Montag, 15. Juni 2020

Wenn die Alpen Trauer tragen, Isabella Archan, Emons Verlag



Wenn die Alpen Trauer tragen, Isabella Archan, Emons Verlag

Mitzi Ende 20, ist seit dem Flammentod ihrer Familie in ihrer Kindheit schwer traumatisiert und hat noch nicht zu sich selbst gefunden. Entwurzelt treibt sie durchs Leben. Als sie in der Zeitung von einer älteren Dame liest, die „Enkeltrickbetrüger“ in die Flucht geschlagen hat, beschließt sie, zu dieser zu fahren und ihr zu ihrem Mut zu gratulieren. Das Treffen verläuft zwar nicht ganz so, wie sie es sich erhofft hat, aber der Ort Krems gefällt ihr. Dann liest sie, dass die Schwester dieser Dame, die sie an ihre inzwischen demente Oma erinnert, bei einem Hausbrand ums Leben kam. Diese Brandstiftung lässt Mitzis Alarmglocken klingeln und sie bittet Inspektorin Agnes Kirschnagel, die sich gerade eh auf ihrer Dienststelle langweilt, um Hilfe. Doch die Möglichkeiten der Inspektorin sind begrenzt, Mitzi hingegen ist fest entschlossen, die festgefahrenen Ermittlungen voranzubringen und schnüffelt wieder an den unmöglichsten Orten und Gelegenheiten weiter, z.B. bei der Beerdigung. Dort belauscht sie merkwürdige Dinge von einer weißen Frau, die sie auch prompt zu sehen scheint und von einem Patensohn, der den Schwestern suspekt ist....  Das scheinen doch vielversprechende Ansatzmöglichkeiten für Mitzi zu sein!

Mitzi kann es natürlich mal wieder nicht lassen ihre Nase in Dinge zu stecken, die sie nichts angehen! Außerdem ist sie immer noch auf der Suche nach einer Freundin, der sie sich anvertrauen kann. Ihre naive und gleichzeitig etwas neugierige Art kommen aber nicht bei allen gut an. Sie ist halt schon ein ganz spezieller schräger Charakter, der die Menschen anzieht und abschreckt zugleich. Sie passt einfach nicht in die Schemen menschlicher Erwartungen. Die eigentlich inkompatiblen Charaktere der bisweilen distanzlosen Mitzi und der kühlen Ermittlerin sind mit ein besonderer Reiz dieser Reihe. Wobei die Autorin ihre Ermittlerin diesmal auch nach Köln führt, wo es zu einem Crossover mit einer ihrer anderen Krimireihen (Willa Stark) kommt. Für Fans der Autorin natürlich ein echtes Schmankerl, ebenso wie das Marillenknödelrezept im Anhang, gerade jetzt zur Aprikosenzeit! Ein ungewöhnlicher Krimi, der in kein Schema passt, der mich am Ende aber doch genarrt hat. Anfangs ist er eher bizarr und braucht etwas um in Fahrt zu kommen, während man Mitzis unergründlichen und verschlungenen Pfaden folgt. Klar, anfangs mag ja auch niemand Mitzis Gedanken und Ahnungen so recht Glauben schenken. Aber ihre Beharrlichkeit ist einfach gnadenlos. Doch irgendwie freundet sie sich langsam mit sich und ihrer Situation mehr an, während auf Agnes vielversprechende, aber auch nicht ganz unkomplizierte Veränderungen zukommen.

Isabella Archan ist selbst eine Österreicherin, die es nach Köln verschlagen hat. Als gelernte Schauspielerin liebt sie es mit Sprache und prägnanten Charakteren zu spielen und so finden sich auch zahlreiche österreichische Ausdrücke und Redewendungen in diesem Krimi, die ihm den besonderen Alpenflair verleihen, ohne dabei den Humor auf der Strecke zu lassen.

Mal wieder ein skurril, schräger Krimi aus der Feder von Isabella Archan, gespickt von eigenwilligen Personen und vielen Kinoanleihen, so kommt es auch zu einem Showdown, der eine Hommage an Stephen King sein könnte... So ist bereits der Titel eine Anspielung an einen Kinoklassiker des leisen Grauens (wenn die Gondeln Trauer tragen). Ein gewisses Kinofaible lässt diesen Krimi also noch mehr genießen.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei der Autorin und dem Emons Verlag für dieses Rezensionsexemplar mit Urlaubsfeeling!

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Sonntag, 14. Juni 2020

Die Schwestern vom Ku'damm – Tage der Hoffnung, Brigitte Riebe, gelesen von Anna Fischer, Radom House Audio, 2 MP3 9 h 48 min, leicht gekürzt



Die Schwestern vom Ku'damm – Tage der Hoffnung, Brigitte Riebe, gelesen von Anna Fischer, Radom House Audio, 2 MP3 9 h 48 min, leicht gekürzt

Der 3. Teil der Reihe stellt nun die jüngste Thalheim-Tochter Florentine, die Künstlerin in den Mittelpunkt. Im zweiten Teil ist Florentine nach der Absage der Berliner Kunstakademie mit ihrem Freund Pascal nach Paris durchgebrannt, um in der Stadt der Liebe sich der Kunst zu widmen. Doch 1958 hat Pascal das Leben als brotloser Künstler satt und kehrt in den Schoß seiner wohlhabenden Familie zurück. Desillusioniert kehrt auch Flori heim. Mit ihren Pariser Arbeiten bewirbt sie sich erneut an der Kunstakademie und wird wieder abgelehnt, mangels Abitur. Von ihrem Cousin Gregor befeuert, wird sie bei dem Leiter der Akademie vorstellig und darf zur Probe vorerst bleiben. Sie geht in einem Rausch von Farben und Formen auf, allerdings setzen ihre Eltern ihre eine Frist von 5 Jahren, in denen sie Unterstützung erhält, dann muss sie ihren Weg gemacht haben. Schnell findet sie in Theo und Banker zwei Freunde auf die sie zählen kann. Doch ihr Professor, der ein Auge für Schönheit hat, interessiert sich schnell für sie. Eine verhängnisvolle Affaire entspannt sich. Währenddessen werden die Unterschiede in den West- und dem Ostsektoren der Stadt immer stärker. Es wird immer schwieriger die Familie im Osten zu besuchen. Als die Mauer scheinbar über Nacht die Stadt teilt, ruhen alle Hoffnungen auf dem neuen, jungen amerikanischen Präsidenten.

Wieder wird deutsche Geschichte in das Leben der Kaufhausdynastie Thalheim vom Berliner Ku'damm eingebettet. Flori selbst versinkt in einem Rausch aus Farben und bekommt wenig davon mit, doch zieht sie recht bald zu ihrer Cousine Franzi, die immer wieder ihrem Glück es in den Westen geschafft zu haben, Ausdruck verleiht. Auch für das Kaufhaus bedeutet die Trennung der Sektoren erhebliche Einschnitte, denn große Teile des Personals können nun nicht mehr zur Arbeit kommen. Viel schlimmer ist die Situation jedoch für die Familienmitglieder, die noch immer im Osten leben. Onkel Karl und Tante Kitty, können nun nicht mehr zu ihrer Tochter Franzi und Karls Söhnen. Louisa, bangt um ihre Schwester Amelie und ihren Vater den Pastor. Amelie erkennt langsam ihre Verblendung aus Liebe und in ihr wächst der Ekel gegenüber ihrem SED-hörigen Freund Tobias. Auch wenn Flori sich vor allem der Kunst widmet, bekommt man durch die Schicksale der übrigen Familenmitglieder hautnah die Veränderungen in der Stadt Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre mit. Immer wieder mittendrin die Eheleute Willy und Rut Brandt. Letztere hatte auch meine Oma immer schwer beeindruckt, nun weiß ich auch warum. Den Thalheim-Töchtern und so wohl auch Autorin Brigitte Riebe ist es nicht anders ergangen. Auch wenn ich im Englisch-Leistungskurs die 60er Jahre als Thema hatte, inklusive John F. Kennedy verdanke ich es nun diesem Hörbuch zu verstehen, was denn Kennedys legendärer Satz „Ich bin ein Berliner“ eigentlich sollte. Ohne den vollständigen Kontext konnte ich den Wirbel um diesen Ausspruch nicht verstehen. Hier werden immer wieder Bezüge geknüpft zur Familie und zum Zeitgeschehen und dabei eingeordnet, ohne sich aufzudrängen, oder die Geschichte zu erdrücken und die Emotionen zu nehmen. Doch im Laufe der Zeit arbeiten Flori und Banker als Fotografen, auch für die Presse und sind so immer auf der Suche nach den großen, emotionalen Momenten ihrer Zeit. So darf man auch als Hörer fühlen, wie die Welt sich damals rasant drehte und alles im Fluss war. Historische Namen, die für mich bislang nur Begriffe waren, bekommen so eine emotionale Kontour. Brigitte Riebe ist es erstklassig gelungen die großen Gefühle dieser turbulenten Berliner Zeit einzufangen. Zu den großen Gefühlen gehört natürlich auch die Spannung, denn das Böse, das die Familie in den bisherigen Teilen bedroht, kommt auch hier wider zu Tage, in einem großen Showdown, sowie in dem emotionalen Konflikt zwischen Flori und ihrem Ausbilder, sowie dem Schicksal der Stadt.

Flori ist sicherlich die chaotischste der drei offiziellen Thalheim-Töchter. Sie lässt sich gerne von ihren Emotionen tragen, ganz anders als Rieke, die Älteste. So endet die Saga (hoffentlich nur vorläufig) mit einem großen emotionalen Moment, sowohl für die Familie, als auch für Deutschland.

Mit Anna Fischer spricht wieder eine waschechte Berlinerin den Thalheims aus der Seele. Als Flori klingt sie sehr jung und ungestüm, etwas rau, etwas kratzig. Als Franzi, Sylvie, Rieke und Claire gefällt sie mir auch, mit ihrer Interpretation von Miri kann ich mich leider nicht so anfreunden. Die weiblichen Personen sind dennoch ihre Stärke, immerhin gibt es ja noch Louisa, ein wirklich nicht einfacher Charakter und Karls zweite Frau Kitty, sowie Louisas Schwester Amelie, die auch einen Kurzauftritt hat. Ich finde es super, dass jede Schwester eine eigene Stimme bekommen hat und auch jede der drei Sprecherinnen wiederum den Personen eigene Interpretationen hat zukommen lassen. Allerdings muss ich einräumen, dass ich insgesamt Anna Thalbach am Besten fand, aber das ist ja Geschmackssache. Es lohnt sich auf jeden Fall die Reihe zu hören! Im Herbst soll noch eine Weihnachtsepisode vom Ku'damm erscheinen, ich würde mich jedoch auch sehr freuen, mal Almas, Claires oder Miris Geschichte, eventuell eben aus den 40ern zu hören, oder eben das Schicksal von Enkelin Anna. Auch wenn die Saga abgeschlossen wurde, wären für mich weitere Anknüpfungspunkte denkbar und willkommen! Ich liebe die Reihe!

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Random House Audio für dieses herbeigesehnte Hörexemplar, dass mich nicht enttäuscht hat!

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