Mittwoch, 13. März 2019

Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte, Kirsten Boie, Illustration Barbara Scholz, Oetinger Verlag



Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte, Kirsten Boie, Illustration Barbara Scholz, Oetinger Verlag

Während eines Gewitters schlägt der Blitz in einen Baum ein und schon steht ein kleines Wäldchen in Flammen. Die Tiere fliehen und bringen sich in Sicherheit. Dabei verliert der kleine Fuchs jedoch seine Familie. Unglücklich hockt er unter einer Hecke am Feldrand neben dem abgebrannten Wald und schluchzt. Die umstehenden Tiere sind verwirrt. Was kann das kleine graue puschelige Wesen wohl sein? So genau weiß das erst mal keiner, bis Papa Dachs einschreitet, der sich mit Füchsen schon den Bau geteilt hat. Nun haben die anderen Tiere Angst vor ihm, denn sie sind ja die Beute von Füchsen, auch wenn dieser noch ganz klein und grau ist. Letztendlich erbarmt sich Mama Reh vorerst und nimmt ihn und ihre 3 Jungtiere Langbein, Vielpunkt und Glanzfell mit aufs Feld, um sich eine neue Schlafstätte zu suchen. Das ist sehr ungewohnt für das kleine Tier, daß sonst immer im Dunkeln schläft. Aber er ist froh nicht mehr allein zu sein und strengt sich mächtig an, um alles so zu machen wie sie. Doch ein Fuchs ist ein Fuchs und kein Reh, daher klappt es nicht so ganz. Der liebenswerte Vielpunkt bewundert seine Anstrengungen und schon bald sind sie beste Freunde. Aber das Misstrauen der anderen gegenüber dem Findelkind bleibt, so wie auch dessen Sehnsucht nach seiner Familie.

Kirsten Boie ist wieder ein Buch für die Ewigkeit gelungen. Sprachlich wunderschön und voller Wahrheit, ist es gespickt mit zitierenswerten Aussprüchen wie: „Es gibt immer verschiedene Wege, um ans Ziel zu kommen.... Man muss nur herausfinden, welcher Weg für einen selbst der richtige ist“. So ausgedrückt verstehen es auch schon Kinder, und das ist gut so, denn es ist eigentlich ein Vorlesebuch ab 6 Jahren. Zum Selbstlesen ist es für diese Altersklasse zu klein gedruckt und zu viel Text pro Seite, aber zum Vorlesen ist es optimal. All die vielen Tiere eigenen sich hervorragend um mit eigenen Stimmen gelesen zu werden. Sprachlich ist es flüssig, so daß man beim Vorlesen nicht ins Stocken kommt und es ist meist zu Beginn jeder wörtlichen Rede klar, wer denn nun sprechen wird. Die Brillianz von Sprache zeigt sich oft erst beim Vorlesen und da bewährt sich dieses Buch eindeutig. Für Kinder unbekannte Begriffe oder Zusammenhänge werden, von älteren oder erfahreneren Tieren den Jungtieren erklärt und so erweitert sich nicht nur der Wortschatz der Zuhörer, sondern auch das Wissen der Vorlesenden über das Leben in Wald und Feld. Wir wussten z.B. alle nicht, daß Jungfüchse noch nicht rot, sondern grau gefärbt sind.
Die Geschichte kombiniert die kindliche Urangst vor dem Verlust der Familie mit ihrer größten Sehnsucht, der nach echten Freunden und Abenteuern. Das wird wunderbar thematisiert, ganz nach dem Motto des Uhus, der Kirsten Boie diese Geschichte erzählt hat: So muss eine gute Geschichte mindestens 1.000 Wörter haben, spannend sein, lustig und an einigen wenigen Stellen ein kleines bisschen traurig, wobei am Ende alle wieder fröhlich sein müssen.
Das ist hier ausgezeichnet gelungen. Gerade wenn der kleine Fuchs mal wieder merkt, daß er ein Fuchs ist und niemals wie seine Rehfamilie sein wird, ist es ein wenig traurig. Aber dann erinnert die Erzählerin daran, was eine gute Geschichte ausmacht und stellt das Happy End in Aussicht, ebenso wie einen tröstenden Freund, der schon hinter dem nächsten Gebüsch auf ihn wartet.
Es geht um Andersartigkeit, Neugierde den Andersartigen gegenüber, Zusammengehörigkeit, Vorsicht und das Annehmen von Ratschlägen.
Aus ihrem Wald vertrieben, wagen sich die Tiere in den Garten eines einsamen Hauses, das ist für die Rehe nicht nur eine Delikatesse, es ist für den kleinen Fuchs auch ein echtes Abenteuer, was er dort so alles über die Menschen und ihre Welt erfährt. Die Sichtweise der Tiere auf die Menschen ist einfach lustig, zeigt aber auch kritische Einblicke in unser Verhalten und es macht den Zuhörern einfach Spaß aus den Umschreibungen der Tiere, das jeweilige Verhalten oder Objekt aus der Menschenwelt zu erraten. Dieser immer währende Perspektivwechsel der Einblicke in die verschiedenen Tiereigenheiten und die Distanz zur Menschenwelt zeigt, zeugt von großer Empathie.
                 
Da es sich um ein Vorlesebuch handelt, ist es natürlich auch farbig illustriert. Barbara Scholz schafft es mit ihren freundlichen, großflächigen Illustrationen die Stimmung einzufangen und die Handlung noch zu unterstreichen. Schon als meine Jüngste die Abbildung mit der Hörbuchankündigung sah, war ihr klar, dass sie diese Geschichte hören wollte, so sehr sprach sie das Cover an
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Autorin Kirsten Boie ist selbst Mutter, erfahrene Lehrerin und promovierte Literaturwissenschaftlerin. Daher schafft sie es auch hier gekonnt, sowohl sprachlich, als auch inhaltlich auf den kindlichen Wahrnehmungs- und Verständnishorizont einzugehen. Emotional spricht sie an, ohne den Kindern zu viel zuzumuten und auch sprachlich erklärt sie, ohne belehrend zu wirken oder den Zuhörern den Eindruck zu vermitteln, sie wären noch zu klein um etwas zu wissen. Egal für welche Altersgruppe sie schreibt, ist ihre Sprache dieser angemessen und ihr Schreibstil einfach wunderschön. Es liest sich fast von allein.

Eine echte Kinderbuchperle, die es wert ist, mehr als einmal gelesen bzw. gehört zu werden. Absolut empfehlenswert!

Dienstag, 12. März 2019

Böse Jungs Band 1, Aaron Blabey, Baumhaus Verlag



Böse Jungs Band 1, Aaron Blabey, Baumhaus Verlag

Ein Comic-Buch das beginnt wie Slylock aus der Sesamstraße. Der gesuchte Bösewicht Mr. Wolf stellt sich und seine Kumpanen Mr. Shark, Mr. Piranha und Mr. Snake vor. Einer böser und gemeiner als der andere und so verschrien, daß alle vor ihnen weglaufen, sobald sie auftauchen. Doch Mr. Wolf denkt sich, daß es doch viel cooler wäre ein Superheld zu sein, statt ein gefürchteter Bösewicht. Sie würden umjubelt und angehimmelt. So ganz kann er seine Mitbösewichter nicht überzeugen, daher starten sie einen Testlauf an einer Katze, die in einem Baum festsitzt. Sie müssen feststellen, daß der Plan leichter klang als seine Ausführung und die Fans lassen auch noch auf sich warten. Also planen sie einen größeren Coup, nicht weniger grotesk.

Dieses Buch ist ein Comic im Buchcover, auch ohne Sprechblasen. Es ist kurz, knapp, böse und komisch. Naja, ganz böse nicht, denn sie wollen ja aus den falschen Motiven Gutes tun.
So hat der Autor wohl auch aus den richtigen Motiven diesen Comic geschrieben, um lesemuffeligen Jungs die Angst vor dem gebundenen Buch zu nehmen und zu zeigen: „hey, Lesen ist voll cool, witzig und überhaupt nicht langweilig!“. Es erinnert an eine Fabel, denn wie schon die bösen Jungs feststellen, eigentlich können Mr. Shark und Mr. Piranha ja nicht mit Mr. Wolf und Mr. Wolf an Land unterwegs sein. Allerdings gibt es statt einer Moral die Erkenntnis, daß Piranhas Autofahren nicht vertragen. Naja, eigentlich ist es ja die, dass es viel cooler ist, Gutes zu tun, als Böse zu sein. Dennoch steht wirklich der Spaß im Vordergrund des Buches und Spaß soll Lesen ja machen ;)

Gezeichnet hat der Autor seinen Comic selbst. Da passt der Text wie der Deckel auf den Topf zu den Bildern. Sie geben einander den nötigen Biss und Irrsinn, wenn man den Bösewichtern in die Kulleraugen blickt. Mit ihren schwarzen Anzügen, weißen Hemden und schwarzen Krawatten sehen Mr. Wolf, Mr. Shark, Mr. Snake und Mr. Piranha aus die wie tierische Ausgabe der Men in Black nur mit viel gefährlicheren Zähnen. Es ist einfach witzig-bissig. Der Autor hat auf Sprechblasen verzichtet, was meine Tochter irritierend fand, aber dann stellte sie doch bald fest, daß sie der Geschichte auch so prima folgen konnte. Allerdings ist unser Verständnis von Gutes tun, ein bißchen anders, als das von Mr. Wolf. Mal sehen, wie es in der Fortsetzung wird, wenn er sich noch höhere Ziele setzt!

Für wen Gregs Tagebuch noch zu viel Text hat und die Zeichnungen nicht präzise genug, der findet in „Böse Jungs“ Lesespaß in Buchform, der nicht anstrengt, sondern unterhält.