Samstag, 10. November 2018

Geschichten von Henriette und Onkel Titus, von Peter Hacks, gelesen von Carmen-Maja und Jennipher Antoni, Eulenspiegel Verlag



Geschichten von Henriette und Onkel Titus, von Peter Hacks, gelesen von Carmen-Maja und Jennipher Antoni, Eulenspiegel Verlag

Die 12 jährige Henriette lebt bei ihrem Onkel Titus. Gemeinsam sind sie ein eingespieltes Team und verstehen sich prächtig. Nur Nachbarin Frau Philipp mag Henriette gar nicht leiden. Ständig hat diese etwas an ihnen auszusetzen, da sie nicht leben und denken, wie Frau Philipp meint, daß „man“ es tun solle. Dummerweise vergisst Onkel Titus das eines Tages und willig ein, Frau Philipp zu heiraten. Henriette ist entsetzt und bittet ihren Freund den Tagedieb, den Sonntag zu stehlen, den Tag, an dem die Hochzeit stattfinden soll. Montags ist Frau Philipp dann fest überzeugt verheiratet zu sein und Onkel Titus merkt an ihrem Zeter, daß es wohl eine Schnapsidee war. Nachdem das Miteinander- und Übereinanderleben nun nicht mehr auf Dauer nicht mehr funktioniert, besteigen Henriette, Onkel Titus und der Tagedieb ein Segelschiff nach Brasilien. Um sich die Zeit der Überfahrt zu verkürzen, bittet der Kapitän sie, ihm jeden Tag eine Geschichte zu erzählen, über die er dann den Rest des Tages nachdenken möchte. So kommt es, daß die beiden ihm die aberwitzigen, märchenhaften Geschichten von Henriette und Onkel Titus erzählen, aufgelockert durch spaßig verrückte Gedichte.

Dies ist kein Hörbuch für den Massengeschmack, sondern märchenhafte Lyrik gepaart mit Schildbürger Witz, etwas Till Eulenspiegel und jede Menge Peter Hacks. Peter Hacks lebte von 1928 – 2003, war Dramatiker, Lyriker, Essayist und schrieb Kinderbücher. Als Kinderbuchautor wurder er mit dem Deutschen Jugendliteraturpeis für sein Gesamtwerk ausgezeichnet.

Onkel Titus ist Erfinder und somit ein Garant für echte Abenteuer, die ganz ungeheuerliche Auswirkungen haben können, wie eine Nähmaschine, die zur Denkmaschine umgebaut ist und Henriette fortan das Denken abnimmt. Auch wenn ihre größte Stärke die Phantasie ist, so hatte sie doch genug Verstand, um Leben und Schule zu meistern, bis sich sich das Denken abnehmen ließ. Der Verstand ist eine Maschine, nur durch seine Verwendung bleibt er in Schuss und muß von Zeit zu Zeit durch besonders knifflige Aufgaben geölt werden. Dies ist noch immer aktuell, denn wie sehr geraten Kinder heute in Versuchung, das Denken dem Internet zu überlassen, statt eigene Referate zu schreiben. Mit viel Augenzwinkern und hintergründigen Humor gehen das Onkel/Nichte-Gespann durch das Leben und erleben Merkwürdigkeiten, von denen man kaum zu Träumen wagt, die aber immer stets eine zeitlose Wahrheit enthalten.

Auf 15 Tracks sehr unterschiedlicher Länge, denn die Gedichte wie z.B. das von „Die Spazoren“ sind natürlich kürzer als die Geschichten von „Das musikalische Nashorn“. Mal exotisch, mal heimisch unterhält das Mutter Tochtergespann Carmen-Maja und Jennipher Antoni heiter und schmunzelnd mit viel Sprachschauspiel. Ihre Stimmen sind für uns noch unbekannt und daher nicht mit anderweitigen Rollen im Hörgedächtnis verankert. Man hört, daß sie gelernte Bühnenprofis sind, doch auch wenn Carmen-Maja eine tiefe Stimme hat, wollte es meiner Tochter nicht einleuchten, warum denn Onkel Titus nicht von einem Mann gesprochen wird, wenn es doch schon zwei verschiedene Sprecher sind, was wirklich gut gemacht ist. Das kann ich ihr auch nicht erklären, auch wenn ich mehr weibliche Präsenz auf der Bühne, dem Bildschirm und hinter den Mikrophonen durchaus begrüße. Im Inlet der CD erfährt man mehr über die zwei Sprecherinnen und auch über den inzwischen verstorbenen Autor. Eine Altersempfehlung spricht der Verlag auf dem Hörbuch nicht aus. Um die Ironie zwischen den Zeilen zu verstehen, sollten die Kinder aber unserer Meinung nach schon in der 3. Klasse sein. Jüngere Kinder werden die Geschichten für bare Münze nehmen, können aber dennoch Spaß an ihnen und den Gedichten haben, allerdings ohne die Metaebene begreifen zu können.

Ein Hörbuch für alle die Geist und Sinn für Unsinn gerne ölen und schmunzeln möchten und dabei Spaß an Lyrik und Märchenhaftem haben.

Freitag, 9. November 2018

Toi, toi, tot! Ein Hamburg Krimi, Ronny Rindler, books2read



Toi, toi, tot! Ein Hamburg Krimi, Ronny Rindler, books2read

In Hamburg, kurz nach der Premiere des neuen Musicals „Spring!“ im Operettenhaus, springt ein junger Mann singend und tanzend vor eine einfahrende U-Bahn, in der Station Rathaus. Als eine weitere Musicalbesucherin sich aus dem Fenster stürzt steht für das Boulevard Blatt Blitz! fest: dieses mieseste Musical aller Zeiten, über Selbstmordgedanken, treibt die Zuschauer in den Suizid. Nur Beeke, die Schwester des ersten Opfers, der nur durch großes Glück überlebte und die als Pförtnerin im Operettenhaus arbeitet, hegt Zweifel an der These. Ihr Bruder Jan hatte überhaupt keinen Grund sich das Leben zu nehmen, er war doch eigentlich mit ihr verabredet gewesen und wollte ihr unbedingt etwas erzählen. Dabei klang er eigentlich total glücklich und alles andere als lebensmüde. Doch je mehr sie ihre Nase in die Vorkommnisse steckt, desto verworrener und unheimlicher wird es ihr. Was verbirgt Jan vor ihr? Was wollte er ihr eigentlich unbedingt erzählen? Im Dunstkreis der Musicalproduktion ist jeder verdächtig, denn jeder kämpft um seine Wünsche und Träume. Wider Erwarten erhält Beeke Unterstützung bei ihren Ermittlungen von dem einstigen Star der Show, der mittlerweile unter geheimnisvollen Umständen ausstieg und nun eine Ausbildung in der Uniklinik zum Pfleger in der Psychiatrie macht. Noch ein Rätsel mehr für Beeke.

Ein sehr reizvolles Setting für die Ermittlungen, ein Blick hinter die Fassade einer großen, teuren gehypten Musicalproduktion. Man bekommt nicht nur einen Eindruck von dem Aufwand, der für immer neue Besucherrekorde sorgen soll, sondern auch davon, daß bisweilen es nur um Sensation und weniger um den Inhalt geht. Immer wieder spukt der Refrain der Erkennungsmelodie der Show durch die Köpfe der Protagonisten und durch die Seiten. Schnell, schrill, laut und auf Dauer nervenzermürbend! Das gibt einen sehr guten Eindruck von der wirklich hundsmiserablen Qualität des Stückes wieder, hat aber bisweilen auch deutlich an meinen Nerven gezerrt. Der Cast und die Technik-Crew sind sehr eigenen. Jeder scheint seine Geheimnisse zu haben und fast jeder gerät in den Fokus von Beekes Verdächtigungen oder zumindest ihrer Abneigung. Beeke selbst ist ein interessanter Charakter. Anfang 30, attraktiv ziemlich gut trainiert, wollte sie eigentlich Stuntfrau werden, bis ihn ihrer Ausbildung ihre damals beste Freundin verunglückte und vor ihren Augen starb. Diese Angst, dieses Gefühl der Hilflosigkeit ließ sie die Ausbildung abbrechen und sich hinter der Pforte des Operettenhauses verkriechen. Doch ihre Instinkte sind nun wieder erwacht und ihre draufgängerische Ader auch. Oft nervt es mich in Thrillern, wenn Privatpersonen ermitteln, spontan, aus der Situation heraus und sich dabei quasi als Superhelden entpuppen. Bei einer Stuntfrau machen aber viele Qualitäten einer guten Ermittlerin Sinn (klar, man denke nur an Colt Seavers, den legendären Kopfgeldjäger aus den 80ern) und sind plausibel. Ebenso nachvollziehbar der degradierte Polizeiobermeister, an seinem letzten Arbeitstag vor der Pensionierung. Er ist nun vogelfrei, ihm kann keiner mehr was sagen und er folgt seinem Bauchgefühl. Sönke, der ehemalige Musicalstar ist da schon ein undurchsichtigerer Charakter, der viele zu höchst unsympathische Eigenarten mit sympathischen Verhaltensweisen kombiniert. Er vermag beim Lesen zu polarisieren und zweifeln lassen. Das Motiv ist so unklar, wie auch die Frage, ob überhaupt ein Verbrechen vorliegt, oder ob es nicht doch nur Zufälle sind. Der Showdown ist sehr rasant, das Motiv wirklich überraschend, aber durchaus plausibel. Man muß genau lesen, um einigen Spuren nachgehen zu können. Da ich sehr genau gelesen habe, habe ich aus einen speziellen Grund den Täter/die Täterin ausgeschlossen. Dieser Punkt ist aber ansonsten niemandem in der großen Leserunde aufgefallen, was wahrscheinlich an meinem sehr speziellen optischen Wahrnehmungsvermögen liegt (ich bin ziemlich gesichtsblind).

Autor Ronny Rinder ist selbst gelernter Musicaldarsteller und kennt sich daher bestens in der Welt aus, über die er schreibt, dadurch kommen selbst die extremsten Personen immer noch überzeugend rüber. Lebendig, facettenreich, etwas überdreht, aber niemals eindimensional, eben voll das Leben.

Spannend und überraschend anders, aber auch etwas sprunghaft, was mir den Einstieg erschwerte.