Donnerstag, 24. Oktober 2019

Mein Körper gehört mir! ProFamilia, Illustrationen von Dagmar Geisler, Loewe Verlag



Mein Körper gehört mir! ProFamilia, Illustrationen von Dagmar Geisler, Loewe Verlag

Dies ist die Geschichte von Clara, einem fröhlichen, selbstbewussten Kindergartenkind. Sie erzählt von sich, ihrem Körper den sie ganz genau im Spiel betrachtet, ihren Freunden mit denen sie tobt und sich gegenseitig kitzelt. Sie stellt fest, dass sie wächst und ihr Körper sich dadurch verändert. Was bleibt ist, daß es ihr Körper ist, über den sie zu bestimmen hat, weil sie weiß, was er mag und was nicht. Angenehme Berührungen setzen Vertrautheit und Vertrauen voraus, in der Familie und von Freunden. Von Unbekannten oder ferneren Verwandten mag sie es gar nicht! Da sagt sie ganz klar und deutlich ihre Meinung und ermutigt die Zuhörer es ihr nachzumachen und es schon mal laut und deutlich zu üben! Sollte das nicht reichen, ermutigt Clara sich Hilfe bei einer Vertrauensperson zu suchen. Zum Schutz des Körpers und der Seele ermutigt sie zur Achtsamkeit, ohne es so zu nennen, da es für die Zielgruppe der Kinder ab 5 Jahren zu abstrakt wäre.

Dieses Buch hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kinder vor Missbrauch zu schützen, indem es ihr Körperbewusstsein stärkt und sie ermutigt ihre Bedürfnisse klar und deutlich auszudrücken und bei Bedarf „nein!“ zu sagen. Um sich mehr mit dem eigenen Körper zu beschäftigen ist dem Buch hinten eine Körperlandkarte beigefügt, die gleich zwei Seiten hat, so daß sie auch verschiedene 2 Kinder ermutigen kann, diese nach eigenem Vorbild zu gestalten, anzumalen und zu markieren. Wer schon schreiben kann, kann sie natürlich auch beschriften, oder z.B. die Eltern oder Erzieher bitten dies zu tun. Dies ist ein Angebot um das eigene Körperbewusstsein zu steigern, daß Kinder angenehmen können, aber natürlich auch das Recht haben sollten, zu sagen „mag ich nicht, habe ich keine Lust zu!“.

Die Illustrationen sind freundlich und farbenfroh, so daß Kinder sich angesprochen und gut aufgehoben fühlen. Dagmar Geisler ist eine seit über 25 Jahren erfolgreiche Kinderbuchillustratorin,  so daß ihr unverkennbarer Stil Kindern bekannt vorkommt und der Wiedererkennungseffekt ein Gefühl des Vertrautseins schafft.
Sprachlich ist es einfach und gut verständlich, schwierig ist lediglich die dahinter stehende Problematik, die Kindern hier aber einfach und kindgerechte Wege zum Selbstschutz zeigen soll.

Gut finde ich, daß keine Gruppe in den Fokus gestellt wird, keine Institutionen oder Vereine, denn es sind Menschen, reale Personen, die den Missbrauch begehen, der vertrauenswürdige Rahmen einer angesehenen Institution oder Vereins macht es den Tätern nur einfach leichter, da es sie vor dem Misstrauen Dritter schützt. Doch nicht die Täter sollen im Vordergrund stehen, sondern die Kinder. Wenn sie ihren Körper als ganz persönlichen Teil ihrer selbst betrachten und kennen lernen, dann wissen sie, was sie mögen und was nicht. Sie lernen auf ihre Bedürfnisse zu achten und sollten ihre persönlichen Grenzen überschritten werden: „Nein“ zu sagen. Sie werden aufgefordert, im Zweifel Hilfe zu suchen, bei einer Person ihres Vertrauens. Dabei ist dies absichtlich neutral gehalten, da der Missbrauch fast ausschließlich durch vertraute Personen erfolgt. Aus meiner Berufserfahrung weiß ich, daß die Täter am häufigsten in der Familie zu suchen sind, leider ist es am häufigsten der Vater und die Mutter schaut weg und schützt das Kind nicht. Das macht für mich das verwendete Beispiel mit dem gemütlichen Kuscheln mit dem Vater etwas problematisch. Sofern Kinder betroffen sind, trauen sie sich dann wirklich noch, sich einer Vertrauensperson außerhalb der Familie, z.B. einer Erzieherin oder der Sozialpädagogischen Familienhilfe anzuvertrauen? Es sind nicht immer die Väter, aber oft. Natürlich gibt es stärkendes und gesundes Papa-Kuscheln, sollte aber ein betroffenes Kind im Kindergarten dieses Buch vorgelesen bekommen, kommen ihm hoffentlich Zweifel.

Es ist wichtig „Nein“ sagen zu lernen. Doch gerade Kinder, die innerhalb ihrer eigenen Familie missbraucht werden, sind bis zum ersten Übergriff so eingeschüchtert und autoritär erzogen worden, dass sie aufgrund ihrer prägenden Erziehung sich nicht trauen gegen das Familienmitglied deutlich zu werden. Für Übergriffe gegenüber Aussenstehenden ist es jedoch sehr geeignet. Es ermutigt Kinder auch, bei Onkeln oder Tanten, die sie kaum kennen oder nicht so mögen, unangenehme Küsse oder Umarmungen abzuwehren.

Die Jubiliäumsaufgabe hat nun noch das Recht am eigenen Bild und seelische Unversehrtheit durch den Schutz vor unerwünschten Filmeindrücken aufgenommen, auf 3 Zusatzseiten. Das ist etwas kurz, aber dennoch ein wichtiges Thema. Schon von meinen Kindern weiß ich, daß die Kleine schon früh Bilder von sich und noch viel stärker Veröffentlichung dieser ablehnte, während die Große es liebte mit Bildern von Kindergartenaktivitäten in der Lokalpresse abgebildet zu werden. Kinder habe da ein ganz natürliches Gespür für ihre Bedürfnisse und diese sollten respektiert werden. Dies gilt auch bei dem, was Kinder im Fernsehen sehen. Einige Kinder können nicht schlafen, nachdem sie die Nachrichten gesehen haben, andere nicht. Kein Kind sollte Pornos sehen, auch das ist ein Verstoß gegen ihre Unversehrtheit (kommt aber leider vor). Unsere Nachbarskinder haben sich zerstritten, weil der Große dem Kleinen detailliert Horrorfilme beschrieb und nicht akzeptierte, daß der Kleine „Ich will das nicht hören“ schrie. Dieses Buch kann nicht nur Kinder stärken, es kann auch Erwachsene mehr für die Bedürfnisse von Kindern sensibilisieren.

Dieses Buch ist ein wichtiger Schritt zur Sensibilisierung von Erwachsenen und Stärkung der Selbstwahrnehmung von Kindern. Es war mag aber nicht problematische autoritäre Strukturen zu durchbrechen, die oft erst dem Missbrauch den Boden bereiten und diesen ermöglichen. Es bietet keine wirkliche Hilfe, sollte der Missbrauch durch Vertrauenspersonen erfolgen, da es nicht hierzu ermutigt, weil es natürlich auch nicht alle Eltern unter Generalverdacht stellen will und sollte.

Ein gutes Buch, daß aber leider nicht alle Probleme sexuellen Missbrauchs und sexueller Gewalt im Keim zu ersticken vermag.

Ich bedanken mich ganz herzlich bei der Agentur Literarturtest und dem Loewe Verlag für dieses Rezensionsexemplar.

Das Interview mit Dagmar Geisler folgt morgen....

Mittwoch, 23. Oktober 2019

Liliane Susewind (12) Giraffen übersieht man nicht, Tanya Stewner, gelesen von Catherine Stoyan, Argon Verlag 4 CDs 4 h 46 min.



Liliane Susewind (12) Giraffen übersieht man nicht, Tanya Stewner, gelesen von Catherine Stoyan, Argon Verlag 4 CDs 4 h 46 min.

Es sind Ferien und die Familien Susewind und Sturmwagner treten nun endlich die Reise zu Jesajahs Afrikanischen Großeltern auf der Dandelion Farm in Namibia an. Es ist Ende der Regenzeit und Lilli, Jesajah und die Tiere sind ziemlich aufgeregt, es könnte richtig toll werden, wären da nicht ständig die Erwartungen und Ermahnungen ihrer Eltern. Lilli soll nach Willen ihrer Mutter auf gar keinen Fall mit den wilden Tieren sprechen, wer weiß wie diese reagieren mögen und ob die wilden Raubtiere Lilli nicht noch angreifen würden und Jesajah soll Namibia unbedingt so wahrnehmen, wie sein Vater es ihm vorgibt. Zudem soll er schnell noch ein paar Worte auf Afrikaans lernen, und dass er Nasenbluten von der trockenen Luft bekommt, das geht ja schon mal überhaupt nicht! Doch so springt man nicht mit Lilli und Jesajah um, die stets nach ihren eigenen Überzeugungen zum Wohle der Tiere handeln. Als sie dann doch, trotz der Warnungen von Lillis Mutter an einer Safari teilnehmen, merken die zwei schnell, dass auf der Farm etwas nicht stimmt und die Tiere ihre Hilfe brauchen. 
Meine Töchter (12 und 10 Jahren) haben sich gleich auf den ersten Seiten wieder über Hund Bonsai und die werte Katzendame Frau von Schmidt kaputt gelacht. Aber natürlich ist auch dieses Abenteuer nicht nur witzig und spannend, sondern widmet sich wieder dem wichtigen Thema Tier- und Artenschutz. Hier geht es um die wirtschaftlichen Sorgen der Farmer in Namibia, sowie die wirtschaftlich bedeutsame Trophäenjagd. Gerade aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der Jagd gefiel es mir sehr gut, daß beide Seiten ihre Argumente vorbringen dürfen. In Namibia gibt es strenge, reglementierende Gesetze, die die Trophäenjagd unter naturschutzrechtlichen Gesichtspunkten erlaubt, aber die Jagd innerhalb des erlaubten Bereichs ist vielen zu langweilig und wenn Geld keine Rolle spielt, meinen sie auch sich über Gesetze hinweg setzen zu dürfen. Das diese Regeln für alle gelten, und kein Geld der Welt es akzeptabel macht das Leittier einer Herde zu schießen, nur weil diese Trophäe besonders prachtvoll ist, wird Kindern wirklich sehr verständlich nahe gebracht. Dabei ist auch sehr schön, daß Lilli Vegetarierin ist, im Gegensatz zu Jesajah z.B. dadurch werden beide Ernährungsweisen vorgestellt, ohne eine von beiden zu verdammen. Aber keine Sorge, dieser Band ist kein Bekennerbuch zur Bekehrung zu einer vegetarischen Lebensweise. Es ist ein Kinderbuch, das auffordert seinem Gewissen zu folgen, um das Richtige zu tun. 

Neben der Trophäenjagd lernt Lilli auch den Stamm der Himba kennen, seltene besonders wirksame Heilpflanzen und die Gefahren einer Nacht in der Savanne. Denn ganz ehrlich, Lilli und Jesajah handeln bisweilen ganz schön blauäugig und kommen aber dank der tierischen Unterstützung stets heil aus brenzligen Situationen heraus. Auch Timo der Himbajunge, zeigt den Lesern auf, dass Kinder in fremden Ländern bisweilen völlig anders leben und lange Schulwege zu Fuß (ja, man muß nicht von Mama oder Papa bis in den Klassenraum gefahren werden!) zurücklegen um in den Genuss von Bildung zu kommen.  Neben dem Respekt vor dem Leben vermittelt dieser Band auch wieder den Respekt vor Kindern. Denn jedes Mal fällt uns auf, daß Lillis Mutter und Jesajahs Vater Vertrauen in ihre Kinder vermissen lassen und ihnen stets ihre Meinung und ihre Verhaltensweisen aufdrücken wollen, dabei haben sich Lilli und Jesajah in der Vergangenheit als durchaus vertrauenswürdig erwiesen.


Sehr schön ist hier die Interpretation der Wortschöpfungen der Autorin durch Catherine Stoyan, die sie so pointiert spricht, dass man den Sprachwitz auf Anhieb versteht. Auch die in diesem Band wieder verstärkt vorkommenden sprachlichen Reibereien zwischen der Katzendame Frau von Schmidt und dem knuffeligen Bonsai sind wirklich gut herausgearbeitet. Dennoch stehlen ihnen die Erdmännchen Schnick, Schnack und Schnuck mit ihrer lustigen, comichaften Ausdrucksweise die Show und so manchen Lacher! Catherine Stoyan bleibt der Reihe treu und auch ihrer besonderen Interpretation sämtlicher Charaktere denen sie allen eine unnachahmliche Stimme verleiht. Da gibt es einfach kein Vertun! Ihre Stimmlage ich nicht unbedingt jedermanns Geschmack, da empfehle ich, mit den Kindern gemeinsam hineinzuhören. Meine Kinder mögen sie mittlerweile richtig gerne.

Was die Mädels am Besten fanden? Alles! Aber irgendwie sind die Erdmännchen doch auch besonders witzig, da kann die arme Giraffe leider nicht mithalten.

Bei so viel Begeisterung wird Lilli wohl noch einige weitere Abenteuer erleben, denn wir geben wieder verdiente 5 von 5 Sternen.

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Argon Verlag für diese fröhliche Unterhaltung auf der Autofahrt!

Hier findet Ihr die Hörprobe: