Dienstag, 30. April 2019

Ein Tropfen vom Glück, Antoine Laurain, ungekürzt gelesen von Steffen Groth, DAV



Ein Tropfen vom Glück, Antoine Laurain, ungekürzt gelesen von Steffen Groth, DAV

Im Jahre 2017 wird Hubert Arnodie von Dieben in seinem Keller, des altehrwürdigen bourgeoisen Mehrfamilienhauses in einem angesehenen Pariser Viertel eingesperrt. Er hatte gerade inmitten des Plunders, der sich seit der Erbauung durch seinen Vorfahren dort angesammelt hatte, eine alte Flasche Wein aus dem Jahre 1954 entdeckt. Der etwas schrullige Hubert befürchtet die Nacht dort verbringen zu müssen, als ausgerechnet der amerikanische Arbnb Tourist Bob ihn hört und die junge Restaurateurin Magalie und den ebenfalls jungen Barman Julien zu Hilfe holt. Erleichtert lädt Hubert seine Befreier zu sich auf ein Glas des alten Weines ein. Es wird trotz der Altersunterschiede und der ganz verschiedenen sozialen Hintergründe und Lebensabschnitte ein sehr netter und langer Abend. Als sie ihn für beendet erklären, stellen sie fest, daß sie im Paris des Jahres 1954 gelandet sind, dem Jahrgang des Weines und eines Jahres voller Ufo-Sichtungen. Julien erinnert sich, daß sein Großvater damals auch ein Ufo in der Weinregion-Beaujolais sah, ein Umstand der ihn für immer prägte. Er schrieb sogar ein verkanntes Buch darüber, da er einen Zusammenhang zwischen Ufo-Erscheinungen und Zeitreisen sah. Auf dem Weg zu diesem Ufo-Experten lernen sie sich, das damalige Paris und seine legendären Stars kennen, bis sie letztlich das Glück finden.

Dies ist eine leichte charmant-beschwingte Zeitreise in das Paris der 50er Jahre, in dem man unbefangen den ganz Großen ihrer Zunft wie Audrey Hepburn, Hubert de Givenchy, Jean Gabin, Edith Piaf und Francois Truffaut begegnen konnte. Mit Staunen und Genuss erleben die Vier das Pulsieren der Stadt und vor allem Hubert überwindet die inneren Grenzen seines Denkens, Bob findet Hilfe in einem Beichtstuhl und Julien überkommt endlich seine eigene Schüchternheit gegenüber Magalie, genannt Abby (aufgrund der frappierenden Ähnlichkeit zur liebenswert exzentrischen Forensikerin aus der amerikanischen Serie NCIS).

Das Klappcover ist sehr liebevoll gestaltet z.T. Mit alten schwarz-weiß Fotografien an der Seine und in Cafés. Es werden sofort Szenen aus alten Filmen der damaligen Zeit vor dem inneren Auge wach.

Es ist eine charmante Wohlfühlgeschichte, bei der mir besonders die unbefangenen Begegnungen mit den großen Legenden ihrer Zeit und das Eintauchen in die historischen Markthallen „Les Halles“ (heute liegt unter ihnen die größte Pariser Metrostation, die man unbedingt meiden sollte) gefallen haben. Leider hat dieser Charme es nicht geschafft mir das Herz zu wärmen und echte Emotionen hervor zu rufen. Das mag vielleicht an überzogenen Erwartungen liegen, aber meist bin ich auf diesem Gebiet recht flexibel. Ich denke aber, daß es vor allem am Sprecher Steffen Groth liegt. Steffen Groth ist ein sehr bekannter und viel gesehener Fernsehschauspieler Jahrgang 1974, gutaussehend und sympathisch, dessen Stimme mir in Kombination mit seiner Optik nie Probleme bereitet haben. Hier versucht er jedoch die verschiedenen Charaktere vor allem durch unterschiedliche Stimmen darzustellen, statt durch subtile Emotionen. Besonders bei Bob und Hubert klingt er mir zu gepresst und beide klingen für mich daher auf unterschiedliche Weise vertrottelt, der eine versnobt vertrottelt, der andere amerikanisch-klischeehaft vertrottelt. Das hat bei mir eine unerwünschte emotionale Barriere aufgebaut. Wenn man genau auf den Text achtet, ist Bob eigentlich liebenswert, wenn auch sehr klischeebehaftet amerikanisch. Aber sein viel zu breiter aufgesetzter Akzent ist mir bisweilen richtiggehend auf die Nerven gegangen. Julien und Magalie gefielen mit deutlich besser, ebenso wie die Promis mit ihren kurzen Gastauftritten. Auch an seiner Erzählstimme habe ich nichts auszusetzen. Aufgrund der großen Bedeutung der zwei Mithauptfiguren Bob und Hubert, ist diese Interpretation der sympathisch angelegten Figuren ein echtes Manko. Die Aufnahmequalität und auch die Balance sind absolut tadellos. Ich konnte Steffen Groth stets gut verstehen, ohne die Lautstärke zu variieren.

Diese Geschichte dreht sich auf locker-leicht französische Art um Savoir-Vivre, Lebensfreude,  Freundschaft und auch Liebe. Vier Gestrandete auf der unbewußten Suche nach dem Glück. Ich könnte es mir sehr gut als Film vorstellen, hier wird immer wieder „Die fabelhafte Welt der Amelie“ angesprochen, aber mir kam mehr „Zusammen ist man weniger allein“ von Anna Gavalda oder „Wenn wir zusammen sind“ von Marc Levy in den Sinn. Augenblicke voller Leichtigkeit und Lebensfreude und Freundschaft. Für diese beschwingte Erzählweise ist der Pariser Antoine Laurain inzwischen berühmt. Ihm gelang der Durchbruch mit „Liebe mit zwei Unbekannten“ und auch „Der Hut des Präsidenten“ war ein weltweiter Bestseller. Für mich eigentlich einer der Vertreter einer sehr willkommenen literarischen Gegenbewegung zu vielen französischen Autoren, bei denen die Liebe oft kein gutes Ende nimmt, ständige Dreiecksbeziehungen zu Drama und Depression pur führen. Stattdessen konzentriert er sich auf positives Lebensglück, welches ich zwar gehört, hier aber leider nicht gefühlt habe.

Daher kann ich dieser schönen Geschichte leider nur mittelmäßige 3 von 5 Sternen geben. 

Ich bedanke mich ganz herzlich beim DAV-Verlag für das Rezensionsexemplar dieses absoluten Wunschhörbuchs.

Montag, 29. April 2019

Holunder Trotz – Ein Troll für alle Fälle, Antje Leser, Thomas Hussung, Ueberreuter Verlag



Holunder Trotz – Ein Troll für alle Fälle, Antje Leser, Thomas Hussung, Ueberreuter Verlag

In der Märchenwelt sind Trolle den meisten Bewohnern suspekt. Doch der große starke Troll mit Tolle Holunder Trotz arbeitet daran, daß zu ändern. Er ist staatlich anerkannter und vom staatlichen KonTrollAmt zertifizierter Privatdetektiv. Bislang konnte er schon einige wirklich knifflige Fälle lösen (auch wenn seine Rolle in den Märchenbüchern einfach verkannt wird), doch der neue Auftrag hat es in sich! König Leopold der Unersättlich beauftragt ihn, seinen verschwundenen goldenen Reichsapfel zu finden. Meine Güte, was für ein Monarch! Als ob er nicht genügend Gold für einen neuen hätte. Aber so einfach ist es nicht, informiert ihn seine NIPA (netzbasierte, intelligente, persönliche Assistentin) Amanda, eine hochmoderne Kristallkugel, für alle Fälle: ein Reichsapfel ist das Symbol der königlichen Macht, wer ihn besitzt, darf regieren.
Kaum dass er die Ermittlungen aufgenommen hat, mischt sich die Tochter des Herrschers ein: Prinzessin Estrildis will den Ermittler unterstützen und begleiten. Das gefällt dem schnieken Jungtroll so gar nicht, aber wenn man in den feinsten Kreisen ermittelt, kann so eine Prinzessin an der Seite sehr praktisch sein.

Ein großes Lob an den Verlag für die Gestaltung des Buches! Auch wenn es für Leser ab 10 Jahren empfohlen wird, ist es illustriert und Schriftgröße und Zeilenabstand sind sehr komfortabel. Da macht das Lesen gleich noch mehr Spaß, vor allem Kindern, die sich mit dem Lesen noch schwertun. Dabei kommt der Spaß hier wirklich nicht zu kurz. Denn hier werden eigentlich sämtliche Märchenklischees auf den Kopf gestellt! Zur Demonstration seiner Ermittlerqualitäten nennt Holunder zunächst seine bereits erfolgreich gelösten Fälle und irgendwie hatten wir diese Märchen anders in Erinnerung. Das ist sehr witzig und es macht echt Spaß, aus seinen Erzählungen die Märchentitel zu erraten.
Die Herzen eventuell mitlesender Eltern gewinnt der sympathische Jungtroll, mit den nicht immer ganz korrekten Umgangsformen, mit seiner unverhohlenen Leidenschaft für einen kräftigen Trollofee zur Stärkung. Das genaue Rezept gibt er zwar nicht preis, aber so ein Muckefuck mit Cayennepfeffer ist wirklich nur für ganz Ausgeschlafene.

Der König hat zu Beginn keine Ahnung, wer hinter der schändlichen Tat stecken könnte. Auch Holunders Ermittlungen bringen ihn zu Beginn nicht weiter. Aber zum Glück bekommt er ja ungewollte Verstärkung. Die Prinzessin ist sehr resolut und das Geplänkel zwischen diesen Partnern wider Willen ist wirklich amüsant. Außerdem gibt es ja noch die hochmoderne Amanda, die sich auch gerne zu Wort meldet und auf deren vielfältigen Funktionen wir auch nur zu gerne zugreifen könnten. Zum Glück sind die Ermittlungen witzig und nicht klamaukig, denn es geht immerhin um ein ernstes Thema. Das Reich ist bedroht! Irgendein hundsgemeiner Schurke könnte jederzeit die Macht für sich beanspruchen. Das darf natürlich niemand wissen, weswegen die Ermittlungen streng geheim und auch wirklich knifflig sind. Autorin Antje Leser hat sich wirklich eine ungewöhnliche Auflösung ausgedacht und auch ein sehr modernes Ende. Diese Geschichte endet nicht mit „Und wenn sie nicht gestorben sind...“ denn die Helden sind jung und haben noch eine Menge vor.

Das Buch wird ab 10 Jahren empfohlen, weil dieser Humor von jüngeren Kindern oft noch nicht verstanden wird, ebenso wie einige Anspielungen. Begriffe, die eventuell noch nicht bekannt sind, werden im Laufe der Geschichte erklärt, denn auch Holunder kennt sich im höfischen Vokabular noch nicht so gut aus. Antje Leser hat Germanistik und Romanistik studiert, ehe sie sich als Lektorin und Journalistin selbstständig machte. Das erklärt ihr gutes Gefühl dafür, welche Begriffe als bekannt vorausgesetzt werden können und welche nicht. Sie geht wirklich wunderbar auf den Denk- und Erlebenshorizont der Zielgruppe ein, was sich auch darin zeigt, daß meine Mitleserinnen, das Ende richtig klasse fanden.

Auch die Illustrationen von Thomas Hussong haben es ihnen angetan. Die Gesichtsausdrücke, die der junge Illustrator und Autor mit nur wenigen Strichen auf Papier bannt, sind aber auch wirklich herrlich.

Ein märchenhafter Kriminalfall mit einem ganz starken Ermittler-Team. Wir hoffen, daß sich fortan nicht alle Bewohner des Märchenreichs rechtschaffend verhalten und sie weiter ermitteln werden.

Wir bedanken und ganz herzlich beim Ueberreuter Verlag, Autorin Antje Leser und Illustrator Thomas Hussong für diese wunderbare Leserunde auf Lovelybooks.