in London hätte sie treffen können. Wir vier waren uns alle einig, daß Sascha Icks eine wirklich hervorragende Wahl als Sprecherin dieses ungekürzten Hörbuchs ist. Die Tonqualität ist wirklich ausgezeichnet, wir hatten auch zu viert im Auto keinerlei Verständnisschwierigkeiten durch Lautstärkeschwankungen. Die Lautstärke ist gleichbleibend, Höhen und Tiefen, werden alleine durch die deutliche und klare Stimme der studierten Otto-Falckenberg-Schülerin erzeugt.

Judith Kerr, Jahrgang 1923 verarbeitete in „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ ihre eigenen Kindheitserinnerungen, die 1971 erstmals erschien. Wie ihre übrigen Bücher schrieb Judith Kerr auch dieses Buch weder auf Deutsch oder Französisch, sondern auf Englisch.

342 Minuten haben wir den 5 CD's gebannt gelauscht, mehr als einmal. Es ist eine sehr gute Wahl, um sich mit Kindern dem Thema 3. Reich anzunähern, aber auch um sich die Bedeutung einer Flucht zu verinnerlichen.

Von uns erhält es das Prädikat besonders wertvoll!

Wir bedanken uns ganz herzlich bei der Silberfisch Edition, daß wir diesen Klassiker zum 95. Geburtstag seiner Autorin rezensieren durften.

Dienstag, 31. Juli 2018

Der kleine Warum Wolf macht Ferien, Sylvia Englert, Illustrationen Sabine Dully, Knesebeck Verlag



Der kleine Warum Wolf macht Ferien, Sylvia Englert, Illustrationen Sabine Dully, Knesebeck Verlag

Dies ist der zweite Band mit verrückten Vorlesegeschichten von Sylvia Englert, die als Katja Brandis regelmäßig mit ihren Jugendbüchern die Bestsellerlisten erobert. Auch bei diesen Geschichten für neugierige Kinder geht es tierisch zu.
Finn hätte ja gerne einen Hund, aber Mama und Daniel (er ist zwar nicht sein Papa, aber für ihn schon) sind dagegen. Wie gut, daß es da den kleinen Warumwolf gibt, der Finn stets zur Schule begleitet und ihn dort auch wieder abholt. Dann ist der Schulweg nicht so langweilig, denn der Warumwolf liebt es Finn mit den aberwitzigsten Fragen zu löchern und Finn liebt es, sich für ihn verrückte Antworten auszudenken. Wie schade, daß er nicht überall hin mit darf, wie z.B. in den Zoo. Aber das macht ja nichts, denn Finn erklärt ihm ja danach die tollsten Sachen z.B. warum Schnee weiß ist, so weiß wie Eisbären (ja ja, dazwischen besteht ein Zusammenhang!). Zum Glück merkt niemand außer Finn, daß der Warumwolf ein Wolf und kein Hund ist, denn sonst hätten ja alle Angst, auch Mama und Daniel, die ihn sonst auch nie ins Haus lassen würden. Wo kommen denn Warumwölfe eigentlich her? Natürlich aus Weilheim, weil es dort so viele Antworten gibt!

Meine Jüngste (gerade 9 Jahre) fand das Cover und den Titel so witzig, daß sie richtig Lust auf diese verrückten Vorlesegeschichten bekam und weil es ja Vorlesegeschichten sind, habe ich sie ihr vorgelesen. Sie kicherte und gluckste total süß und meinte: „ Das ist ja alles totaler Quatsch Mama!“. Ja und darin liegt der Spaß! Auch wenn Sylvia Englert schon einige Bände der Reihe „Frag doch mal die Maus!“ verfasst hat, allerdings mit ernsthaften Antworten auf Kinderfragen, so geht es hier einfach nur um das gemeinsame Lachen und der Fantasie freien Lauf lassen. Vor dem Einschlafen kann man so die Geschichten weiter spinnen und sich eigenen Quatsch einfallen lassen, um dann gut gelaunt und mit einem Lächeln im Gesicht einzuschlafen. Die Geschichten sind dabei sehr originell und direkt aus dem kindlichen Gedankenkosmos. Dabei erleben Finn und sein Warumwolf die unterschiedlichsten Abenteuer die Grund zum Nachfragen geben, sei es das Schlittenfahren, der Hausmeister der Schule, ein Wochenendausflug, ein Nachmittag bei Oma und Opa, ein Ausflug in den Zoo oder aber man erfährt, warum eine Mäuse gefressen werden, während andere den Katzen entkommen können. Finn hat einfach auf alles eine Antwort, auch wenn sie vollkommener Blödsinn ist, macht nichts, Lachen ist gesund. Sinnlos ist ein Leben ohne Sinn für Unsinn, das haben Finn und sein Warumwolf bestens verstanden!
Dies ist bereits der zweite Band. Wie Finn und der Warumwolf sich gefunden haben, wissen wir leider auch nicht, aber wir sind nun echt mächtig neugierig, wie das denn wohl gewesen sein könnte. Bis wir es wissen, können wir ja allerhand wilde Geschichten entwickeln. Unsinn macht nämlich kreativ!

Die Illustrationen von Sabine Dully sind echt richtig lustig und machen einfach gute Laune genau wie auch die abwechslungsreichen Geschichten, egal ob es um den Regenwurmkönig in seinem unterirdischen Schloss geht oder den ertrunkenen Regenwurm, der nun auf einer Wolke sitzt und Harfe spielt, die größtenteils farbigen Illustrationen regen zum Geschichten weiterspinnen und Lachen an. Da wird einfach Lust auf Bücher und Geschichten gewickt, die Fantasie gefördert und man kann herrlich vor dem Einschlafen gemeinsam Kuscheln.

Ein wirklich wunderbar fantasievolles Buch, auch ohne Gestaltwandler oder andere magische Wesen. Einfach zauberhaft durch die Kraft der Fantasie und des Unsinns, wir finden es sehr empfehlenswert!

Wir bedanken uns ganz herzlich beim Knesebeck Verlag für dieses fantasievolle Vergnügen!