Montag, 6. Mai 2019

Ihr mich auch, Pia Herzog, Südpol Verlag



Ihr mich auch, Pia Herzog, Südpol Verlag

Lu, eigentlich Louisa, empfindet einen tiefen inneren Schmerz, es lodert eine Wut in ihr, die immer wieder in ihr hoch kommt und herausbricht. Sie lebt mit ihrer Mutter einer ewigen Studentin alleine, mit sehr begrenzten Mitteln und trägt die alten Klamotten, ihres älteren Cousins auf. Diese ändert sie sich auf einer alten Nähmaschine um, damit sie individueller sind und passen. Sie hatte noch nie wirkliche Freunde, aber eine Menge Fantasie und jede Menge Aggressionen. Darum achtet ihre Mutter darauf, daß sie regelmäßig zum Boxtraining geht. Als Zeichen des Protests färbt sie sich die Haare knallig pink, ein starker Kontrast zu den schwarzen Klamotten. Ihre Mutter ist etwas lebensfremd. Sie leidet nicht nur unter Examensangst, ihre Jobs entpuppen sich auch regelmäßig als Flops. Daher ist ständig Ebbe in der Kasse. Doch nun scheint sie den idealen Job gefunden zu haben: Gesellschafterin für die traumatisierte Tochter eines wohlhabenden Geschäftsmannes, für 120,- € am Tag. Lu ist diese Prinzessin Viola gleich suspekt und so knallt es gleich bei ihrem ersten Treffen. Doch dann besteht Viola darauf, daß Lu mit in den Urlaub in die Finca auf Mallorca kommt. Ein Albtraum scheint für Lu wahr zu werden.

Lu ist in ihrer Wut, in ihrer Aggressivität ein fesselnder Charakter es scheint ihr gleichgültig zu sein, was andere von ihr denken. Wozu auch, sie hat ja eh keine Freunde, bis auf Rhys, der ihrer Fantasie entspringt und mit dem sie alles teilen kann. Allerdings ist er ausgerechnet ihrer Mutter ein Dorn im Auge. Diese Mutter leider auch mir. Wie kann man nur einerseits so intellektuell und psychologisch sensibel sein wollen und dann bei der eigenen Tochter und sich selbst so blind?  Sie muss doch den Schmerz ihrer Tochter spüren und sich fragen, wo er herkommt. Ich habe mich das die ganze Zeit gefragt. Warum ist Lu, wie sie ist? Sie rebelliert teilweise heftig und nicht immer ungefährlich, da würde sie meine Geduld auch sehr strapazieren. Aber von vielen rebellischen Gefahren ihrer Altersgruppe lässt sie in weiser Voraussicht die Finger: kein Alkohol, keine Drogen, keine Zigaretten. Sie schließt sich auch keiner missratenen Clique an, sie ist wirklich absolut autonom, bis auf Rhys, mit seinen unverschämt grünen Augen. Er ist ein wunderbares Korrektiv für Lu, mit dem sie sich austauschen kann und der ihr auch ganz schön gehörig den Kopf zurecht rückt. Ein toller Charakter, für den die Mutter leider gar kein Verständnis hat, ebenso wenig wie für die Bedürfnisse ihrer Tochter, die sich durch ihn offenbaren.

Ich finde das Buch wahnsinnig gut geschrieben, es hat mich sofort in einen Sog gezogen. Ich wollte immer wissen, was ist eigentlich mit Lu los? Wird Viola mit der neuen Situation zurecht kommen? Auch wenn ich das Buch super fand, habe ich diese Fragen nicht wirklich beantwortet gefunden. Ich habe bei rund 20 Jahren Berufserfahrung erst einmal ein Kind ganz ohne Freunde getroffen, daß vom Jugendamt auch tatsächlich in eine spezielle Einrichtung gegeben wurde und auch in einem zweiten Fall kamen die Kinder sofort in verschiedene Einrichtungen, wo sich dann offenbarte, daß die Geschwister untereinander auch keine wirkliche Bindung haben. Die wenigen Kinder ohne Freunde, hatten alle ein gestörtes Eltern-Kind-Verhältnis und keine auffangenden Großeltern. Auch Lus Großeltern werden mit keinem Wort erwähnt. Das Problem war nicht Armut, es waren die Eltern, die das Bindungsverhalten stören, mit diagnostizierter Erziehungsunfähigkeit. Hier empfinde ich die Mutter auch als problematisch, da sie die Realität verkennt und etwas lebensfremd ist. Dennoch scheint Lu an ihr zu hängen und ihre Mutter nicht völlig egal zu sein. Bei allen Differenzen zwischen Lu und ihrer Mutter, ist Schule erstaunlicher Weise nie ein Thema. Sie geht offensichtlich nicht nur hin, sie scheint auch zu lernen, auch wenn es nicht explizit erwähnt wird. Das wird jetzt der Zielgruppe nicht so bewußt sein, da sie intakte Bindungen haben werden, daher gibt es hierfür nur einen Stern Abzug.

Die Jugendlichen in dieser Geschichte mag ich wiederum sehr gerne. Sie sind sehr einfühlsam beschrieben, man spürt ihren Schmerz, ihren Welthass, ihre Verachtung, ihre Verzweiflung und die aufkeimende Hoffnung. Bei Lu und Viola schätze ich sehr ihre Geradlinigkeit und Kompromisslosigkeit, bisweilen sind die zwei wirklich gnadenlos ihrer Umwelt gegenüber, aber dabei irgendwie menschlich. Emotional hat mich längere Zeit kein Buch mehr so bewegt, daher gehe ich über die für mich als Erwachsene bestehende Schwäche hinweg und gebe gerne noch gute 4 von 5 Sternen.

Samstag, 4. Mai 2019

Die Geheimnisse von Oaksend – Die Monsterprüfunge, Andrea Martin, cbj



Die Geheimnisse von Oaksend – Die Monsterprüfunge, Andrea Martin, cbj

Robin ist fast 11, seine Eltern sind bei einem Unfall ums Leben gekommen als er noch klein war. Nun lebt er bei seinem knurrigen, ungeselligen Opa Rufus und wird in der Schule ganz schön drangsaliert. Gleichaltrige Freunde hat er keine, aber die liebenswert schrullige Antiquarin Polly und der blinde Kiosk-Besitzer Mr. Hooper sind dafür um so netter zu ihm. Als eines Tages Freddy, der Schul-Bully besonders gemein ist und seine Schultasche im Druidenstein am Wald zu versenken versucht, tritt Melvin in sein Leben. Melvin ist ein echtes Monster, sein Schutzmonster (Warmblut, Europäisch-Langhaar, Blue Tabby) von nun an. Er ist der ersehnte Freund und hat allerlei magische Fähigkeiten, mit einem echten Hatchpatch. Das ist ein scheinbarer Stofflappen, den man an die Wand oder den Boden werfen kann, der einen Expresstunnel bildet, der einen in größter Not auf der Flucht helfen kann, aber nur Freunde einlässt und Feinde beißt! Nun fühlt sich Robin endlich nicht mehr allein und sein Leben wird auch viel aufregender. Als dann aber die Prüfungsaufgabe für Melvins Schutzmonsterprüfung ins Haus flattert, wird es richtig brenzlig. Denn die Aufgabe ist knifflig und sie scheinen nicht die einzigen zu sein, die hinter der Lösung her sind.

Anfangs ist die Geschichte sehr traurig, da Robin echt sympathisch ist und er sein Schicksal wirklich tapfer trägt, auch wenn es so trostlos ist. Doch mit Melvin hat die Traurigkeit fast ein Ende.
Na ja, die alte Schreckschraube nebenan, keift immer noch, sobald er sich halbwegs in der Nähe blicken lässt, aber mit einem Freund an seiner Seite ist das alles viel leichter zu ertragen, ebenso wie seinen abweisenden und oft abwesenden Großvater Rufus. Auch seine Klassenkameradin Imogen ist Robin gegenüber freundlich. Allerdings ist sie so seltsam, daß er sich gar nicht so sicher ist, ob ihm das recht ist. Sie läuft immer mit einem stinkenden Beutel herum, scheint aber guter Dinge zu sein. Aufgrund seiner eigenen Erfahrungen bringt er es nicht übers Herz sie zurückzuweisen. Das gefällt uns sehr gut, denn es zeigt Kindern, daß es keinen Grund gibt, zu jemandem fies zu sein und ihn zu ärgern, nur weil er anders ist. So wie Robin es nicht leiden kann, wie der gemeine Freddy mit ihm umspringt, muß er den Frust nicht an der unschuldigen Imogen ausleben. Ein sehr schöner Gedanke, der uns Robin noch mehr ans Herz wachsen lässt. Im Auftaktband spielt sie eine relativ untergeordnete Rolle, doch wir sehen großes Potenzial für dieses Mädchen dessen großes Herz vielleicht nur noch von ihrem Hirn überragt wird. 

Mit Melvin an seiner Seite beobachtet Robin merkwürdige Vorgänge, die er sich nicht erklären kann. So wird nachts immer wieder in das Antiquariat eingebrochen, aber Miss Polly weiß nicht, ob überhaupt etwas gestohlen wurde, weil bei ihr solches Chaos herrscht. Bis sie bei einem Einbruch schwer verletzt wird. Das ist natürlich für die zwei Freunde ein echter Grund Ermittlungen aufzunehmen, mit denen sie leider auch nicht so recht vorankommen. Bis Melvin seine Prüfungsaufgabe erhält, dann wird es echt aufregend und auch richtig gefährlich. Bei diesem gefährlichen Abenteuer werden Fiktion und Wahrheit fröhlich vermischt. Es werden historische Ereignisse mit mysteriösen Vorgängen in der Monsterwelt erklärt. Für die jungen Leser aber ein prima Anlass mal selbst nach diesen historischen Ereignissen zu forschen, oder wenigstens die Eltern zu fragen, was das denn damals war und was offiziell die Erklärung dafür war. Sehr originelle Erklärungsansätze, werden mit sehr menschlichen Reaktionen und absurden Situationen verbunden. Das ist sehr abwechslungsreich und z.T. sehr spannend oder witzig. Im Mittelteil hatte es allerdings kleinere Längen, aber nicht so sehr, daß wir die Lust am Lesen verloren hätten. Die kleinen schwarz-weißen Vignetten von Max Meinzold sind sehr witzig und fangen die Stimmung sehr schön ein. Das Buch wird ab 10 Jahren empfohlen, aber wir finden, daß es auch gerade wegen der kleinen Illustrationen durchaus auch schon ab 9 Jahren geeignet ist. Diese Empfehlung gilt sowohl für Jungen, als auch Mädchen.

Autorin Andrea Martin wuchs in den USA, Österreich und Deutschland auf. Schon als Kind hatte sie den Verdacht, daß hinter den Dingen viel mehr steckt, als allgemein behauptet wird. In diesem fantastischen Debüt, kann sie endlich mal ein paar dieser Missverständnisse geraderücken auf sehr unterhaltsame Art und Weise.

Ein Auftaktband zu einer monsterstarken neuen Kinderfantasyreihe, der Lust auf neue monstermäßige Wahrheiten und weitere Folgen macht.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei cbj für dieses unterhaltsame Leseexemplar.