Wie heiß ist das denn? Ellen Berg, Aufbauverlag
Nachdem ich schon so viele begeisterte Rezensionen zu Werken von Ellen Berg
gelesen habe, wollte ich nun auch mal in den Genuss dieses Vergnügens kommen,
denn sie sollen ja sehr lustig und unterhaltsam sein. Das klingt doch schon mal
gut. Worum es in „Wie heiß ist das denn?“ geht habe ich mir daher erst gar
nicht durchgelesen.
Bea ist 44 Jahre alt hat sich und mit Leib und Seele dem Interior Design
verschrieben. Studiert hat sie es nicht, sie ist ein Naturtalent und sprüht nur
so über vor kreativen Ideen und hat ein todsicheres Gespür für Stil und
interessante Stilbrüche. Da sie aber keine Ahnung von Marketing und wohl auch
nicht von Finanzierungskonzepten hat, läuft ihr Laden mehr schlecht als recht.
Zu oft hat sie sich voller Elan in Projekte gestürzt und Investitionen getätigt
und dann bekam den Auftrag jemand Gewöhnlicheres. Bei der Liebe läuft es
ähnlich. Voller Elan und mit ganzem Herzen schlittert sie von einer Beziehung
zu Taugenichtsen nach dem andern, nie ist der Richtige dabei und es endet in
einem Desaster und gebrochenem Herzen. Als nach dem heißen Versöhnungssex mit
dem polyamoren Fred, dieser sich für immer verabschiedet, beschließt sie, daß
sie nun von Männern die Nase voll hat und sich eine Auszeit von ihnen gönnt.
Doch gerade jetzt begegnet sie zwei richtig tollen Männern in ihrem Laden, die
sogar ihre Liebe zu Poesie, Opern und Inneneinrichtung teilen. Na ja, der eine
ist fast toll, denn er ist der „Neue“ ihrer erwachsenen Tochter Mona, die sie
alleine großgezogen hat, und ihrer Meinung nach genau der Falsche für ihr Kind.
Zu allem Übel wird sie nun auch noch von Hitzewallungen heimgesucht.
Wechseljahre zum 44. Geburtstag ist alles andere als ein Grund zu jubeln und so
macht es Bea wie bisher immer in ihrem Leben, sie stolpert von einer
Katastrophe in die nächste.
Manchmal frage ich mich beim Rezensieren, ob ich eigentlich alles gut
finde? Aber nein, ich kenne einfach nur meinen Lesegeschmack inzwischen sehr
gut. Mit diesem Werk hier wurde ich gar nicht warm. Ich habe wenig Verständnis
für Bea, die sich ständig völlig kopf- und insbesondere hirnlos in irgendwelche
Aktionen stürzt und die noch dazu einen grauenvollen Männergeschmack hat. Ihre
Exe würde ich wahrscheinlich noch nicht einmal mit der Kneifzange anfassen und
die vermeintlichen Traummänner sind mir auch ganz gehörig auf die Nerven
gegangen. Die ach so geistreichen verbalen Schlagabtäusche zwischen Bea und
Literarturprofessor Julian Weichenberg fand ich unendlich ermüdend. Nein,
anders als Bea kann man Herz nicht mit Gedichten erobern, davon hatte ich
bereits eine Überdosis als Kind. Die Fähigkeit Räume geschmackvoll
einzurichten, insbesondere auf anderer Leute Kosten, finde ich jetzt auch nicht
wirklich beeindruckend (ich bin zwar kreativ, aber Deko finde ich meist nur
lästig abzustauben). Also, für mich hat auch Bea kein Traumfrau-Potenzial und
ist einfach nur anstrengend (insofern passt sie ja doch hervorragend zu ihren zwei
Traummännern). Sehr ermüdend fand ich auch das andauernde Wiederholen, von Beas
Hitzewallungen. Jaaaa, man hat es spätestens nach der 5. Wiederholung kapiert!
Natürlich ist nichts so wie es scheint, sondern in Wirklichkeit alles gaaaaanz
anders. Nur leider nicht überraschend anders, sondern total vorhersehbar. Ach
ja, eine beste Freundin namens Wanda hat Bea auch, auch die geht mir mit ihrem
buddhistischen Getue unendlich auf die Nerven, aber sie hat ja soooo ein großes
Herz! Hier bleibt kein Clichée aus, sie kommen alle ganz geballt. Für mich so
unerträglich, daß ich mich echt zum Weiterlesen gezwungen habe. Dafür wurde ich
dann mit Beschreibungen der ach so originellen Outfits der Kreativen beglückt.
Zum Glück habe ich es nur gelesen, der Anblick in der Wirklichkeit hätte mir
wahrscheinlich Augenschmerzen bereitet. Ehrlich: Six-Pack hin-oder-her, Männer
mit offenen Hemden gehen gar nicht und unglaublich teure Fetzenjeans, finde ich
nicht lässig, sondern albern. Ich kaufe mir lieber gutsitzende Jeans ohne
Löcher, die Löcher kommen von ganz alleine (so in etwa wie bei Michel aus
Lönneberga und dem Unsinn, nur daß ich Michel irgendwie liebenswert finde). Nur
weil Bea nicht studiert hat, fühlt sie sich Prof. Julian unterlegen und kennt
Idiome wie „dito“ nicht? Na ja, immerhin ist der Roman in der 3. Person
Singular verfasst, zwar nicht als allwissender Erzähler (dafür fühlte ich mich
als allwissende Leserin), aber auch nicht in der Ich-Form. Diese mag ich
allgemein nicht so sehr, aber Bea und ich sind uns nicht nahe genug gekommen,
als dass ich in ihren Kopf hätte hineinblicken wollen.
Damit sich aber auch wirklich jede Frau mit Figurproblemen mit Bea
identifizieren kann, wird immer wieder betont, daß sie die abgelegte Kleidung
ihrer Mutter Rosi trägt, auch auch wenn das Dolce & Gabbana Kleid in Gr. 44
ihr die Luft zum Atmen raubt, finden sie alle Männer hinreißend!
Oma Rosi ist für mich der einzige Lichtblick. Ihre überkandidelte Art ist
mir zwar auch zu viel, aber sie hat bisweilen ein paar echt gute Sprüche drauf.
Tante Ruth ist auch noch sympathisch, aber das ganze Drumherum für mich auch
einfach zu stark überzeichnet. Es war einfach von allem zu viel! Dieses Buch
ist stilistisch nicht schlecht, daher kam ich echt ins Grübeln ob ich einfach
gerade eine Anti-Chick-Lit-Phase hätte und das Buch gar nichts dafür kann (man
will ja fair sein). Also nahm ich statt des Kindle mit Bea, einen Frauenroman
im Taschenbuchformat mit ins Freibad, unfairer Weise einen, den ich im Winter
begonnen und abgebrochen hatte, weil mir die Schrift zu klein war (im Sommer
bei knaller Sonne macht mir das weniger aus). Zu meiner Überraschung kam ich
super mit diesem Testbuch voran und wollte es sofort zu Hause weiterlesen, aber
ich mußte ja unbedingt dieses Rezensionsexemplar beenden....... Fazit: nein,
ich mag das Genre immer noch, man muß für mich auch nicht das Rad neu erfinden.
Einige Clichées gehören einfach dazu, damit kann ich leben. Aber ich muß die
Hauptpersonen mögen und darf nicht an ihrer Intelligenz zweifeln. Frauenromane
mit dusseligen „Heldinnen“ sind mir seit jeher zu wider und werden von mir
normalerweise auch abgebrochen, aber dies war ja ein Rezensionsexemplar und
vielleicht würde ich am Ende den Rummel um Ellen Bergs Romane verstehen. Aber
nein, auch die überraschenden Wendungen zum Schluß waren absolut vorhersehbar
und auch den Schluss hätte man deutlich straffen können, da blieb mir kein
Kitsch erspart.
Ganz ehrlich, ich möchte keinen Autor mit vernichtender Kritik verletzen,
aber liebe Ellen Berg, sie haben so viel Erfolg, sie können das wahrscheinlich
verkraften und sie befinden sich in prominenter Gesellschaft J.D. Salingers
Fänger im Roggen gefällt mir auch nicht, ebenso wie Victor Lelord's Hector, und
Kerstin Giers „Mütter-Mafia“ habe ich abgebrochen (obwohl ich ihre Jugendromane
super finde), ebenso wie „Frisch gepresst“ von Susanne Fröhlich. Der
großen Ellen-Berg-Fan-Gemeinde gefällt
dieses Buch sehr gut, mir leider nicht. 2 von 5 Sternen, da Oma Rosi wirklich
ein paar nette Sprüche auf Lager hat.