Montag, 8. Juli 2019

Der Wald, Nell Leyshon, gelesen von Laura Maire Random House audio, 8 CDs 10 h 2 min.



Der Wald, Nell Leyshon, gelesen von Laura Maire Random House audio, 8 CDs 10 h 2 min.

Warschau im zweiten Weltkrieg. Die großbürgerliche Familie des kleinen Pawel erträgt die Besetzung ihrer Heimat nicht und engagiert sich im Widerstand. Bislang war seine Oma eine erfolgreiche Ärztin, seine Mutter eine begabte Cellistin und sein Vater ein Maler. Die Eltern lebten in ihrer Welt der schönen Künste, bis der Krieg hereinbrach. Doch dann bringt der Vater einen schwer verletzten englischen Piloten ins Haus, dem die Großmutter das Sterben erträglicher machen soll. Allerdings verliebt sich seine labile Tante Joana sich in Fremden und pflegt ihn gesund. Mit Kindern im Haus kann man keine Geheimnisse bewahren und Pawel und seine Mutter müssen in den Wald flüchten und ihr einst so kultiviertes Leben dreht sich nur noch um ihr Überleben, eine Aufgabe, auf die sie bislang niemand vorbereitet hat. Ganz anders als die alte Einsiedlerin Baba, die sie gegen Bezahlung aufnimmt.

Laura Maire erzählt diese Geschichte aus Pawels zu Beginn kindlich naiver, verwunderter Sicht. Mal klingt sie verstört, mal verwirrt. Sehr verletzlich in dieser Welt, in der nichts so ist, wie er es kennt. Sie nimmt bisweilen ihre Emotionen zurück, wodurch sie noch eindringlicher klingt, denn das Kind, in das sie sich einfühlt weiß nicht, was es denken und fühlen soll. Doch trotz der unaufgeregten Interpretation klingt sie nie gleichgültig oder monoton, wie es mir bisweilen bei Hörbüchern mit ähnlich ernster Thematik vorkommt. Hier hat die Zurückhaltung, Stil und Ausdrucksstärke. Auch wenn diese preisgekrönte Interpretin den Charakter dieses ungewöhnlich nachdenklich, verträumten Kindes trifft, vermag auch sie es nicht über die Längen im Mittelteil hinweg zu helfen. Der Kontrast zwischen den Kriegsszenen in Warschau und den introvertierten Szenen auf dem einsamen Waldhof, auf dem die Zeit nicht zu existieren scheint und sich alles auf das Sein zu reduzieren scheint, ist zu groß. Die einst so feinsinnige, kultivierte Mutter Sophia, die ein Leben mit Dienstboten und gepflegten Gesprächen gewöhnt war, kommt mit der Einfachheit und Eintönigkeit im Wald nicht klar. Statt wie ihr Sohn lieben zu lernen, was die Natur um sie herum ihr bietet und seine Regeln zu lernen und zu verstehen, scheint sie in Apathie zu verfallen. Sie versteht sich und ihre Gefühle nicht mehr. Wahrscheinlich ist sie soviel Introspektion nicht gewohnt und doch ist sie ein Mensch der stets nachdenkt und das Denken nicht sein lassen kann. . Sie ist zerrissen zwischen ihrer Mutterliebe und ihrer Irritation über seine ungewöhnliche Sensibilität und über die Stärke ihrer eigenen Gefühle. Bislang gab es auch immer Angestellte die ihr alle lästigen Arbeiten abnahmen, so dass sie sich ganz sich selbst und dem, was einer Frau in ihrer Position oblag, widmen konnte. Dabei wirkt sie bisweilen hart. Anders als z.B. die meisten Trümmerfrauen dargestellt werden, die anpacken, weil es sonst nicht weiterginge, schafft sie durch ihre Gedanken Distanz statt Bewunderung. Die feinsinnige Künstlerin lernt man als bisweilen sehr selbstkonzentriert kennen. Doch Pawel kennt es nicht anders. Erst Jahre später begreifen beide die Bedeutung dessen, was diese Zeit in der Abgeschiedenheit des Waldes für sie bedeutet hat. Während Pawel die Welt so akzeptieren lernt wie sie ist, kämpft Sophia auch nach dem Krieg mit unerfüllten Wünschen und Erwartungen. Trotz teilweise erstaunlicher Weitsicht, ist sie jedoch lange Zeit nicht bereit, sich ihren eigenen Schlussfolgerungen zu beugen. In dem letzten Teil der Geschichte, der mehr aus ihrer Sicht erzählt wird, schafft es die Interpretin gekonnt, den Perspektivwechsel auch stimmlich nachzuvollziehen, und klingt nun nach der vom Leben gezeichneten Mutter.

Dieser Roman hat bisweilen etwas kammerspielartiges, selbst in den Kriegsszenen, wobei mir diese durch die innere und äußere Entwicklung deutlich besser gefallen. Sowohl Pawel, als auch seine Mutter beobachten stets und können das Denken nicht lassen. Doch anders als Sophia ist Pawel ein Träumer. In Kriegszeiten ist dies eventuell gefährlich, aber auch vielleicht, die beste Möglichkeit nicht den Verstand zu verlieren. So ist dieser Roman auch sehr stark von inneren Monologen geprägt. Wer bei diesem Thema actionreiche Szenen auf der Flucht erwartet, ist hier völlig auf dem Holzweg, sehnt er sich nach Action, sollte er sich ein anderes Hörbuch suchen. Hier liegt die Stärke in der Poesie der Beobachtungen und Gedanken zweier Künstlerseelen, die in eine unbarmherzige Zeit hinein geboren wurden und sie dennoch begreifen möchten. So sind ihre Gedanken auch bisweilen poetisch und auch entsprechend verbalisiert. Es ist keine dahinplätschernde seichte Unterhaltung und man sollte auch ein gewisses Sprachniveau besitzen. Schade finde ich, daß man das ungefähre Jahr, in dem die Geschichte jeweils spielt, stets erraten muß und man die Zeitsprünge nicht unmittelbar bemerkt, sondern erst wenn er bereits eine Weile begonnen hat, wenn es z.B. Hinweise auf das Alter, Umzüge oder ähnliches gibt. Ob das in der Buchvorlage auch so ist, weiß ich nicht.

Eine Geschichte über das Leben, das uns prägt, mit allen Schicksalsschlägen, daß wir aber lernen müssen uns, und die, die wir lieben so zu akzeptieren, wie wir bzw. sie sind. Ändern kann man nur sich selbst, nicht seine Lieben. Die Schicksalsschläge machen uns auch nicht zu anderen Menschen, das liegt alles schon von Geburt an in uns, aber unsere Teevorlieben könnten zum Beispiel durch ein Überleben im Wald verändert werden oder wir lernen, die Natur zu verstehen, von der uns bislang gar nicht bewußt war, wie sehr wir sie lieben. Eine starke Mutter-Sohn-Beziehung, die durch die Zeit und ihre Entwicklungen dahin mäandert.

Ein schönes Hörbuch, dessen Titel und Klappentext aber etwas anderes erwarten lässt, als man zu hören bekommt. Es bedarf schon einer gewissen Bereitschaft, sich auf eine Geschichte und Gedanken einzulassen, die mehr eine Familiengeschichte, als ein Widerstandsdrama ist.

3,5 Sterne gerundet auf 4.

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Bloggerportal für dieses ungewöhnliche Hörexemplar.

Samstag, 6. Juli 2019

Juli & August, Krokodil über Bord! Alexander von Knorre, ungekürzt gelesen von Boris Aljinovic, DAV (der Audio Verlag) 2 CDs 2 h 1 min.



Juli & August, Krokodil über Bord! Alexander von Knorre, ungekürzt gelesen von Boris Aljinovic, DAV (der Audio Verlag) 2 CDs 2 h 1 min.

Gemütlich treibt der 8-jährige August auf seinem aufblasbaren Gummi-Krokodil auf dem Meer und träumt von einem Eis, als er der etwa gleichaltrigen Juli auf ihrem wundersamen Floß begegnet. Mutterseelenallein, dafür bestens ausgestattet mit Hängematte, Huhn, Dusche, Plumpsklo, Wasserspeicher, Pflanzen... Das beeindruckt August schwer und er heuert gleich als Schiffsjunge an, aber Juli nimmt nicht jeden, schon gar nicht einen Angsthasen. Drum gibt es erst ausgeklügelte Mutproben, die August mit Sinn, Verstand und Herz besteht! Nun darf er an Bord und sein Gummitier wird fest vertäut. Gemeinsam erleben sie Abenteuer, die selbst Pippi Langstrumpf staunen ließen! Da gibt es verirrte Urlauber, U-Boote, Juwelendiebstähle, wilde Stürme, alternativ genutzte ausrangierte Bohrinseln und geheimnisvolle im Meer schwimmende Frachtcontainer! Die zwei haben für jedes Problem eine Lösung, mal geplant, mal weniger! Sehr spaßig und fantasievoll, realistisch eher nicht. Alltag hat man aber ja auch schon zu Hause ;)

Es sind ganz erstaunliche Details die meine Tochter schwer beeindruckt haben, wie z.B. das Gesicht, das auf den Bug eines Kreuzfahrtschiffs gemalt ist. Mich hat dann eher der Name des Schiffes amüsiert, ein kleines Bonbon für mithörende Eltern ;) Dass diese Geschichte den Realitätsgrad von Pippi Langstrumpf hat, hat sie dabei nicht gestört. Da es offensichtlich nicht realistisch ist, konnten ihr die Stürme und sonstigen brenzligen Situationen beim Einschlafen auch keine Angst machen. Aber wenn Boris Aljinovic liest, ist sie sowieso immer beruhigt. Seine Stimme hat immer eine sehr beruhigende Wirkung auf sie. Abgesehen davon, dass sie sehr angenehm ist, ist sie auch sehr variabel. Egal ob Juli oder August, ein Juwelendieb oder verkannter Kunstmaler, er schafft es stets stimmlich einen eigenen Charakter für sie heraus zu arbeiten, egal welchen Geschlechts oder Alters, die Person gerade ist. Man hört ihm auch sehr genau die Absurdität der jeweiligen Situation an, so dass auch schon Kinder ab 6 Jahren den Spaß heraushören.
Charakter haben die zwei Kids. Juli ist eine taffe Kapitänin, die sich nicht das Ruder aus der Hand nehmen lässt und leider alles kann, außer Schwimmen. Das ist bisweilen etwas frustrierend für August, aber in Zeiten der Unpässlichkeiten von Juli, kann August so richtig zeigen was er kann und bekommt dafür sogar einen Orden verliehen!

Zwei zufällige Freunde wachsen durch ihre Erlebnisse zusammen und können sich stets auf einander und ihren Einfallsreichtum verlassen. Dabei gefällt mir sehr gut, daß trotz aller Abenteuer auch eingeräumt wird, daß es manchmal den größten Mut erfordert, nein zu sagen, weil man etwas nicht möchte, oder sich nicht traut, oder eine Mutprobe unsinnig ist. Das erfordert Größe und die ist meistens besser als Mut! Zwischenzeitlich wächst die Schar ihrer tierischen Freunde immer wieder an und sie behandeln die Tiere stets mit Respekt. So ganz nebenbei klingt dann auch die Klimaveränderung und deren Bedeutung für die Tiere der Arktis mit durch. Allerdings nicht bedrohlich, sondern spaßig, wobei auch klar wird, daß es auf Dauer keine Lösung ist, Eisbären in gastronomischen Kühlhäusern zu halten....

Was meiner Tochter außerdem sehr gut gefiel war die Länge der einzelnen CDs mit jeweils einer Stunde. Bei den CDs mit Überlänge verschläft sie oft 1/3 und muss dann wieder den Anschluß suchen. Hier hatte sie das Problem nicht. Aufgrund der Normallänge ist die Qualität auch besser und es gibt keine „Hüpfer“ in der Aufnahme.

Ein tolles und wildes Ferienabenteuer, mit hohem Spaßfaktor, dessen Fortsetzung folgt! Ab 6 Jahren.

Wir bedanken uns ganz herzlich beim DAV für dieses Hörvergnügen!