Sonntag, 18. Juni 2017

Scarlet und der Zauberschirm, Die wundersame Reise durch die Nacht, Cerrie Burnell, gelesen von Cathlen Gawlich, cbj audio



Scarlet und der Zauberschirm, Die wundersame Reise durch die Nacht, Cerrie Burnell, gelesen von Cathlen Gawlich, cbj audio
Das Mädchen Scarlet lebt mit ihrem Kater Mitternacht bei ihrer Großtante Cessy, seit sie als kleines Kind in einer Sturmnacht mit einem roten Regenschirm und einem Brief von ihren Eltern zum Tante Cessy in einen Wolkenkratzer in der Wolkenstadt geweht wurde. Sie ist unglaublich musikalisch und kann jedes Lied und jedes Instrument spielen, ohne es je gelernt zu haben. Ihre Eltern hat sie seit Jahren nicht mehr gesehen und niemand weiß, wo sie leben. Scarlet und Tante Cessy verstehen sich jedoch prima und mit ihrem roten Zauberschirm kann Scarlet fliegen und sogar noch Freund im Schirmkorb mitnehmen. Im Hochhaus hat sie sich mit dem fast blinden Nat und seinem Wolf Smokey angefreundet, ebenso mit Lisa und ihrem großen Bruder Freddy, dem ständig neue Geschichten einfallen. Bei einem Flug durch die Nacht lernen Scarlet, Mitternacht, Nat,  Smokey Lisa und Freddy ein Seiltänzerin und Skylar die Sturmmacherin kennen. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach dem magischen Zirkus der Träume.
Dieser zweite Band ist wieder mit wunderschöner Musik instrumentalisiert und unterlegt, so daß dieses abenteuerliche Märchen besonders atmosphärisch ist. Dennoch halte ich eine Zielgruppenbestimmung für schwierig. Empfohlen wird das Hörbuch ab 5 Jahren. Der Titelsong passt sehr gut zu dieser Altersklasse. Meine älteste Tochter (wird in 3 Tagen 10 Jahre alt) fand dieses Lied zu babyhaft und wollte nicht weiterhören. Ihre jüngere Schwester (noch 7 Jahre alt) fand das Titellied schön, jedoch wurde ihr die Geschichte dann schon bald zu gruselig und sie bekam Albträume (sie ist das sehr empfindlich). Wenn die Geschichte geheimnisvoller und spannender wird, passt sich die Instrumentalisierung atmosphärisch dem an. Für sie war das zu viel. Ihre Freundin Elena (8,5 Jahre) fand die Musik schön gruselig, aber nicht zu gruselig. Ihr hat die Geschichte gut gefallen. Auf Grund dieser Einschätzung durfte ihr jüngerer Bruder (6 Jahre) dieses Hörbuch dann nicht hören.
Ich persönlich finde die Inszenierung sehr liebevoll. Allerdings geht es hier durchaus um elementare Kinderängste, den Verlust der Eltern. Scarlets verschwundene Eltern, die sie aus ihrer Meinung nach wichtigem Grund weggaben, zu ihrer Sicherheit, ist für die Altersklasse ab 5 Jahren wirklich sehr schwer zu verstehen. Das Happy-End ist aus Erwachsenensicht ein solches. Für jüngere Kinder aber nur schwer nachvollziehbar, gerade weil sie ein anderes Zeitempfinden haben. Das Ende gibt einen positiven Ausblick auf ein baldiges Wiedersehen, aber dennoch werden Scarlet und ihre Eltern wieder getrennt. Hierdurch ist natürlich eine Fortsetzung der Geschichte gewährleistet, aber ob das Kinder im Vorschulalter so zu schätzen wissen, wage ich zu bezweifeln.
Meiner Meinung nach ist die Geschichte aber gerade anhand der Motivation von Scarlets Eltern für die Trennung von ihrem Kind jedoch sehr gut geeignet, als Diskussionsgrundlage für Kinder über Flucht, Krieg und Verlust. Für die Altersklasse ab 5 Jahren jedoch ein heikles Thema. Daher würde ich dringend empfehlen diese Geschichte beim ersten Hören gemeinsam mit dem Kind zu hören. Kinder reagieren sehr unterschiedlich und meine Jüngste ist bisweilen sehr empfindlich.
Im Übrigen ist Scarlets Welt sehr fantasievoll und eigentlich auch harmonisch. Sowohl mit ihrer Großtante, als auch mit ihren Freunden und ihrem wunderbaren Kater Mitternacht ist Scarlet sehr glücklich. Ihre Reise ist mehr als nur abenteuerlich, sie ist so fantastisch, daß sie schon märchenhaft zu nennen ist.
Die Märchenhaftigkeit wird durch die klassische Orchesterinstrumentalisierung verstärkt. Schön ist die Selbstverständlichkeit, mit der die Kinder ihre Instrumente spielen und mit sich führen. Kleine Kinder erhalten so bereits erste Eindrücke von Orchesterinstrumenten wie Querflöte und Harfe.
Schauspielerin Cathlen Gawlich lebt auch wieder dieses Hörbuch mit ihrer Stimme mit. Sie liest es nicht, sie lebt es und steckt in all diesen fantastischen Geschöpfen auch ein wenig selbst. Sie ist wirklich die perfekte Stimme für diese ungewöhnliche Geschichte. Denn diese Geschichte folgt nicht üblichem Mustern, sie erinnert etwas an Mozarts Zauberflöte (machte meiner Jüngsten auch Angst), einem Anderson Märchen (da habe ich als Kind jedes Mal geweint) und ein wenig Peter und der Wolf (finde ich toll, meine Tochter hatte beim ersten Mal, aber auch Angst).
Autorin Cerrie Burnell wurde 1979 in London geboren und studierte Schauspiel in Manchester. Seit 2009 ist sie Moderatorin des Vorschulkinderprogramms der BBC.
Das Cover ist mit seinen Text- und Illustrations-Flügelklappen sehr liebevoll gestaltet. Da die Geschichte meist bei Nacht im Nebel spielt, ist die vorwiegende Farbe blau. Dennoch sind die Illustrationen von Laura Ellen Anderson fröhlich und alles andere als gruselig.
Schwierig finde ich, daß die Instrumentalisierung und die fantastische Welt um die Wolkenstadt herum gerade sensible Kinder anspricht. Aber gerade bei diesen besteht die Gefahr daß die Urängste des Verlustes der Eltern geweckt werden. Daher finde ich es bei diesem Medium ganz besonders wichtig, daß die Eltern mit dem Kind gemeinsam hören, um diese aufzufangen. Beim Vorlesen des zugrunde liegenden Kinderbuches ist dies automatisch gegeben. Eltern werden sicherlich auch ihre Freude an der klassisch anmutenden Musik haben. Die ereignisreiche Geschichte ist auch für Erwachsene abwechslungsreich genug, um ihr Interesse wach zu halten. Als Möglichkeit zur Eröffnung des Dialogs mit seinen Kindern sehr gut geeignet.
Für Kinder, die kein Problem mit „Findet Nemo“ haben, eine sehr fantasievolle und abwechslungsreiche Geschichte, die liebevoll inszeniert wurde. Für sensible Kinder jedoch nur in Gesellschaft Erwachsener zu empfehlen.
Eine Bewertung mit Sternen fällt mir diesmal sehr schwer, da es wirklich eine Frage des Typs ist.
Da ich es aber problematisch finde, daß in einer Geschichte ab 5 Jahren ein Kind am Ende wieder von seinen Eltern getrennt wird, mögen ihre Motive noch so ehrenwert sein, kann ich mich nicht zu mehr als 3 von 5 Sternen durchringen.

Donnerstag, 15. Juni 2017

Aargau-Fieber, Ina Haller, emons



Aargau-Fieber, Ina Haller, emons
Andrina Kaufmann ist Lektorin in meinem kleinen Schweizer Verlag in Aarau im Kanton und hat mit 15 Jahren ihre Eltern bei einem Autounfall verloren. Umso enger ist ihr Verhältnis zu ihrer Schwester Seraina, die nun ihr zweites Kind erwartet. Auch wenn ihr Kinderwunsch mit Kommissar Marco Feller sich nicht zu erfüllen scheint, freut sie sich mit ihr, bis Seraina vor ihren Augen mit merkwürdigen Krankheitssymptomen zusammenbricht. Während Seraina im Spital um ihr Leben kämpft, tauchen im Kanton immer mehr dieser seltsamen Krankheitsfälle auf, deren Opfer keinerlei Verbindung zu einander haben. Da steht unerwartet ein Mann vor Andrinas und Marcos Haustür und behauptet der Halbbruder von Feller zu sein. Aufgrund einer gewissen Ähnlichkeit zögert Andrina, während Feller ausrastet und den Unbekannten namens Enrico Bianchi aus dem Haus wirft. Bianchi gibt so leicht nicht auf und sucht immer wieder Kontakt zu Andrina. Als in seiner Firma zwei Leichen gefunden werden, fällt der Verdacht sofort auf ihn. Da Marco ihm gegenüber so abweisend ist, bittet er Andrina um Hilfe. Ihrem Bauchgefühl folgend willigt sie zögerlich ein und schon bald befinden sich Andrina und Bianchi auf der Flucht quer durch die Schweiz, gejagt von Marco Fellers Team und skrupellosen Killern.
Dies ist mein erstes Buch aus dieser Reihe und auch wenn ich die vier Vorgängerbände nicht kenne, bin ich gut in das Buch hineingekommen. Marcos Verhalten gegenüber seinem vermeintlichen Halbbruder, Andrina und seiner Mutter hat mich so aufgeregt, daß ich sofort emotional gefangen war. Marco Feller kann froh sein, daß ich nicht seine Verlobte bin, dem hätte ich die Hammelbeine langezogen, was der sich alles herausnimmt! Mein lieber Scholli!
Auch wenn ich die menschlichen Reaktionen nicht immer nachvollziehen kann und ich sicherlich nicht so lieb bin, wie Andrina, sondern höhere Anforderungen an meinen Mann und das gegenseitige Vertrauen stelle, fand ich die Emotionalität der Geschichte, die komplett aus Andrinas Sicht geschrieben ist, eine echte Stärke des Buches. Hinzu kommt, daß es echt spannend war, es hat mich ein Fieber erfasst das Buch weiterzulesen, weil es so unglaublich spannend war. Der Fall als solcher ist in sich abgeschlossen, nicht jedoch Andrinas innerer Konflikt, der als Cliffhanger zum Nachfolgeband fungiert. Ich bin nun echt gespannt, wie sie aus dieser vertraxten Situation wieder herausfinden will.
Sehr gerne mag ich in den Schweizer Emons-Krimis auch die Schweizer Begriffe, die hier wieder hinten im Glossar erklärt werden. Auf diesen Glossar wird auch schon auf dem Vorsatzblatt hingewiesen, was ich sehr praktisch finde, es ist nämlich immer zu ärgerlich solche Lesehilfen erst nach Beendigung des Buches zu entdecken. Auch wenn dies mein X-ter Schweizer Emons Krimi ist, auf die Bedeutung Töff für Motorrad wäre ich im Leben nicht gekommen. Solche Kleinigkeiten machen mir wirklich Spaß in Krimis, ebenso wie Erläuterungen zu Pflanzen, Giften und ihren Wirkungen.
Einen Schwachpunkt fand ich allerdings die Vielzahl der Ungereimtheiten. Der Fall spielt in der Schweiz und nicht in einer Bananenrepublik! Da sollten Beweisverwertungsverbote und Ermittlungsbeschränkungen und Sicherheitsvorschriften schon noch beachtet werden. Der Staatsanwalt würde bei den Unregelmäßigkeiten im Kreis springen und sich die Haare raufen!
Der Sprachstil ist angenehm leicht und packend mit den genannten Schweizer Besonderheiten. Die Personen werden auch in Nebenrollen noch ausgearbeitet, wohl auch, weil sie bereits in den Vorgängerbänden vorkamen, haben sie ihr Eigenleben und verleihen der Geschichte eine besondere Lebendigkeit.
Ein wirklich packender und emotionaler Krimi, der leider an einigen Konstruktionsschwächen leidet. Dennoch sind die Stärken so herausragend, daß ich ihn gerne mit 4 von 5 Sternen weiter.