Mittwoch, 17. Juli 2019

Ahrweinkönigin, Ahr-Krimi, Gabriele Keiser, Gmeiner Verlag



Ahrweinkönigin, Ahr-Krimi, Gabriele Keiser, Gmeiner Verlag

In dem heißen Spätfrühling 2018 macht Kommissarin Franca Mazzari mit ihrer jungen Kollegin Clarissa und der etwas älteren Karin einen Ausflug ins Ahrtal, ohne zu ahnen, dass sie diese Strecke von Koblenz aus in der nächsten Zeit noch oft werden fahren müssen. Alljährlich findet im Ahrtal die Wahl der Weinkönigin statt, die das Ahrtal national und international vertreten soll. Pfingstfreitag wurde für die mindestens ebenso charmante wie beliebte Melanie Dellinger ein Kindheitstraum wahr. Doch nur wenige Tage nach ihrem Sieg, wurde die attraktive junge Frau nicht mehr gesehen. Niemand nimmt die Sorgen ihrer gluckenhaften Mutter ernst, bis Melanie von Geocachern tot in einem abgelegenen Teil der Ahr tot aufgefunden wird. War es ein Unglücksfall oder doch ein gewaltsamer Tod? Noch ehe die Todesursache fest steht, hören sich die Kommissarinnen um. Sie stoßen auf eine komplizierte Mutter-Tochter-Beziehung, aber keine Neider, nur Bewunderer, für die fröhliche, hilfsbereite und aktive junge Frau.

Dies ist ein Ahr-Krimi, der wirklich wunderbare Eindrücke zu Geschichte, Geographie, Weinanbau und kulturellen Besonderheiten des idyllischen Ahrtals vermittelt. Doch bei aller Ahr-Romantik geht es um viel mehr. Es geht ums Denken und Besinnen. Es geht um Geschichte, die sich nie wiederholen soll und doch fangen kleine böse Gedanken schon wieder an, sich in den Köpfen festzusetzen, zumindest versuchen sie es, wenn man sich nicht dagegen wehrt. Sehr eindrücklich beschreibt Gabriele Keiser, wie leicht es den meisten fällt, sofort den afghanischen Schützling des Opfers zu verdächtigen. Einfach weil es so einfach ist und die Schuld so schön weit weg weist. Dabei wird angeregt über die Wurzeln nachzudenken und die aktuelle Situation in Afghanistan, über die sich die meisten Menschen nicht genug informieren, oder sie sich nicht genug Gedanken machen, was Flucht und Neuanfang für die Betroffenen aus den Krisensituationen bedeutet. Nachplappern ist einfacher, als selbst zu denken. Das findet sich auch im Ermittlungsstab wieder. Denn die Kommissarinnen Franca und Clarissa treffen nicht nur auf Vorurteile Flüchtlingen gegenüber, sondern auch Frauen. Aber da sind die Kollegen bei ihnen an der falschen Adresse. Sehr sympathisch, wie die zwei unterschiedlichen Frauen sich ergänzen und es durch gegenseitige Achtung und Respekt vor der Erfahrung und der Kenntnis der technischen Neuerungen es somit wirklich weit bringen. Während die junge, unangepasste Clarissa sich mit Dingen wie Geocaching, Instagram, Scramming und Co. auskennt, verfügt Franca über einen großen Erfahrungsschatz aus vergangenen Mordfällen, hat schon viel gesehen und gelesen und kann auch auf großes geschichtliches Wissen zurückgreifen, welches diesen Roman sehr bereichert. So konnte ich mal wieder eine Menge über meine Heimat lernen, obwohl ich gerade diesen Ahrsteigweg schon gegangen bin. Oh ja, er ist nicht ohne und mutet bisweilen alpin an und ist anstrengend. Nicht unbedingt eine Rentnerrunde aber sehr erlebnisreich und beeindruckend. Absolut treffend beschrieben. Die historischen Denk- und Mahnmäler werden wir aber noch aufsuchen. Der beschriebene Regierungsbunker ist übrigens wirklich eine Reise wert! Aber keine Sorge, dieser Roman ist wirklich ein Kriminal-Roman und kein Werbeprospekt des Fremdenverkehrsamtes. Was ich diesmal wieder sehr überzeugend fand, war die logische und psychologische Schlüssigkeit der handelnden Personen. Ich kann nachvollziehen, wenn auch nicht nachempfinden, warum tat, was getan wurde und der Tathergang ist schlüssig und logisch. Durch den Dialog zwischen Franca und Clarissa lernt man aber nicht nur die Gegend und ihre Geschichte kennen, sondern ältere Leser bekommen von Clarissa, ebenso wie die ahnungslose Franca, klar und verständlich „neumodischen Schnickschnack“ wie Geocaching und die Gefahren der social media erklärt.

Gabriele Keiser nimmt einen mit in die Abgründe unsicherer Seelen. Hinter manch scheinbar unauffälligem Mitbürger vermag es doch zu brodeln, durch Qualen in der Kindheit oder Überempfindlichkeit und vermeintliche Verletzungen. Dabei überzeugt dieser Krimi sowohl durch seine elegante Sprache, als auch durch seine interessante Struktur. Während man den Kommissarinnen bei den Ermittlungen über die Schulter schaut und auch der Mutter und der Familie ihrer besten Freundin in die gute Stube, weiß der Leser aber noch mehr. Er liest die geheimen Nachrichten, die Melanie auf ihrem Handy hatte, das Handy, das verschwunden ist, wie auch ihre Schlüssel. Eine Kommunikation, die immer persönlicher wird und von Melanie streng gehütet wurde. Hierdurch wird man immer wieder daran erinnert, dass doch jeder Mensch, egal wie gut wir ihn zu kennen glauben, seine Geheimnisse hat. Geheimnisse, die zum Tod führten oder nur das Leben spannender machten?

Überzeugend und tiefgründig vermochte mich der siebte Fall von Franca Mazzari wieder voll zu überzeugen, nachdem ich den sechsten Fall etwas schwächer fand, aber auch nicht schlecht. Er ist übrigens auch für Neueinsteiger der Reihe geeignet.

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Gmeiner Verlag für dieses anregende und spannende Rezensionsexemplar.

Dienstag, 16. Juli 2019

Achtsam Morden, Karsten Dusse, gelesen von Matthias Matschke Random House Audio 7 h 22 min gekürzt


 

Achtsam Morden, Karsten Dusse, gelesen von Matthias Matschke Random House Audio 7 h 22 min gekürzt

Björn Diemel ist nun seit 10 Jahren Strafverteidiger in einer mittelgroßen Kanzlei, dennoch ist er noch immer kein Partner, andere, die nach ihm kamen aber schon. Gut, Diemel hat nur einen Mandanten Dragan, mit viel Geld. Er bezahlt auch, aber dafür hält er Björn Tag und Nacht auf Trab und gut für's Image ist so ein Boss der o.K. (organisierte Kriminalität) nicht. Das findet auch seine Frau Katharina, die die Nase voll davon hat, daß der Verteidiger per Handyanruf bei Fuß stehen muss und sich doch sehr verändert hat (ob sie sich auch verändert hat, fragt sie aber nicht). So ein Gesocks will sie nicht in der Nähe ihrer Tochter haben. Das muss sich ändern, Björn muss sich ändern. Wenn die Ehe noch eine Zukunft haben soll, soll er Achtsamkeitskurse besuchen. Widerwillig und deutlich zu spät taucht er bei seinem Coach auf. Aber klar, noch sind ihm die Regeln der Achtsamkeit kein Begriff, doch er lernt schnell. Noch schneller findet er Gefallen daran und versucht sie zu Gunsten seiner Work-Life-Balance auf alle Bereiche seines Lebens zu übertragen. Daher trennt er sich erst mal von seiner Frau und führt Zeiten nur für seine Tochter ein. Aus Unachtsamkeit vergisst er jedoch einmal das Handy auszustellen und Dragan hat kein Verständnis für die Papizeit. Da muss er halt am eigenen Leibe spüren, was sein Anwalt für Fortschritte gemacht hat, denn Achtsamkeit hilft bei allem, auch beim Morden!

Zu Beginn finde ich die Beteiligten alle sehr unsympathisch, bis auf Diemels Tochter. Doch der Kollege lernt und verinnerlicht das Gelernte. Dabei erklärt er die Regeln dann auch ganz verständlich für die Hörer, wenn auch an bisweilen völlig absurden Beispielen. Ja, ich gebe zu, ich konnte bislang mit diesem Begriff nichts anfangen, irgendso ein fancy-life-style-Begriff... Eigentlich soll man sich auf das Wesentliche konzentrieren und dem, was man gerade tut, seine volle Aufmerksamkeit schenken, dabei vermeidet man auch Fehler. Dummerweise ist Björn bei der Beseitigung seiner ersten Leiche mal kurz unaufmerksam und schon entstehen die Probleme. Ja, die erste Leiche, denn es werden ganz schnell mehr! Wenn man erst mal anfängt, gibt es kein Halten mehr, könnte man meinen, aber nein, so ist es nicht. Er ist einfach in eine ganz dumme Situation hineingeschlittert und nun ist sein Leben bedroht, von echten Profis. Das kann er doch nicht einfach so auf sich zu kommen lassen. Als planvoll strukturierter Mensch, sieht er die Gefahren kommen und entwickelt ganz wertfrei erstaunliche Lösungsansätze. Dabei geht es nicht nur darum den Mord zu vertuschen, den Streit mit seiner alten Kanzlei zu seinen Gunsten zu drehen, sondern auch noch nebenbei seiner Frau und seiner Tochter was Gutes zu tun und den Geschäftsbereich der Organisation dann doch mehr in eine erfreulichere Richtung zu schieben....

Karsten Dusse ist Rechtsanwalt und kennt die Leiden dieses Standes. Die Absurdität dieser Kanzleien beschreibt er wunderbar und sehr treffend, ebenso wie die wirtschaftlichen Zusammenhänge des hippen Startups für Weltverbesser. Überhaupt bringt er die Dinge auf dem Punkt, nur eben mit bisweilen einem sehr schrägen Blickpunkt. Das macht es sehr vergnüglich. Kein Wunder, immerhin hat er auch schon den Deutschen Comedypreis gewonnen! So ist ihm ein herrlich schräger Mordsspaß gelungen. Die meisten lustigen Krimis sind ja eher gemütlich. Das ist dieser nicht. Hier fließt Blut, da fliegen menschliche Teile und die Handgranaten werden großzügig eingesetzt. Klar, schließlich gibt’s die ja zum Einkaufspreis. Also nicht unbedingt etwas für zarte Seelen, aber sehr schwarzer Humor, wenn auch moralisch nicht ganz korrekt. Aber was kann man von einem Anwalt schon anderes erwarten? Großes Vergnügen bereitet es einfach Matthias Matschke zu zu hören, wie er seine Beobachtungen von sich gibt und dabei nicht für jeden (weniger achtsamen Menschen) offensichtlicheSchlüsse zieht. Gekonnt spielt er mit der trockenen Überlegenheit des analytischen Anwaltsverstandes, in bedächtig nachdenklichen Ton, der bisweilen auf den brutal, hitzigen Prollton des Mafioso trifft. Doch auch Luxus-Muttis, vermeintliche Weltverbesserungshipster und Sekretärinnen bekommen ihr Fett weg! In seiner achtsamen Anwaltsstimme klingt er dabei ganz ruhig und besonnen. Da er jedoch auf ganz unterschiedliche Menschen trifft, wird es nie monton, denn auch diese vermag der Comedian und Schauspieler gekonnt zu intonieren. Schade nur, daß er nicht immer die gleiche Lautstärke beibehält, man kann dieses Hörbuch daher schlecht ganz leise hören. Es sind aber keine starken Schwankungen, also durchaus autotauglich.

Am Ende weiß man den Achtsamen in seinem neuen Leben angekommen und in sich ruhend. Fragt sich nur, ob noch weitere achtsame Morde von Hörern und Lesern bezeugt werden können?

Nicht unbedingt ein Familienhörbuch und vielleicht auch nicht für die Tee-Damen, aber herrlich schwarz und unkorrekt.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Random House Audio und dem Bloggerportal für diesen rabenschwarzen Spaß.