Dienstag, 14. Mai 2019

Lost in Fuseta (3) Weiße Fracht, Ein Portugal Krimi, Gil Ribeiro, Andreas Pietschmann, Argon Verlag



Lost in Fuseta (3) Weiße Fracht, Ein Portugal Krimi, Gil Ribeiro, Andreas Pietschmann, Argon Verlag

Das Austauschjahr des Hamburger Kriminalkommissars Leander Lost neigt sich dem Ende zu. Als Asperger Autist hat er sich nach Startschwierigkeiten erstaunlich gut eingelebt und entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten hat er seine Rückkehr noch nicht bis ins letzte Detail geplant. Völlig untypisch für ihn, macht sich Hoffnung auf eine Verlängerung seines Aufenthalts an der Algarve in ihm breit. Währenddessen hat der Mittelmeerraum und eigentlich ganz Europa kein Kokain mehr, nach einer erfolgreichen Beschlagnahmung einer Großlieferung. Mit dem Kopf voller Gefühlschaos begibt er sich an den Tatort bei einem anderen Hamburger Auswanderer, einem Schreiner. Auffällige Symbole wie eine weiße Feder, mit Wachs beschmiert, im Auge des Toten, scheinen auf eine lang zurückliegende Mordserie in Spanien hinzudeuten. Doch Leanders kühler Kopf und sein Blick fürs Detail lassen ihn, sehr zum Ärger eines seiner Kollegen, nicht auf diese Spur festlegen. Als ein weiterer Mord geschieht, der von diesem Tathergang völlig abweicht, stehen die Ermittler vor einem Rätsel, aber Leander Lost vergisst ja nie und hat den Blick fürs Detail.

Ein Asperger Autist mit Gefühlen, das irritiert wohl niemanden so sehr, wie Leander selbst, der nun emotional völlig überfordert und verunsichert ist. Immerhin sein Schützling Sarah, weiß was sie will, das hilft ihm ein wenig, in seinem Alltag, ebenso wie seine Angewohnheit mehrmals täglich ertrinkende Insekten aus seinem Pool zu retten, um das Ökosystem im Gleichgewicht zu halten durch deren Bestäubung der Blüten. Bei aller Detailverliebtheit verliert er doch nie den Blick für das große Ganze und knüpft bisweilen Verbindungen, auf die sonst niemand so käme. Parallelen und Verbindungen im Alltagsleben zu knüpfen fällt ihm nicht so leicht. Gelingt es ihm doch verblüffen ihn seine Erkenntnisse selbst bisweilen am meisten. Ich mag seine Erkenntnisse und wie er zu diesen gelangt. Mal sind sie charmant, mal verblüffend oder irritierend. Bei Leander Lost muss man einfach mit allem rechnen. Seine portugiesischen Kollegen und Freunde Graziana und Carlos, wissen ihn zu nehmen und zu schätzen, dank Grazianas jüngerer Schwester Soraya, die als Sozialpädagogin Leanders Besonderheit erkannt, und ihrer Schwester und Carlos erklärt hat. Er kann nicht lügen, er kann nichts vergessen und er kann keine Gefühle erkennen. Aber Leander ist wissbegierig und mithilfe von Sachbüchern eignet er sich das skurrilste Wissen an, aber auch nützliches so z.B. wie man Mikroausdrücke im Gesicht erkennt, was ihn zum wandelnden Lügendetektor macht.

Dieser Fall ist diesmal nicht sozialkritisch, hier geht aufgrund der erweiterten Ermittlerkonstellation um die Kritik an der Gesellschaft, daran wie diese mit Menschen umgeht, die anders sind. Es geht um Werte wie Liebe, Freundschaft und Familie. Das ist wunderbar eingewoben in knifflige Ermittlungen, die diesmal ganz persönlich werden. Als Portugalkrimi nimmt Gil Ribeiro (Künstlername) den Hörer mit in das Land, das er lieben gelernt hat. Als Deutscher hat er natürlich einen anderen Blick auf das Land und sieht es aus unserer Sicht, seine Schönheit und seine kulinarischen Besonderheiten. Denn in Portugal wird gekocht, mit Leidenschaft und das nicht nur von Grazianas Mutter (im Gegensatz zu vielen amerikanischen Büchern, in denen sich ausschließlich von Take away ernährt wird). Es wird die Liebe zum Leben und zum Alltag zelebriert, der Urlaub, der jederzeit auch zu Hause in den kleinen Dingen liegen und entspannen kann.

Mir gefallen seine Charaktere und seine Entwicklung, na ja, es entwickeln sich nicht alle, die evolutionäre Stagnation des gebürtigen Spanier Subinspector Miguel Duarte empfinde ich als eine Art running gag ähnlich des Kommissars Overbeck bei Wilsberg. Ohne ihn, würde einfach etwas fehlen!
Auch wenn ich die Stärke dieser Reihe eindeutig in den unterschiedlichen Persönlichkeiten und der Ausgangssituation sehe, ist dieser Fall wirklich kniffelig und wieder sehr komplex, und stellenweise sehr spannend. Da bedarf es schon eines Leander Lost, die Dinge in Verbindung zu bringen, und einer Graziana und eines Carlos, um ihn vor sich selbst zu retten, naja und einige Menschen, die ihnen wirklich am Herzen liegen.

Andreas Pietschmann trifft den Ton genau. Wohl angeblich nicht aussprachetechnisch, aber für mich klingt es überzeugend, ich bin bislang an der portugiesischen Aussprache auch gescheitert. Mit seiner angenehm wandelbaren Stimme schafft er sowohl die Schroffheit des testosterongeschwängerten Lebemannes Carlos, als auch des bisweilen kindlich naiven und dann wieder klar rationalen Leander Lost. Bei den weiblichen Rollen hält er sich zurück, sie werden weicher, aber ohne zu übertreiben interpretiert. Für mich die ideale Besetzung! Aus diesem Grund ziehe ich bei dieser Reihe das Hörbuch dem Buch jederzeit vor.

Ein wunderbarer Krimigenuss, von dem ich nicht genug bekommen kann. 5 von 5 Sternen.

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Argon Verlag für dieses absolute Wunschhörbuch.

Sonntag, 12. Mai 2019

Louisa und täglich grüßt das Chaos, Frauke Scheunemann, Oetinger Verlagsgruppe



Louisa und täglich grüßt das Chaos, Frauke Scheunemann, Oetinger Verlagsgruppe

Mit dem neuen Schuljahr wird alles anders, besser, schwört sich Louisa, fast 14 Jahre alt. Denn zu Beginn des 8. Schuljahres werden die Klassen neu zusammengesetzt und man darf sich nur einen Mitschüler wünschen, der mit einem in die neue Klasse wechselt. Das ist ihre Chance, sich neu zu erfinden, so quasi als Louisa 2.0 und deshalb will sie dann auch nicht mehr Isi, sondern Lou genannt werden! Also zieht sie zum 1. Schultag einen völlig neuen Klamottenstil an, cooles schwarz statt süßer Blümchen und die Brille muß weg. Wie gut, daß es Kontaktlinsen inzwischen auch im Drogeriemarkt gibt. So einfach geht das leider nicht und der Neuanfang wird die totale Katastrophe. Das ändert sich erst, als Louisa zum Geburtstag ein Handyspiel bekommt, mit dem sie die Zukunft gestalten kann. Unendliche Möglichkeiten bieten sich ihr nun und das will sie sich auf keinen Fall entgehen lassen!

Louisas Kontaktlinsenträume konnten wir als Kurzsichtige nur allzu gut nachvollziehen! Es war sehr lustig und anschaulich beschrieben, was denn nun schief gehen kann, wenn man eigenmächtig, ohne fachliche Beratung und Anpassung Kontaktlinsen kauft. Heimliche Kontaktlinsenkäufe sind keine gute Idee und können eine Menge Schaden anrichten (angepasste sind super, gerade zum Kochen, Backen, bei Regen und Autofahren....). Sehr schön ist aber auch, daß Theos ihr bester Freund seit Kindertagen, ihr ganz deutlich macht, daß so etwas doch völlig nebensächlich ist, und er die Isi von eh und je mochte und keine andere will. Eltern sind ja zum Glück genauso und lieben ihre Kinder so wie sie sind und dafür müssen sie nicht die angesagtesten sein. Den Wunsch, jemand anderes zu sein und sich selbst neu zu erfinden, werden die meisten allerdings kennen und meistens doch einfach sie selbst bleiben, denn so ist man ja nun einfach. Die Kunst liegt ja darin, sich so zu mögen wie man ist, was oft mit Alter und Reife einhergeht und einige leider niemals lernen. Meine Töchter fanden das Thema aber total spannend und haben Isis Veränderungen allerdings auch sehr skeptisch betrachtet. Denn Louisa hat ja zusätzlich zum Angesagt sein noch ein weiteres Ziel: Die Hauptrolle der Gabriella in der Schulaufführung vom High School Musical! Uns ist dieses Musical bislang kein Begriff, aber diese Wissenslücke werden wir alsbald schließen, das steht fest. Nach so viel Blick hinter die Kulissen, wollen sie es nun auch sehen. Es stört also nicht im Geringsten, wenn die jungen Leser diesen „Klassiker“ von 2006 nicht kennen.

Die Musicalproben dienen als Bühne für Louisas Entwicklung und der ihrer Freundschaften und Schwärmerei für die männliche Hauptrolle. Dabei finden meine Töchter Isis Schwärmerei absolut im Rahmen des Erträglichen und altersgerecht. Das finde ich auch sehr gut, hier werden die jungen Leserinnen nicht unter „Liebesdruck“ gesetzt. Insgesamt ist die Geschichte nicht nur sehr rasant, lustig und sie nimmt auch viel Druck von den Lesern. Es vermittelt zu schätzen was man hat und kritisch zu hinterfragen, was man sich scheinbar unbedingt wünscht. Dabei ist es total kurzweilig und spannend. So spannend, daß die Große es schnell alleine weitergelesen hat, was gerade angesichts der Schriftgröße bei ihr absolut erstaunlich ist. Beide Mädels haben voll und ganz mit Lousia und ihrem Schicksal mitgefiebert, konnten sie super verstehen und bekamen einfach nicht genug von ihr und ihren gesammelten Katastrophen.
Zitat meiner Großen: Mama, das ist jetzt mein Lieblingsbuch, das ist noch besser als Henry Smart, auch wenn ich das nicht für möglich gehalten habe!

Wunderbare Chick-lit für Pre-Teens, aber mit Humor, Herz und Moral, aber keine mit erhobenen Zeigefinger, sondern eine die Mut macht.

Wir lieben es und geben alle erdenklichen Herzchen!