Sonntag, 4. Juni 2017

Die Morde von Morcone, Stefan Ulrich, ungekürzt gelesen von Philipp Schepmann, Headroom



Die Morde von Morcone, Stefan Ulrich, ungekürzt gelesen von Philipp Schepmann, Headroom
Der Münchner Wirtschaftstrafrechtler Robert Lichtenwald flüchtet in seinem Sabbatjahr vor seinem vermurksten Privatleben in sein Landhaus in der idyllischen Maremma in der südlichen Toskana. Hier hatte er sich mit seiner Frau Stefanie in diesem scheinbaren Paradies, ein Refugium eingerichtet auf einem gräflichen Landgut, um ihre Ferien und den Lebensabend zu genießen. Doch vor lauter Arbeit ist sein Leben an ihm vorbeigerauscht und seine Frau davon gelaufen. Allerdings hängen Wolken über dem Paradies. Eine Mordserie, die mit dem Tod einer hermaphroditischen Prostituierten begann und dessen Opfer alle seltsame Buchstaben in die Haut geritzt bekommen haben, erschüttert bald die Gegend. Jeden Montag fürchtet sich schon bald die Bevölkerung davor, wo die nächste Leiche auftauchen könnte und wer das nächste Opfer ist. Statt sich seine Wunden zu lecken, ziehen ihn der Graf von Morcone und die ebenso attraktive, wie eigensinnige Lokaljournalistin und Schreibwarenhändlerin Giada Bianchi in die Ermittlungen hinein. Obwohl die Opfer scheinbar keinerlei Verbindungen untereinander hatten, zeichnet sich doch langsam ein bizarres religiös fanatisches Motiv ab. Doch wer könnte dahinter stecken?
Der Krimi beginnt gleich zu Beginn mit einem bizarren Mord. Dennoch ist er kein blutrünstiger Reißer, sondern ein atmosphärisches Bild dieser eher unbekannteren Gegend der Toskana, die noch nicht vom Massentourismus überrollt wurde. Die Beschreibungen der Landschaft und regionalen Eigenheiten nehmen jedoch nicht überhand, sondern zieren mehr die Ermittlungen des ungleichen Gespanns aus Robert Lichtenberg und der jungen Italienerin Giada. Als Einheimische, die nach einer privaten Bruchlandung mit ihrem Sohn wieder in die Heimat zurückkehrte, hat sie Verbindungen in die Reihen der Carabinieri. Aber es verbindet sie mehr mit den Fällen, denn irgendwie scheinbar es auch eine persönliche Verbindung zu geben. Doch was kann der ausgebrannte sich selbst bedauernde deutsche Wirtschaftsjurist mit dieser Todesserie zu tun haben? Mir gefiel gut, daß Lichtenberg sich nicht aus Langeweile begeistert in die Ermittlungen stürzt, sondern gegen seinen Willen verwickelt wird. Daß eine Journalistin, die sich in der Toskana langweilt und den wilden Zeiten in Rom nachtrauert, waghalsig den Spuren nachgeht, ist für mich deutlich nachvollziehbarer. Dennoch sind die zwei ein gutes Gespann. Sie ergänzen sich in ihren sehr unterschiedlichen Temperamenten und Giadi gibt Lichtenberg etwas von seiner verlorengegangen Leichtigkeit und Energie zurück.
Die Suche nach dem Täter ist vor allem mysteriös und geheimnisvoll. Es werden Spuren gelegt, Verdächtige verhaftet und wieder laufen gelassen. Die ermittelnden Beamten spielen eher am Rande eine Rolle, als würden die Carabinieri, die in Italien wohl keinen allzu guten Ruf haben, eher als running gag in ihrer Ineffizienz auftauen. Trotz aller Möglichkeiten und Mittel, kommen sie der Lösung nicht näher, da sie zu eingefahren denken. Diese Taten eines Fanatikers sind jedoch für normale Menschen nicht nachvollziehbar. So zieht sich die Schlinge immer enger um Lichtenberg und Giadi, ohne dass sie es merken und es kommt zum spannenden und dramatischen Showdown.
Stefan Ulrich ist ein sehr atmosphärischer Toskana Krimi gelungen, der trotz der heftigen Morde dennoch eine ländliche Ruhe ausstrahlt. Sprachlich elegant und mit philosophischem Esprit gewürzt, durch die Gespräche mit dem hochgebildeten Grafen und dessen Eremiten, ist dem Autor mit diesem ersten Fall des frustrierten Münchner Wirtschaftsjuristen in der Toskana ein interessanter Krimi, jenseits der Masse gelungen.
Philipp Schepmann, der mir bislang vor allem als Sprecher der Hörbücher des Kleinen Drachen Kokosnuss bekannt war, liest mit angemessener Betonung und warmer Stimme. Für mich mit rudimentären Italienisch Aussprachekenntnissen klingen seine zahlreichen Zitate/Sätze und Namen sehr authentisch gesprochen, sehr melodisch. Allerdings liegt hier auch die Crux. Es ist schon eine Vielzahl von Personen, die jetzt nicht alle Einheitsnamen wie Anna, Maria, Pepe oder Guiseppe tragen. Ein Personenverzeichnis im Inlay hätte mir sehr geholfen, mich mit der Vielzahl an Personen zu Recht zu finden. Gerade die Carabinieri, deren Dusseligkeit der Auflockerung der Stimmung dienen sollten, habe ich durcheinander geworfen, weil ich ihre Namen nicht lesen konnte. Hierdurch wurde für mich ein wenig Potenzial verschenkt.
Sehr gut gefallen hat mir aber neben der angenehmen Stimme des Sprechers, die gute Taktung der Tracks zum Wiedereinstieg (wenn mal wieder jemand in die Küche stürmt, während ich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinde) hat mir ebenso gefallen, wie die hervorragende Balance der Lautstärke. Nachdem das bei meinen letzten Hörbüchern leider nicht immer der Fall war, ist mir hier wieder aufgefallen, wir super angenehm und praktisch es ist, wenn man die gesamte Geschichte mit einer einheitlichen Lautstärke durchhören kann.
Ein guter interessanter und spannender Toskana-Krimi, den ich gerne mit 4 von 5 Sternen weiterempfehle.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei den headroom sound productions für diese anregende Unterhaltung, die ich rezensieren durfte.

Samstag, 3. Juni 2017

Mord auf Entzug, Werner Gerl, Allitera



Mord auf Entzug, Werner Gerl, Allitera
Die burschikose Kommissarin Irene Rosen ist seit 5 Jahren von ihrem Ex-Mann Karl, einem untreuen korrupten jetzt Ex-Polizisten getrennt. Ihre Onlinedates sind sehr ernüchternd und nüchtern wohl nur schwer zu ertragen, daher hört sie das Telefon nicht, als sie zum Einsatz in die Nobelentzugsklinik Katharsis gerufen wird. Ihr gedanklich schon pensionierter Kollege übernimmt den frischen Tatort rund um den Leichnam des ermordeten Klinikleiters und als sie mit deutlicher Verspätung dort ankommt, scheinen sich ihre schlimmsten Befürchtungen zu bewahrheiten. Neben der alternden Diva Lola Ries trifft sie dort auch auf den Verschwörungsautor Ferner, Popstar und Frauenschwarm Thommy Martin und ihren damaligen Trennungsgrund Topmodel Diana Hofer. Obwohl sich die vier Patienten gegenseitig nicht ausstehen können verbünden sie sich jedoch gegen die toughe Kommissarin, deren Zuspätkommen anhand des Knutschflecks am Hals Anlass für lautstarke Spekulationen gibt. Wie gut, daß der neue Kollege Andrea Popolo dies nicht miterleben muss, da er vorerst der trauernden Witwe einen Besuch abstatten soll und anschließend deren Anwalt. Auch wenn die Witwe ein wasserdichtes Alibi hat, so scheint mit ihr etwas nicht zu stimmen. Dafür verrät die Klinikpsychologin Irene Rosen sofort, was wohl ihrer Meinung nach nicht mit ihr stimmt. Daran hat die Kommissarin erst einmal zu knabbern, während sich der Kommissaranwärter Popolo über einen Undercovereinsatz hautnah an seinen Lieblingspromis freut.
Kommissarin Rosen ist burschikos und hält alle durch Ironie auf Distanz. Dennoch finde ich sie sehr liebenswert und mag ihren Humor, er ist so angenehm anders, als dieses Gezicke zwischen den weiblichen Patientinnen des Kartharsis oder die Übersexualisierung der lustigen Witwe. Besonders gefallen hat mir, daß sie auch bereit war sich selbst in Frage zu stellen. Und wenn sie einmal eine Witterung aufgenommen hat, lässt sie nicht locker, sehr zum Missfallen des Herrn Kriminalrats.
Ich hatte ja bei diesem Buch etwas Angst, es könnte so Clichée überladen sein, daß es mich so langweilen würde wie die Filme Rossini und Late Night Show. Zum Glück war dem nicht so.
Auch wenn die süchtigen Promidamen natürlich die gängigen Vorurteile bedienen, sind sie dennoch keine Abziehbilder, sondern klar charakterisiert, wenn auch nicht sehr sympathisch.
Lola Ries würde mir im wahren Leben wohl total auf den Geist gehen, aber hier finde ich ihre Sprüche doch bisweilen sehr lustig.
Es sind aber auch Kleinigkeiten, die mir an diesem Buch so gefallen. Als Irene Rosen sich auf Anraten der Psychologin Laura Groß versucht auf ihre weibliche Seite zu besinnen, folgen interessante Gedanken zu Make up, Maniküre und Styling. Die ließen mich grinsen. Gibt es wirklich Männer, die auf künstliche Nägel stehen? Wahrscheinlich schon, denn wie dieses Buch zeigt, ist ja auch der Geschmack hinsichtlich des bevorzugten Frauentyps zum Glück nicht bei allen Männern gleich.
Aber nein, dies ist nicht unbedingt ein Frauen Krimi, anfangs dachte ich gar, es sei ein echter Männerkrimi.
Sehr gut fallen hat mir, daß alle Dreck am Stecken haben. Dadurch sind die Fährten sehr verwirrend, die Kommissarin muß ermitteln, welche verwirrenden Ungereimtheiten oder Indizien zu welcher Tat oder welchem Geheimnis gehören. Im Katharsis lauert das Böse quasi hinter jeder Ecke und auch wenn die Kommissarin eigentlich „nur“ einen Mord aufklären soll, findet sie noch deutlich mehr größere und kleinere Straftaten. Dabei befällt mir, daß die Taten nicht nur von den Promis begangen wurden und nicht einfach weil Promis böse und überheblich sind. Es ist oft die Sucht die aus Verzweiflung oder vermeintlicher Ausweglosigkeit zu den Taten trieb.
Ein wirklich toller Krimi der von mir ganz klar 5 von 5 Sternen erhält, von denen ich aber leider einen wieder abziehen muss, weil die Druckqualität, das Lektorat und das Einbandmaterial qualitativ zu wünschen übrig lassen. Druckfehler kommen in fast allen Büchern vor, aber hier standen öfters mal falsche oder zu viele Wörter (Wortverdoppelungen) in einem Satz. Das hat gerade bei der spannenden Aufklärung echt genervt, daher „nur“ gute 4 von 5 Sternen für einen 5 Sterne Krimi.