Das Herz am langen Zügel, Antje Szillat, Roman, Knaur
Malin ist 31 Jahre alt und geht in ihrem neuen Job als Produktmanagerin
ihrer Firma in Hamburg, in welcher sie nach dem Abi mit der dualen Ausbildung
anfing, völlig auf. Sie liebt ihr schickes Hamburger Leben, die Eleganz, die
berufliche Herausforderung und mit ihrer Assistentin versteht sie sich
blendend. Nur ob der gutaussehende Wirtschaftsanwalt Claas wirklich der
Richtige für sie ist, dessen ist sie sich noch nicht so sicher, obwohl er für
einen so erfolgreichen Anwalt wirklich ein extrem netter Kerl ist. Ihre
Assistentin empfindet ihn als Jackpot! Gerade als sie in ein wichtiges Meeting
zu ihrer ersten eigenen Produktkampagne starten will, wird sie zurückgehalten.
Ihre Mutter ist am Telefon und lässt sich diesmal nicht abwimmeln. Ihr Vater
hatte einen Unfall und wird gerade operiert. Malin kann es nicht fassen und
fährt nach fast zwei Jahren wieder zu ihren Eltern aufs Land. Ihre Eltern und
auch der elterliche Reitstall haben sich sehr verändert, viel zu lange war sie
nicht mehr hier, um es zu bemerken. Auch den neuen, angeblich verrückten Hengst
kennt sie noch nicht, obwohl sie alle vor ihm warnen, ist es Liebe auf den
ersten Blick und nicht nur bei ihm…..
Dieser Roman startet wie so viele
Frauenroman, mit einer starken, erfolgreichen Frauenfigur, die scheinbar alles
hat und erfreulicherweise nicht auf den Kopf gefallen ist. Oder doch?
Ernsthaft, ist es wirklich so schlau nur zu arbeiten und dafür seine Familie zu
vernachlässigen und sie immer auf später zu vertrösten? Man hat nur einen Vater
und eine Mutter und die leben nicht ewig. Das wird Malin schmerzlich bewusst,
doch es fällt ihr unglaublich schwer sich ihrer Vergangenheit, ihren Eltern und
ihrer Zukunft zu stellen.
Wer bin ich? Wer war ich? Will ich wirklich sein, wer
ich auf dem besten Weg bin zu werden? Außerdem gefällt es mir sehr gut, daß das
Thema der Altersversorgung der Landwirte angesprochen wird. Es ist nämlich
tatsächlich so, daß Landwirte die einbezahlte Altersversorgung nicht mit
Erreichen der Altersgrenze erhalten, sondern nur gegen Nachweis, daß der Hof
verkauft oder verpachtet wird, dabei ist es für Landwirte immer schwieriger
Nachfolger für die Betriebe zu finden. Immerhin basiert auf diesem
Nachwuchsproblem ein komplettes Fernsehformat. Anwälte wie Claas haben das
Problem nicht, sie können einfach weiterarbeiten, so viel sie wollen und
erhalten dennoch ihre Bezüge aus dem Versorgungswerk mit Erreichen des
mittlerweile 67. Lebensjahres. Die Auswirkungen dieser Ungerechtigkeit treffen
Malin mit voller Breitseite. Denn mit Anfang Siebzig ist ihr Vater doch kein
junger Hüpfer mehr. Auch wenn er fit für sein Alter ist, braucht er Hilfe. Sehr
sensibel werden hier die Nöte beider Generationen geschildert und es wird
Malins Dilemma auch wirklich genügend Raum im Roman eingeräumt. Daher kam die
Liebesgeschichte für mich ein wenig abrupt und schnell, im Vergleich hierzu.
Das hat mich etwas grummeln lassen, bis ich merkte, daß die Autorin es sich so
einfach nun doch nicht gemacht hat, denn… hier will ich nicht zu viel
verraten.
Die Charaktere sind mit Bedacht gezeichnet, wobei mir besonders der
grummelige Stallknecht ans Herz wuchs und Cousine Helen. Es ist ein Roman, kein
schwerpunktmäßiger Liebesroman. Wer nun lange, leidenschaftliche Szenen im
Stroh erwartet, wird dann doch etwas enttäuscht. Dafür werden Tierliebhaber
belohnt, denn nicht nur der traumatisierte Junghengst darf seinen Weg ins
Leserherz finden, sondern auch ein kleiner Jack Russell Terrier, der natürlich
ein sehr attraktives Herrchen hat.
Sehr liebevoll ist die Gestaltung der Kapitelanfänge, die jeweils ein
Pferdespruch aus aller Welt ziert.
Es ist ein sehr schwungvoll geschriebener
Roman, über eine junge Frau die ihren Weg finden muss und sich dabei mit ihrem
früheren Ich und ihrer Rolle als Einzelkind konfrontiert sieht. Dabei ist die
Geschichte mit Romantik und Tierliebe gewürzt, wobei ich den
landwirtschaftlich/tierischen Teil stärker finde, als den romantischen.
Allerdings finde ich es sehr gut, dass auch ihr Ex-Freund nicht als Voll-Horst
dargestellt wird, bei dem man sich fragt, wie sie denn an den gekommen ist. Man
merkt, dass es nicht passt, aber seine Würde bleibt gewahrt, so wie bei allen
Persönlichkeiten in diesem Roman. Lediglich Malins Chef hat eine Ähnlichkeit
mit einem Abziehbild, aber man muß ja auch ein Feindbild aufbauen dürfen.
Ein
leichter, beschwingter Roman mit Herz und Hirn, für wahre Tierfreundinnen, dem
ich gerne 4,5 von 5 Sternen gebe.
Ich bedanke mich ganz herzlich für diesen Instagramgewinn bei der Autorin.