Freitag, 28. Februar 2020

So ein verflixtes Erbe! Andrea Schomburg, Illustrationen Maja Bohn, Hummelburg Verlag



So ein verflixtes Erbe! Andrea Schomburg, Illustrationen Maja Bohn, Hummelburg Verlag

Malina ist 12 Jahre alt und liebt ihren Opa sehr. Der alte Karnevalist ist immer für einen Scherz und eine Überraschung gut. Als er stirbt ist selbst die Beerdigung anders als andere und das Testament erst recht. Dieses verfügt, dass Malinas Familie die halbe großväterliche Villa erbt, sofern sie mit Tante Rosemarie und deren Sohne Alexander (bald 13) dort einziehen. Von diesen Verwandten hat Malina noch nie was gehört! Aber bei der Beerdigung sahen sie schon so komisch aus, dass es nicht ganz so erstaunt, dass ihr etwas exzentrischer Erfindervater sich mit seiner esoterischen Schwester nicht so gut versteht. Doch der Umzug kommt für beide Seiten gerade recht und man kann sich ja aus dem Weg gehen, denken sie sich. Malina liebt das Haus sofort, dass Alexander aber ausgerechnet in ihre Klasse kommt, findet sie weniger gut. Muss er immer so ein Klugscheißer sein und sich dann auch noch mit dem Mathemies anlegen, weil er alles besser weiß? Dieser Mathelehrer ist auch der Grund, warum eines Vormittags Malina und Alexander beide unerwartet zu Hause sind und sich dadurch alles ändert...

Eine sehr schöne Geschichte, über Familie, Andersartigkeit und Gemeinsamkeit und daher auch Toleranz. Dabei ist sie witzig erzählt und sobald der Krimiteil beginnt, richtig spannend. Die Kapitel sind sehr schön kurz, so dass auch jeder Lesemuffel mal brav ein Kapitel lesen kann, ohne dass es ihn überanstrengt und vielleicht noch freiwillig eines anhängt. Denn jedes Kapitel beginnt mit einer Überschrift, die klarstellt aus wessen Sicht die folgenden Seiten geschildert werden, Malina oder Alexander und untendrunter steht in kleinerer Schrift eine kleine neugierig machende Andeutung, auf das, was da kommen mag.

Sehr schön finde ich den Gedanken, dass so eine Beerdigung auch ein Anfang sein kann und dass diese so fröhlich ist, weil der Opa ja immerhin fast 100 geworden ist und damit viel Zeit für Unfug und Scherze hatte, an die man sich erinnern kann. So kann man mit einem Lächeln auf den Lippen Abschied nehmen. Den größten Scherz hat sich Opa aber bis zum Schluss aufbewahrt und bis seine Familie dahinter kommt, dauert es noch eine Weile und es wird richtig turbolent.

Mit viel Liebe sind die bisweilen recht skurrilen Charaktere ausgearbeitet, immer kurz davor, sie in ihrer Eigentümlichkeit zu verspotten, aber doch nicht ganz, denn irgendwie spürt man schon beim Lesen, dass die Autorin jedes ihrer geistigen Kinder liebt, die Esotheriktante ebenso wie den scheinbar rein rationalen Vater.... Aber der Schein kann trügen und jeder macht sich ja gerne mal was vor. Auch die Kinder, die dann aber, als Not an Mann ist, zusammenhalten und sich endlich gegenseitig eine Chance geben. Der Krimiteil wird somit spannend, denn es sind wirklich Aktionen, die im Bereich der Kinderlogik und des Möglichen liegen, als auch wirklich altersgerecht, da die Handlungen für Kinder nachvollziehbar sind. Man merkt aber auch, dass es echt schwierig ist in Zeiten von Handys und Festnetz einen spannenden Fall zu entwickeln, da hilft eigentlich nur noch menschliche Schwäche. Von dieser ist hier mit einem kräftigen Augenzwinkern eine Menge zu spüren und so kann man mit viel Spaß das Buch genießen und sich über das rundumgelungene Happy End freuen.

Ein sehr schönes Kinderbuch, über das was bleibt wenn einer geht und was man gewinnt, wenn man aufeinander zu geht.

Donnerstag, 27. Februar 2020

Lacroix und die Toten vom Pont Neuf, Alex Lépic, gelesen von Felix von Manteuffel, DAV, 5 CDs 6 h 18 min. ungekürzt



Lacroix und die Toten vom Pont Neuf, Alex Lépic, gelesen von Felix von Manteuffel, DAV, 5 CDs 6 h 18 min. ungekürzt

Commissaire Lacroix ist der wohl bekannteste Ermittler von Paris und seine Schrullen sind legendär, ebenso wie sein Spitzname Maigret. Ja, er liebt seinen Mantel, seinen Hut und seine Pfeife, gutes Essen und seine Frau, die Bürgermeisterin des 7. Arrondissement. Vor allem liebt er es sich in die Fälle hineinzuspüren und sie mit Köpfchen, statt mit Technik zu lösen. Von Technik hält er wenig, allen voran von Handys, sie nehmen einem die Ruhe zum Nachdenken, wenn man immer und überall erreichbar ist, handelt oder redet man auch bisweilen ein wenig vorschnell. So sind seine Eigenheiten und Routinen bekannt und wer ihm etwas mitteilen möchte hinterlässt eine Nachricht in den Bistros und Bars in denen er regelmäßig verkehrt. Dabei kann er Informanten auch gleich mit einem guten Essen auf Kosten der Préfecture bezahlen. In diesem Fall gibt es eine Menge von ihnen, die schon lange nichts Gutes mehr auf einen Teller bekommen haben. Denn ein Clochard Mörder scheint unter Pont Neuf umzugehen, so wie damals vor 30 Jahren. Doch Lacroix hat auch dann noch Zweifel an der These, als ein weiterer Clochard und ein versoffener Handwerker am Ufer der Seine ermordet werden.

Lacroix vertraut auf sein Bauchgefühl und damit dieses ihn nicht trügt, muss er es regelmäßig füttern, meistens in stilvollen oder urigen Pariser Lokalen, denn seine Frau kann bei weitem nicht so gut Kochen, wie die von Maigret, aber selbst Dominique ist nicht perfekt. Während ganz Paris in Hysterie verfällt, behält Lacroix einen kühlen Kopf. Er wägt die Gemeinsamkeiten der Toten und die Unterschiede ab, die der Presse zu entgehen scheinen. Bis zur Lösung des Falles, will er sich nicht festlegen, sondern bleibt für alle Möglichkeiten offen, insbesondere, da sich so kleine Ideen in seinem Gehirn verbeißen, sich aber für lange Zeit nicht so recht zeigen möchten. Mit Entschleunigung lassen sich solche Gedankenblitze besser packen, daher ist er ein leidenschaftlicher Fußgänger, der beim Fahrstil seiner Mitarbeiter regelmäßig zu beten beginnt, auch wenn das eigentlich der Job seines Zwillingsbruder Pierre Richard, einem Priester ist. Da Lacroix die Métro meidet und meist zu Fuß oder mit dem Bus unterwegs ist, bekommt man eine Menge des Pariser Flairs und seiner schönsten Ecken mit. Man taucht mit ihm mitten ins Pariser Leben ab, nicht nur Bistros und Restaurants, auch die Kirche, die Pont Neuf, unter der sich nachts die von der Gesellschaft verstoßenen versammeln, das noch immer nach einem Brand geschlossene Nobelkaufhaus Samaritaine, die Seine... es vermittelt einem das Gefühl von Urlaub für die Ohren. Auch wenn Lacroix mit moderner Technik nichts anfangen kann und er nicht gerne Auto fährt, ist dies kein Cosy Crime und auch nicht altmodisch. Es ist ein Krimi im klassischen Stil, aber mit modernen Problemen und Verbrechen, tradiert und doch auch zeitgemäß. So wird immer wieder auf Aufnahmen von Überwachungskameras zurückgegriffen, die allerdings nachts in dunklen Ecken die fehlenden Augenzeugen nicht ersetzen können. Da passt Sprecher Felix von Manteuffel prima als Sprecher. Wie Lacroix ist er nicht mehr ganz jung, aber alles andere als tatterig, flexibel und immer für eine Überraschung gut. So klingt der erfahrene Schauspieler ganz nach einem französischen Bon Vivant mit Esprit, oder eben nach einem kasachischen Ganoven, einem eingewanderten Mechaniker, einem Priester.... Er ist ausgesprochen vielseitig, ohne zu übertreiben, sondern trifft genau den Ton. Dabei klingt er lebendig und vermag die Stimmung einzufangen und das Kniffelige und kaum Lösbare hörbar zu machen. Ein richtig interessanter Fall mit mindestens ebenso interessanten Charakteren und jeder Menge Pariser Flair. Es hilft sicherlich, wenn man wenigstens ein bißchen Französische spricht, um sich die Namen und Orte besser merken zu können.
 
Autor Alex Lépic wurde 1980 in Paris geboren, wuchs in Deutschland auf und fährt so oft wie möglich nach Paris, wo stets ein Zimmerchen auf ihn wartet. An seinen neuen Fällen arbeitet er dann aber doch lieber in den dortigen Cafés.

Ein kniffliger Krimi mit viel französischem Flair, hervorragend gelesen, den ich sehr gerne weiterempfehle.

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Der Audio Verlag für mein Rezensionsexemplar. 

Hier findet Ihr eine Hörprobe: