Sonntag, 30. September 2018

Villa Wunderbar (3) – Das Zimtschnecken-Wunder, Linnea Svenson, Nikolai Renger, gelesen von Martin Baltscheit, der Hörverlag



Villa Wunderbar (3) – Das Zimtschnecken-Wunder, Linnea Svenson, Nikolai Renger, gelesen von Martin Baltscheit, der Hörverlag

Dies ist nun schon der 3 Band der kleinen Alltagsabenteuer rund um die Villa Wunderbar. Dort leben die gleichaltrigen Schulkinder Matilda und Joschi mit ihren Familien. Im Erdgeschoß betreibt Oma ein Waschsaloncafé, in dessen ausrangierter Miele-Waschmaschine sich heimlich ein kleiner Waschbär namens Henri eingenistet hat. Henri ist der tollste überhaupt, allerdings verstehen ihn nur die Kinder und das ist auch geheim und soll  nicht jeder wissen. Er ist witzig, frech und sorgt immer wieder für allerlei Turbolenzen. In 10 Geschichten kann man Matilda, Joschi und Henri durch das Jahr begleiten. Egal ob der Backofen im Café kaputt geht, ein neues Sofa ins Café einzieht, das ein wunderbares altes Familiengeheimnis offenbart, Henri einen eigenen Verkaufsladen eröffnet, Matilda Geburtstag feiert und dabei einen Herzenswunsch erfüllt bekommt, Matilda für das wichtigste Schwimmabzeichen mit der ganzen Familie übt, Zeit für den Laternenumzug ist, oder Henri sich an Schnee gewöhnen ist. In der Villa Wunderbar ist kein Tag wie jeder andere!

In der Villa Wunderbar ist immer was los, auch im dritten Band werden wieder Kinderträume wahr!  So gibt z.B. der Backofen des Cafés seinen Geist auf, als Oma gerade eine große und wichtige Bestellung für Zimtschnecken erhalten hat. Die Not ist groß, denn ein Café ohne einen Backofen kann ja gleich dicht machen! Doch die Kinder und Henri wollen nicht aufgeben und lassen sich nicht nur zusammen mit den Nachbar etwas einfallen, um die Zimtschnecken doch noch rechtzeitig zu backen, sondern auch wie sie noch genug Geld einnehmen können, damit Oma sich mit ihren Ersparnissen und den neuen Einnahmen doch noch einen neuen Ofen kaufen kann. Die Idee die die Kinder haben ist auch eine ganz klassische Kinderidee, mit der sich die Zielgruppe von Kindern ab 4 Jahren wirklich gut identifizieren können. Da Joschi und Matilda schon zur Schule gehen, können aber auch ältere Kinder die Geschichten noch gut hören und sich an Henris Unsinn erfreuen. Denn von Matildas Herzenswunsch-Geburtstag, einen Tag ein Spieleparadies eines Möbelladens ganz für sich und seine Freunde zu haben, ohne die nervenden großen Kinder, die einen immer ärgern, das ist doch eine Idee, von der alle Kinder träumen!

Auch dieser 3. Band ist wieder ganz besonders liebevoll gestaltet. Das erste Hörbuch ließ sich ausklappen und zu einer kleinen Villa wunderbar zusammenstecken. Im zweiten Band waren dann Spielfiguren von Joschi, Matilda und Henri zum Ausschneiden enthalten und diesmal gibt es Oma, die alte Miele und Matildas Papa als weitere Spielfiguren zum Ausschneiden. Die anderen beiden Bände erhielten wir jeweils, als unsere Jüngste krank war und sie spielte dann fröhlich mit der Villa Wunderbar im Bett, während sie den Geschichten lauschten. Aber auch gesund und munter wurden die neuen Figuren ausgeschnitten und die Geschichten mit der nunmehr vorhandenen Villa-Wunderbar-Welt weitergespielt. Illustrator Nikolai Renger ist eine optisch sehr ansprechende und kindgerechte Spielwelt gelungen.

Hinter dem Pseudonym Linnea Svensson verbergen sich übrigens Sandra Grimm und Ann-Katrin Heger, die sich mit viel Freude neue Geschichten für ihre Lieblingsvilla ausdenken, in die sei am liebsten selbst einziehen würden.

Martin Baltscheit, Jahrgang 1965 ist Illustrator, Sprecher und Autor von Kinderbüchern, Theaterstücken und Hörspielen. Er wurde bereits vielfach prämiert. Er liest die Geschichten dieser turbulenten Villa sehr lebendig und einfühlsam. Mit jedem Band gefällt er mir besser. Seine warme Stimme macht die Geschichten zu wunderbaren Gute-Nacht-Geschichten, die jegliche Albträume verbannt.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Der Hörverlag für dieses kurzweilige Hörvergnügen.

Freitag, 28. September 2018

NSA – Nationales Sicherheits-Amt, Andreas Eschbach, Lübbe Verlag



NSA – Nationales Sicherheits-Amt, Andreas Eschbach, Lübbe Verlag

Wenn man die amerikanische NSA mal ins Deutsche übersetzt klingt es doch ziemlich nach Nazi-Deutsch. Dies hat sich Autor Andreas Eschbach nachvollziehbar gedacht und dann überlegt, was wäre denn gewesen, wenn schon die Nazis damals die Überwachungsmöglichkeiten der heutigen Geheimdienste gehabt hätten, wäre der Krieg anders ausgegangen?

Schon zu Zeiten des Kaiserreiches wurde in Weimar, ohne große Bekanntmachung in der Öffentlichkeit, die unbekannteste Behörde überhaupt gegründet. Das Nationale Sicherheits-Amt. Dort stehen in riesigen Hallen Datensilos (-speicher) in denen die Daten die durch die Komputernetze Deutschlands fließen gespeichert werden. Nichts wird vergessen, alles kann gefunden werden, was jemals durch die Datenkabel floss. Man muß nur wissen wie man es sucht! Suchprogramme zu schreiben ist ganz klare Frauenaufgabe, dabei muß man immerhin genauso gründlich und gewissenhaft sein, wie bei der Hausarbeit, während die Herren in der Behörde die Daten analysieren. Die unscheinbare Programmiererin Helene Bodenkamp, Tochter des regimetreuen, renommierten Chirurgen Dr. Bodenkamp, ist die begabteste Programmiererin des Amtes. Sie kann sich unglaublich schnell und logisch in die Strukturen des Netzes hineindenken. Eine Fähigkeit, die auch schon bald dem Behördenleiter auffällt, der sie daher gerne für Spezialaufträge mit einem ebenso gewieften wie skrupellosen Analysten Eugen Lettke, einsetzt. Eugen Lettke ist völlig skrupellos und verfolgt stets eigene Ziele, die manchmal auch dem Staate aus Zufall dienen. Während Helene langsam aber sicher Zweifel an ihrem Tun und den Folgen der totalen Überwachung bekommt, denn diese droht ihr streng gehütetes Geheimnis zu offenbaren.

Der Anfang ist mir nicht ganz leicht gefallen. So viele Personen, die irgendwie in Verbindung zu einander standen. Langsam haben sich dann doch 2 Hauptpersonen herauskristallisiert, aus deren Sicht jeweils die Geschichte, die hauptsächlich in den Jahren 1941/42 spielt, als die Amerikaner in den II. Weltkrieg eintraten, dargestellt wird. Dabei verhält es sich mit Helene und Lettke ein wenig wie in Amerikanischen Krimiserien „good cop und bad cop“. Helene ist ganz eindeutig die Sympathieträgerin in diesem packenden Werk, das geeignet ist, beim Leser eine Paranoia heraufzubeschwören. Denn auch wenn die Geschichte in der Vergangenheit spielt, ist sie doch durch ihre Aktualität, hoch brisant. Auch heute kann jeder mitlesen, was wir im Netz tun, oder mithören, was wir in unseren Privaträumen sprechen über Telefon oder Handy, von den Webcams und ihren Möglichkeiten ganz zu schweigen! Ganz klar ist Lettke ein absoluter Unsympath, der stets nur nach seinem eigenen Vorteil strebt, doch er ist nicht dumm und sieht den Staat und seinen selbsternannten Führer durchaus kritisch. Viele seiner Gedanken haben mich schmunzeln lassen, weil ich mich als Kind auch immer wieder gefragt habe, wie die Menschen damals nur auf so einen Typen reinfallen konnten, der seinen eigenen Anforderungen so gar nicht entsprach, ebenso wie die um ihn versammelte Führungsriege. Das lässt sich wohl wirklich nur durch Charisma erklären, einem Merkmal, daß so habe ich mal gelesen, typisch für Soziopathen ist. Auch wenn viele seiner Gedanken selbstsüchtig, uncharmant und abstoßend sind, so kann man ihnen oft den Scharfsinn nicht absprechen. Dies macht für mich seinen Charakter so interessant und führte dazu, daß Helene und Lettke während fast 800 Seiten der Lektüre mir stets auch im Alltag präsent erschienen. Vieles aus dem Buch stimmt nachdenklich und lässt einen auch Bangen, wenn man bedenkt, welche Möglichkeiten den derzeitigen Regierungen zur Verfügung stehen, ohne daß die Regierenden nun immer sonderlich demokratisch oder moralisch wären.
Ich hatte ja angesichts des Buchumfangs befürchtet, daß es sicherlich an einigen Stellen ratsam wäre, das Buch zu kürzen. Aber Andreas Eschbach ist es immer wieder gelungen unerwartete Wendungen einzubauen, die einem die üppige Lektüre wirklich schmackhaft macht. So konnte ich mit der Lektüre, sobald ich mal in die Handlung hineingefunden hatte, auch nicht mehr aufhören. Es ist unglaublich packend und hätte daher trotz der Startschwierigkeiten von mir 5 von 5 Sternen erhalten, doch lässt mich leider das Ende etwas ratlos zurück. Es ist kein offenes Ende, aber eben weit von dem entfernt, was ich mir gewünscht hätte, ein Ende das eines Camus würdig wäre, aber der ist nunmal nicht mein Lieblingsexistentialist. Schon die letzten rund 70 Seiten sind mir etwas aufs Gemüt geschlagen. Denn da ja die Prämissen der damaligen Zeit geändert wurden, weiß man während des Lesens nie genau, wie denn der 2. Weltkrieg in diesem Fall ausgehen wird. Man ist sich während des Lesens nicht unbedingt sicher, daß es gut ausgehen wird. So werden alle losen Enden schlüssig zusammengeführt und es ist definitiv kein rosarotes Hollywoodende, aber leider auch keines, das mich glücklich macht. Daher trotz brillanter 700 von 800 Seiten „nur“ 4 von 5 Sternen.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei der Lesejury für diese Möglichkeit an der Vorableserunde mit Autor teilnehmen zu dürfen und bei Andreas Eschbach, der bereitwillig die ihm gestellten Fragen beantwortete.