Mittwoch, 12. Februar 2020

Sonne, Mord und Sterne, Lotte Minck, Droste Verlag



Sonne, Mord und Sterne, Lotte Minck, Droste Verlag

Dies ist die dritte Ruhrpott-Krimödie mit Stella Albrecht und ihrer unnachahmlichen astro-psychologischen Lebensberatung.
Beim ersten Bochumer Astrologiekongress versammelt sich alles, was in der Branche Rang und Namen hat, egal ob seriös oder nicht. Vom Engelsbotschafter, Aurenleser bis zum Medium kommen sie alle, auch um der erstmaligen Verleihung des neugeschaffenen Branchenpreises Saturn beizuwohnen. Stella und ihre Oma Maria sind natürlich auch mit dabei, beide als Referentinnen und Maria sogar als Nominierte, wobei sie genau weiß, dass die Preisträgerin schon feststeht: die glamouröse Marlene Silberstein, die ihren frühen Ruhm dem privaten Frühstücksfernsehen verdankt. Doch auch wenn sie glitzert und strahlt, ist ihre rücksichtslose und berechnende Art nicht bei jedermann beliebt. So erstaunt es allenfalls, dass sie, die die Auren ihrer Kunden sogar über das Telefon oder den Bildschirm behauptete lesen zu können, den Angriff von hinterrücks nicht hatte kommen sehen. Auch Stella hatte ihr Horoskop nicht vorher gesagt, dass sie die Leiche finden und dem genervten Kommissar Arno Tillikowski beistehen müsse. Die Befragungen dieser eigenwilligen Klientel treibt Arno an den Rande des Wahnsinns, doch Stella hat einen ganz anderen, eigennützigen Grund, möglichst schnell dieses Verbrechen aufzuklären.

Die Geschichte beginnt eigentlich mit einer Vorschau: Als allererstes erlebt man die letzten Minuten der selbstverliebten Marlene Silberstein vor dem Spiegel mit, ehe sie hinterrücks erschlagen wird, mit ihrem eigenen Pokal. Das lässt tief in ihre dunkle Seele blicken und ist dramatisch. Folgend begleitet man Stella und Maria auf den Kongress, was bisweilen sehr skurril und somit höchst amüsant ist. Als Psychologin beobachtet Stella gerne und stellt sich weniger in den Mittelpunkt, ganz anders, als die vermeintlichen Stars der Szene, die sie gebannt und bisweilen irritiert beobachtet, während Maria ob der Absurditäten ihren Spaß hat. Durch sie und Ben, den knipsenden Lokalreporter und  Stellas ältesten und besten Freund, kann man in tiefe Abgründe der Intrigen, Eitelkeiten und Sticheleien blicken. Gegen einen schlechten Charakter hilft halt kein Engelsbotschafter und so ist es verwunderlich, dass sich die Stars der Szene nicht schon viel früher an die Gurgel gegangen sind. Doch wer hat letztendlich den Astropreis geschwungen und Marlene Silberstein dauerhaft ins Jenseits befördert? Der Weg dorthin ist vor allem humorig, mal aufgrund von Wortwitz, Slapstick oder eben auch, nein nicht wegen der Planetenkonstellation, sondern eben der besonderen Charaktereigenschaften: Arno in seiner völligen Verzweiflung zwischen Esoterik und Sternenhimmel, Astrologen mit echten oder gespielten Neurosen, Maria und Otto, die eigentlich durch nichts aus der Ruhe zu bringen sind und immer das Heitere in jeder Lebenslage genießen, auch wenn sich ein ungebetener Gast, dessen Universum ganz um ihn herum kreist einnistet und Stella die verzweifelt versucht Klarheit und Struktur in dieses Chaos zu bringen. Allerdings hat auch sie bei so viel schlechtem Karma alleine keine Chance und so schalten sie und Ben mal wieder Ruby, die Computerzauberin mit den bunten Haaren ein. Damit sind eigentlich alle liebgewonnen Personen der bisherigen Bände mit am Start, vereint in ihrer Andersartigkeit und ihrer Entschlossenheit. Dazu gibt es eine Prise Ruhrpott, von den Namen bis zu diversen Ausdrücken wie „Heiopei“, aber nie so viel, dass man es andernorts nicht verstehen könnte.

Dass Stella und Arno den Mörder(in) finden, das verspreche ich, ob sie nun endlich zueinander finden, das müsst Ihr selbst erlesen und auch bei diesem Band gilt: der Weg ist das Ziel, denn es ist vor allem spaßig. Immerhin kann man kniffelige Probleme auch auf unterhaltsame Weise lösen, denn Humor ist sicherlich der Weg zu jedem kosmischen Glück. Ein Krimi mit Augenzwinkern und Spaß am Rätseln, Beobachten und den kleinen und großen Macken der Menschheit.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Lotte Minck und dem Droste Verlag für mein Rezensionsexemplar für die Lovelybooks Leserunde.

Montag, 10. Februar 2020

Ghost – Jede Menge Leben, Jason Reynold, gelesen von Jörg Pohl, Hörcompany 3 CDs 3 h 35 min



Ghost – Jede Menge Leben, Jason Reynold, gelesen von Jörg Pohl, Hörcompany 3 CDs 3 h 35 min

Castle Cranshaw ist nicht auf der Sonnenseite des Lebens geboren. Sein Vater ist ein Säufer und wenn er wieder betrunken ist, wird es gefährlich. Eines Tages so sehr, dass er auf seine Frau und seinen Sohn schießt. Sie können nur weglaufen und da merkt Castle wie schnell er laufen kann. Verängstigt verstecken sie sich beim Krämer um die Ecke in der Vorratskammer und versuchen unbemerkt zu bleiben. Als sie ankamen, sahen sie aus wie Geister, meinte ihr Beschützer. Fortan nennt sich Castle selbst Ghost. Als er eines Tages im Park eine Laufmannschaft sieht, fühlt er sich in seinen viel zu großen Klamotten (in die er hineinwachsen soll) und seinen Billigturnschuhen provoziert von einem der Läufer in super chicen Outfit. Er läuft neben ihm her und kann mithalten. Der Trainer ist begeistert und will ihn gegen alle Regeln aufnehmen, unter der Voraussetzung, dass es in der Schule keinen Ärger gibt. Eine echt harte Bedingung, denn in Castle brodelt es stets und es besteht immer die Gefahr, dass er überkocht, denn etwas nagt an ihm... Schafft er es dennoch Teil einer Mannschaft zu werden?


Dieser Jugendroman ist mit großen Vorschusslorbeeren in Deutschland gestartet. Das hat mich gereizt, aber andererseits... Ja, ich kann wie Ghost laufen, ich bin ein Naturtalent, aber ich tu es nicht. Wozu? Solange man nicht auf der Flucht ist, ist es doch ziemlich unspannend und es interessiert mich ja auch noch nicht mal bei Olympia auch wenn mir Usain Bolt und Florence Griffith Joyner durchaus bekannt sind. Ich kann verstehen, dass Castle eigentlich auf Basketball steht, das ist ja ein Mannschaftssport, ganz anders als Laufen, oder doch nicht? Castle sieht diesen aufgestylten Sprinter und fühlt sich mal wieder provoziert, er sieht die Konkurrenz, das ist doch kein Teamsport, der den Charakter stärkt! Dennoch wird Castle durch den Sport ein Ziel, einen Fokus bekommen, lernen über sich selbst nachzudenken und nicht immer gleich in die Luft zu gehen. Er muss sich selbst kennenlernen, auf seine Mutter Rücksicht nehmen, die sie alleine durchbringen muss. Es ist Emotion pur, dieser innere Kampf, den er mit sich selbst ausficht. Er wächst in der übelsten Gegend der Stadt auf, dennoch gehört er keiner Gang an, nimmt keine Drogen und geht zur Schule. Es wäre gelogen, wenn man sagen würde, er tut alles um dort raus zukommen, aber er versucht anständig zu bleiben. Auf die Idee zu jobben kommt er nicht, wohl weil ja noch ein Kind ist, aber auch, weil es in dieser Nachbarschaft wohl auch niemanden gibt, der ihm für seine Hilfe etwas bezahlen könnte. Diese ganz brutale, unterschwellige Armut, keine passenden Klamotten kaufen zu können, so dass alles zu groß sein muss, damit es länger hält, dass Castle bis abends nichts zu Essen hat, wenn er das Schulessen ausfallen lässt, diese Armut, die überhaupt keine gescheite Ernährung zulässt... dennoch gibt er nicht auf. Es ändert sich aber erst, als der Trainer ihn aufnimmt, dann wird aus dem nicht Aufgeben ein Kämpfen. Man will unbedingt wissen wie es weitergeht. Auch wenn ich mich immer noch nicht fürs Laufen interessiere, für dieses Team brenne ich.

Jörg Pohl hat es geschafft mich mitzureißen und mich in Tränen aufgelöst. Ich habe mir nicht verstohlen ein paar Tränchen weggewischt, ich bin auf gestanden und brauchte erst einmal Taschentücher, aber bitte schnell, ich wollte ja weiter hören... Jörg Pohl klingt nun nicht wie 12, aber er schafft es dennoch absolut authentisch zu klingen. So unmittelbar direkt, brodelnd, mit Gefühlen direkt unter der Oberfläche, die jederzeit herausbrechen können, unverstellt und dadurch berührend.

Ich finde dieses Hörbuch super, aber auch echt fies, denn es endet an einer Stelle an der ich dachte: Gibt es vielleicht doch noch eine vierte CD? Nein, ich muss nun schnell Band 2 „Patina“ hören.

Die Altersempfehlung 12 - 15 Jahre empfinde ich im Hinblick der elementaren Probleme der Helden dieses Teams absolut angemessen. Auch wenn Castle/Ghost erst 12 oder 13 Jahre alt ist, sollten die Leser oder Hörer nicht jünger als 12 sein und werden es mit 15 auch sicherlich nicht kindisch finden.

Eine ganz klare Hörempfehlung. Vielen lieben herzlichen Dank an die Hörcompany für diesen Gewinn!