Sonntag, 30. Juni 2019

Die Spürhasen Bande (2) – Das Rätsel um die verschwundene Liebe, Karsten Schäfer, Hörspiel, Eulenberg Verlag



Die Spürhasen Bande (2) – Das Rätsel um die verschwundene Liebe, Karsten Schäfer, Hörspiel, Eulenberg Verlag

Die Spürhasen Bande hat nun den magischen Spiegel repariert, mit dem sie durch Zeit und Raum reisen können. Jetzt sprühen sie vor Tatendrang und suchen nach neuen Abenteuern und Geheimnissen, denen sie auf den Grund gehen können. Als sie hören, daß der Eulerich Bartholomäus seiner seit 1983 verschollenen Liebe Gwendolin nachtrauert, beschließen sie herauszufinden, was damals mit der Eulendame passiert ist. Dafür reisen sie mit dem Spiel nach Frankfurt am Main, wo Bartholomäus früher wohnte. Dabei beobachten die tierischen Freunde auch, wie sich Frankfurt im Laufe der Jahrhunderte verändert hat und lassen sich alte Sagen über heute noch markante Gebäude im Stadtbild, tripp der Bach und hipp der Bach (links und rechts des Mains) erzählen.
 
Neugier macht schlau, vor allem wenn man fragt und zuhört. So stolpern die Freunde in Frankfurt am Main immer wieder auf Hinweise auf alte Frankfurter Legenden und Ausdrucksweisen und historische Begebenheiten wie die Kaiserkrönungen.

Die Spürhasen besuchen erst einmal den Cousin ihres alten Fledermausfreundes, der sie direkt mal mit der Nase auf die erste spannende Legende stößt. So startet ihre Reise durch die Zeit, um dem Ursprung der Sage und noch einiger anderer auf den Grund zu gehen, bis sie genug von Frankfurt gehört und gesehen haben, um sich wieder ihrer eigentlichen Aufgabe zu widmen: Gwendolin zu finden! Die traurige Liebesgeschichte nimmt also keinen allzu großen Raum ein uns ist daher auch für Kinder nicht langweilig, oder gar eklig. Dafür lernen sie was Legenden sind und dürfen auch einigen spannenden Stadtlegenden lauschen. Bei manchem Kind wird es sicher auch Interesse an der eigenen Stadtgeschichte wecken. Der berühmteste Sohn der Stadt, Johann Wolfgang von Goethe wird auch kurz mit Faust zitiert, aber das Hauptaugenmerk liegt wirklich auf der Stadt, was ich wirklich mal ein interessantes neues Konzept finde, da es ja schon einige Zeitreiseabenteuer für Kinder gibt.

Gerade durch die Vertonung mit vielen Stimmen und Geräuschen als Hörspiel ist es auch für Kinder ab 5 Jahren spannend. Sollte etwas noch ein bißchen schwieriger sein, wird es spätestens in der Wiederholung verständlich. Das bestätigen mir meine Nachbarskinder von 8-3 Jahren, die das Hörspiel alle 3 gerne auf der Autofahrt und anschließend hoch – und runter gehört haben. Hierbei gefiel ihnen, daß das Kind Anna auch wirklich von einem Kind und nicht von einem verstellten Erwachsenen übernommen wird. Dabei wirken aber alle Stimmen wirklich authentisch und überzeugend, auch wenn die Sprecher schon jedes tierische Alter überschritten haben. 
 
 
Ich fand es sehr spannend mit den Spürhasen Frankfurt zu erkunden. Meine letzte Führung durch Frankfurt war in meiner Grundschulzeit und ich kann mich nur noch an den Römer erinnern, nicht genug um bei meinen Kindern Eindruck zu schinden. Ganz sicher werden wir diese CD auf der Fahrt zur nächsten Buchmesse hören und nach Schließung der Tore noch die eine oder andere Sehenswürdigkeit bewundern.

Sehr ansprechend ist auch wieder die Aufmachung des Hörspiels. Im beiliegenden Booklet findet man nicht nur die verschiedenen Hörspielsprecher, inklusive Nachwuchstalent Selma, die die kleine Anna spricht, sondern auch die Spürhasen und ihre Freunde mit Bild und kurzer Vorstellung. Eine Doppelseite später findet man dann Bilder mit kurzen Erläuterungen um die Bauwerke und Sagen, die sich die Spürhasen ansehen. Das ist sehr praktisch, da ich mir z.B. den Neuner in der Wetterfahne des Eschenheimer Turms nicht so recht vorstellen konnte. Die Detailvergrößerung macht es aber völlig klar und zeigt auch, was der Wilderer für ein hervorragender Schütze gewesen sein muss.
Die letzte Seite des Booklets ziert die Tracklist und die 7 Wild- und Gartenkräuter die die typische Frankfurter Sauce ausmachen. Wie diese ansonsten zubereitet wird und wozu man sie isst, wird dort nicht verraten! Es ist eine kalte Sahnesauce, die zu kaltem Rindfleisch und Salzkartoffeln gereicht wird. Denn auch das kulinarische Erbe Frankfurts mit seinem Äpplewoin bleibt nicht unerwähnt und es gibt kleine Höreindrücke eines Frankfurterisch babblenden Einwohners. Aber verständlich.

Ein wirklich empfehlenswertes Hörabenteuer, nicht nur für neugierige kleine Hessen. Als nächstes zieht es die Spürhasen übrigens nach Hamburg.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Karsten Schäfer für das Rezensionsexemplar, mit dem ich die Heimatstadt meiner Großmutter mal ganz anders kennenlernen durfte.

1 CD, 77 Minuten ab 5 Jahren 

Samstag, 29. Juni 2019

Die Unausstehlichen & ich – Das Leben ist ein Rechenfehler, Vanessa Walder, Illustration Barbara Korthues, Loewe Verlag




Die Unausstehlichen & ich – Das Leben ist ein Rechenfehler, Vanessa Walder, Illustration Barbara Korthues, Loewe Verlag

Enni (11) ist ein Heimkind, das schon in verschiedenen Heimen, WGs und auch Pflegefamilien war. Doch mit ihren Wutausbrüchen, bei denen es in ihren Ohren rauscht und sie nur noch rot sieht, bleibt sie nirgends lange. Bis sie in eine wirklich nette Pflegefamilie kommt, die sie wie eine Tochter behandelt. Ihr Pflegebruder Noah (12) ist einsame Spitze! Hier will sie nie wieder weg. Doch dann muß der Pflegevater beruflich in die Schweiz, da soll Enni dann doch nicht mit. Noah flippt aus und zieht Enni mit in seinen unüberlegten Plan mit hinein. Da ist Ärger vorprogrammiert und Enni landet in einem piekfeinen Privatinternat für Schüler mit besonderen Bedürfnissen. Eigentlich ist es dort gar nicht schlecht, selbst die Lehrer erkennen ihre mathematische Begabung. Doch Enni will abhauen und Noah finden. Leider gleicht Internat Saaks fast einer Festung und diese zu verlassen wird ihre kniffeligste Knobelaufgabe, bei der sie zwangsläufig Hilfe braucht....

Nach ihrer Ausbruchsaktion muß Enni zum Schulpsychologen, da erzählt sie dann die ganze, wahre ungeschönte Geschichte. Natürlich mit den in Saaks verpönten und strafbewehrten Flüchen und Schimpfwörtern. Aber was soll man schon sagen, wenn das Leben …. Eben! Aber in einem Kinder- und Jugendbuch? Da hilft nur die Zensur und an Stelle jedes unziemlichen Begriffes liest man dann schwärzendes Krickelkrakel, da kann der Leser sich selbst denken, was sie wohl so gesagt haben könnte und seiner Schimpfkreativität freien Lauf lassen. Die Gedanken sind frei... beim Lesen auch! Meine Töchter (12 und fast 10 Jahre alt) fanden das sehr lustig, denn Enni nimmt kein Blatt vor den
Mund. Durch die Ich-Perspektive weiß der Leser immer nur so viel, wie Enni bzw. so viel, wie sie von sich Preis gibt, denn über ihre Eltern spricht sie nicht und wehe wer sie bei dem Namen nennt, den ihr ihre Eltern gaben!

Enni hat viel mitgemacht bisher in ihrem Leben und sich diverse Überlebensstrategien angeeignet, über die die meisten Leser aus behüteten Elternhaus nur staunen können (und die sie hoffentlich nicht anwenden wollen).

Richtig toll finde ich den Inklusionsgedanken in dieser Geschichte. Alle haben ihren Ballast mit sich herum zu tragen, aber niemand möchte deswegen bemitleidet werden, sondern als Mensch für voll genommen werden. So lernt man durch Enni, die fast schon alles gesehen hat, ihre Mitschüler mit ihrem Blick kennen, immer erst die Person mit ihren Besonderheiten, bis auf das Handicap, das erwähnt sie immer so nebenbei. Das finde ich sehr charmant, mal den Focus weg von der Behinderung zu nehmen und sei es „Diätis“ (dieser Begriff, ist doch ein Knaller, oder?).

In einzelnen Kapiteln schildert Enni ihre prägenden Erlebnisse und daher sind sie oft nach der gerade prägenden Person benannt. Das führt zu einer ungewöhnlichen Erzählweise, die sich angenehm abhebt, auch durch die Zensuren. Enni ist so ungewöhnlich, daß die Geschichte zu überraschen mag. Es ist nicht von Anfang an klar, was mit Enni passiert, man weiß nur sie hat Ärger und echt was auf dem Kerbholz und muß nun mit einem Psychodoc sprechen, wer das aber ist, zeigt sich erst nach ein paar Kapiteln, weil diese Erkenntnis bereits etwas über das Ende verrät, aber es ist ja auch eine Fortsetzung mit den 
Unausstehlichen geplant, da wird Enni wohl kaum von diesen getrennt werden. Dennoch eine wirklich erfrischende Erzählweise.

Da ich beruflich den ganzen Tag mit Dingen zu tun habe die schief gehen und mein Mann Sonderpädagoge ist, war es mir wichtig, mit den Kindern ein Buch zu lesen, in dem Kinder mit besonderen Bedürfnissen zu Wort kommen und die Geschichte aus ihrer Sicht schildern dürfen, denn dann klingt es oft ganz anders. Es geht mir auch um das Vermitteln von Respekt! Auch diesen Kindern gegenüber, aus welchen Gründen auch immer, sie nicht bei ihren Familien leben. Das ist Vanessa Walder, der Autorin von „Das wilde Mäh“ und noch über 80 weiteren Kinder- und Jugendbüchern, ausgezeichnet gelungen. Dabei geht es nicht um pädagogische Phrasen, sondern es wird eine spannende Internatsgeschichte auf Ausbrecherniveau mit besonderen Schülern. Dabei wird es am Ende noch mal besonders spannend und mit einem ganz erhebenden Solidarisierungsende – da bleibt kein Herz unbewegt und das Auge nicht unbedingt trocken. 

Die schwarz-weiß Illustrationen von Barbara Korthues treffen die Situationen auf den Punkt. Wir finden es super, daß ein Buch für Kinder ab 10 Jahren illustriert ist und mit mehr als nur Vignetten! Aber meine Kinder finden sie so toll, daß sie sie ganz genau anschauen und jedes Detail finden, das unstimmig ist. Von den Haarfarben auf dem Promo-Lesezeichen, den Größenunterschieden, Hilfsmitteln, die zurückgelassen wurden. Wir hatten da heiße Diskussionen. 

Es hat uns ausgezeichnet gefallen und beide Töchter (und die Mutter) warten schon ganz gespannt auf die Fortsetzung dieses außergewöhnlichen Buches für ältere Kinder

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Vanessa Walder und dem Loewe Verlag für diese schöne Leserunde.