Donnerstag, 27. August 2020

Nachhaltig Verliebt, Chantal Schreiber, Schneiderbuch Verlag



Nachhaltig Verliebt, Chantal Schreiber, Schneiderbuch Verlag

Zoe ist fast 15 Jahre alt und sie freut sich auf die Sommerferien! Doch nicht ganz uneingeschränkt, die junge Veganerin ist leidenschaftliche Sängerin, mit einer wunderschönen Stimme, aber sie versteckt sich in ihrer Acapella Gruppe gerne zwischen allen anderen, denn sie ist mit ihrem Aussehen unzufrieden. Sie findet sich zu dick und seit sie ihren Exfreund im Gespräch mit seinen Freunden versehentlich überhörte, ist sie überzeugt, dass alle Jungs immer nur auf ihre Oberweite fixiert sind. Seither trägt sie nur noch weite Kleidung. Als ihre alleinerziehende Mutter unerwartet in die USA reisen muss, um die Erbschaft einer Großtante zu regeln, ist es ihre Aufgabe, und die ihres zwanzigjährigen Bruders Jack, den veganen Zero-Waste-Laden in den Ferien am Laufen zu halten. Unterstützt werden sollen die zwei von Jacks zuverlässigen Freundin Clara und Zoes flippiger Freundin Reggie. Ob das wohl die erhofften Ablenkung von den ewig um ihren Ex-Milo kreisenden Gedanken ist? Als der süße Leon in den Laden tritt, während sie geistesabwesend vor sich hinträllert und von ihrer Stimme und ihrem Humor hin und weg zu sein scheint, scheint sich dieser Traum zu erfüllen, doch....

Ein süßes Buch über enttäuschte Liebe, Verantwortung, verantwortungsvolles nachhaltiges Leben, Freundschaft und vor allem Vergebung. Das ist tatsächlich ein ganz großes Thema dieses Buches und das hätte ich so nicht erwartet. Da zeigen diese jungen Leute deutlich mehr Größe, als ich es wohl könnte. Aber wenn man darüber nachdenkt, ist Vergebung auch Teil eines nachhaltigen Lebensstils. Negative Gedanken und Groll verhageln einem doch nur das Gemüt und hindern einen daran das Leben mit allem, was es einem so bietet zu genießen!

Zoe ist fest davon überzeugt, nicht so attraktiv zu sein, wie ihre zarte, quirlige Freundin Reggie oder Clara, die elfenhafte Freundin ihres Bruders. Ein sehr weitverbreitetes Phänomen, bei dem sich die Mütter, ebenso wie Zoes, gerne den Mund fusselig reden, aber wer glaubt schon seiner Mutter, wenn sie sagt: es gibt für jeden Topf einen Deckel! Nee, ernsthaft, es gibt für jeden Typ Frau Liebhaber und wenn man zart, mit geringer Oberweite ist, sollte man sich vielleicht nicht einen Freund suchen, der auf den üppigen Dirndl-Typ steht... Auch ist es müßig sich ständig mit anderen zu vergleichen, aber es ist ja so verlockend! Da ist die Arbeit für Zoe schon sehr hilfreich, weil sie dort auch ihre Stärken zeigen kann, außer Singen, das traut sie sich dort dann doch nicht: sie ist liebenswürdig, hat Humor, ist flexibel und kann prima backen! Sport ist nicht so ihres (verstehe ich!), aber sie liebt ihren Hund Bowie, der ein wahrer Engel ist, sofern kein großer schwarzer Hund in der Nähe ist, dann flippt er aus! Na ja, bei einem Spaziergang flippt er vor Freude aus, denn die große schwarze Hundedame Poppy, macht bei ihm alles richtig! Zoe kann es kaum glauben und beachtet erstmals richtig deren Frauchen, denn wer seinen Hund so gut erzogen hat und so gut versteht, muss doch ein guter Mensch sein. Die Fassade von Frauchen Nico hätte Zoe da eher abgeschreckt mit den Piercings, Tatoos, dem rebellischen Haarschnitt, und den Typen, mit denen Nico sonst am Sportplatz abhängt. Doch wenn man Menschen eine Chance gibt, oder auch mal zwei, dann kann es sein, dass man positiv überrascht wird! Mehr als eine Chance braucht Surferboy Leon, der bei der ersten Chance bei Zoe voll ins Schwarze trifft, bis sie ein Gespräch zwischen ihm und Reggie belauscht. Dieses Buch ist ein abschreckendes Beispiel für alle, die gerne Lauschen, denn das kann zu ganz schönen Missverständnissen führen und da hätte ich Zoe echt mal gerne geschüttelt. Wer jemanden von hinten belauscht, sieht das Gesicht nicht und das spricht oft Bände.... Aber warum sollten Jugendliche weniger irren als Erwachsene? Eben! Zoe ist jung und bereit Irrtümer einzusehen und das ist die Hauptsache. Mit ihrer frischen, schwungvollen Art kann sie daher auch Menschen für sich und ihre Ideen begeistern, sie mitreißen und bei dem was auf die Truppe des „Fill up“ noch zukommt, ist das absolut wichtig!

Warum ich nun nichts über die Liebesgeschichte geschrieben habe? Ich will ja nicht alles verraten, nur, dass es manchmal besser ist langsam zu machen, gerade wenn man eine Enttäuschung hinter sich hat, oder mehrere. Die Liebesgeschichte hat mich durch starke Charaktere überzeugt, denn auch wenn sie mit ihren noch 14 und 16/17 Jahren jung sind, sind sie doch nicht oberflächlich, sondern machen sich Gedanken, sie bedauern, entschuldigen, verzeihen, engagieren sich... das heißt auch, dass niemand in diesem Buch eindimensional böse oder schlecht ist, nein, noch nicht einmal der Ex oder der ärgste Konkurrent, man muss nur mal genauer hinsehen! Hier ist jeder Charakter mit viel Liebe erschaffen und so mag ich sogar die „bösen Jungs“ am Ende richtig gerne.

Chantal Schreiber schreibt gewohnt locker, flüssig, aber eben auch mit Gedanken, die über den Tellerrand hinausgehen! Und weil sie das auch tut, hat sie sich für einen nachhaltigen Druck dieses Buches eingesetzt, wobei sie vom Verlag unterstützt wurde. Es ist aber nicht nur nachhaltig produziert, es kommt auch beim Kauf eines jeden Buches 1,- € Spende dem Klima zugute. Beim Lesen dieses Buches kann man immer wieder kleine Tipps finden, wie man selbst Müll vermeiden kann.

Eine sehr positive Botschaft, mit einem süßen Ende und einer schwungvoll unterhaltsamen Geschichte, die sich folgelogisch entwickelt! Da passt einfach alles!

Vielen lieben Dank für mein Rezensionsexemplar an den Schneiderbuch Verlag und die Agentur Buchcontact!

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Mittwoch, 26. August 2020

Wenn das Schicksal anklopft, mach auf, Marie-Sabine Roger, gelesen von Svenja Pages, Steinbach Sprechende Bücher, 1 MP3 481 min. ungekürzt



Wenn das Schicksal anklopft, mach auf, Marie-Sabine Roger, gelesen von Svenja Pages, Steinbach Sprechende Bücher, 1 MP3 481 min. ungekürzt

Harmonie ist Mitte/Ende Zwanzig und liebt das Leben. Doch seit dem Tod ihrer Mutter, kennt sie keine bedingungslose Liebe mehr. Ihr Tourette Syndrom mit ihren unwillkürlichen verbalen Ausbrüchen, die selten schmeichelhaft sind und reflexartigen Bewegungen irritiert die meisten Menschen. Im Supermarkt entdeckt sie einen Zettel, dass eine Hundesitterin gesucht wird. Als sie sich bei 76 jährigen, übergewichtigen Fleur als Sitterin für deren verwöhnten Mops Mylord vorstellt, kommt es wieder zu ungewollten Ausbrüchen. Erschrocken schließt Fleur die Tür und bricht Harmonie dabei den Arm. Harmonies Freund Freddy ist entsetzt, doch zeigt sich in seinem Schock auch, wie er sie wirklich sieht. Entschlossen trennt sich Harmonie, auch wenn sie nicht weiß, wo sie nun unterkommen soll. Zuerst flüchtet sie zu ihrer Freundin Elvire, deren Nystagmus (unkontrolliertes Augenzucken) die meisten Menschen irritiert. Doch dieser wurde die Wohnung gekündigt und Elvires Mutter erweist sich als unerträglich. Entschlossen klopft Harmonie an Fleurs Tür, wohl wissend, dass Fleur wegen des Armbruchs ein schlechtes Gewissen hat und auch schlecht Nein-Sagen kann. Nach und nach lernt Fleur durch diese WG-gegen-ihren-Willen auch Harmonies übrigen nicht ganz gewöhnlichen Freunde und dadurch eine ungeahnte Leichtigkeit kennen. Diese aufgedrängte Nähe erweist sich als größter Gewinn.

Fleur (76) ist einsam und verunsichert, sie füttert ihre Eisamkeit mit Neurosen, Zwängen, Schokolade und ihrer Liebe zu ihrem Mops. Regelmäßig geht sie zu einem russischen Therapeuten, dessen Sitzungen ihre Highlights sind. Harmonie hingegen ist nach ihrer Trennung wie befreit, lebenslustig und bereit die Welt zu umarmen. Ein ungleiches Paar, das eigentlich nicht zusammen passt, sich aber dennoch gegenseitig bestärkt und das Beste aus sich heraus holt. Nach und nach wagt Fleur sich immer weiter aus ihrer Komfortzone heraus und entdeckt das Leben wieder für sich, während Harmonie merkt, dass Sicherheit in einer Beziehung, die sie zu erdrücken scheint, die Persönlichkeit verunsichert und zu ersticken droht. Trotz ihrer scheinbaren Perspektivlosigkeit blüht sie auf. Umgeben von anderen Individuen, die nicht so recht in die Gesellschaft zu passen scheinen, packen sie das Leben mit beiden Händen, um der Welt ihren Stempel aufzudrücken.

Kleine Episoden und Details, die nach und nach die Außenseiterinnen aus ihren Schneckenhäusern locken zeichnen dieses Werk aus. Eine sehr poetische, französische Erzählung, über das Leben und das Schicksal, wie es ruft, wenn man es nur lässt. Französisch im Sinne der Fabelhaften Welt der Amelie und nicht vertrackter Dreiecksgeschichten voller Lug und Trug und Sex. Mir gefällt sehr gut, dass Harmonie ihren langjährigen Freund Freddy verlässt, obwohl sie sich noch lieben, nicht wegen eines anderen, sondern weil sie merkt, dass er ihr letztendlich nicht gut tut und sie als Versagerin zu sehen scheint, trotz all seiner Fürsorge und Liebe. Das ist eigentlich sehr unfranzösisch, aber sehr stark. In all den scheinbaren Benachteiligungen dieser kleinen Truppe erwacht eine Leichtigkeit und unbändige Lebensfreude, die schon beim Zuhören ansteckend ist. Mit wechselnden Blickwinkeln erzählen je Fleur und Harmonie von den prägendsten Momenten ihrer gemeinsamen Zeit. Gerade in den Überschneidungen ist es sehr witzig, da ihre Einstellung und ihr jeweiliger Blick auf die Welt kaum unterschiedlicher sein könnten. Es ist die Geschichte einer Befreiung, eine Ode an die Freude, das Leben und die Freundschaft – sich von den gesellschaftlichen Zwängen zu befreien, davon sich zu sorgen, was andere über einen denken mögen. Dabei verwendet Marie-Sabine Roger eine sehr poetisch bildliche Sprache, die auch z.T. über Sprache als solches sinniert, denn Fleur bereichert ihren Wortschatz mit Kreuzworträtseln und Harmonie wollte eigentlich Französischlehrerin werden... Claudia Kalscheuer hat bei der Übersetzung dieses Werkes viel Feingefühl bewiesen, auch wenn einige grammatikalische Phänomene im Französischen anders sind, als im Deutschen. Der Gedanke, den Fleur dazu hat, bleibt jedoch gültig. Absolut liebenswerte Heldinnen, die einem ans Herz wachsen, vielleicht nicht von der ersten Minute an, aber mit jeder Minute mehr. Marie-Sabine Roger sind absolut starke Missfits gelungen, bis in die Nebenrollen hinein.

Svenja Pages spricht mit viel Gefühl sowohl die junge Harmonie mit ihren unvermittelten Wortausbrüchen, als auch die 76-jährige Fleur mit ihrer Angst vor dem Leben absolut überzeugend. Nur durch die Variation ihrer Stimme macht sie deutlich, wessen Part sie gerade spricht, bevor es schon aus dem Text hervorgeht. Die 76 Jahre voller Einsamkeit und Selbstzweifel nimmt man ihr ebenso ab, wie ihre unerwarteten Verbalergüsse und die rasch wachsende Lebensfreude. Die Klangqualität und Balance der Aufnahme sind einwandfrei.

Ein poetisch, hoffnungsvoll-beschwingter Roman der in den unsicheren Corona-Zeiten wunderbar optimistisch stimmt!

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Saga Egmont/Steinbach Sprechende Bücher für mein Hörexemplar!

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