Sonntag, 11. März 2018

Planetenpolka, Lotte Minck, Droste-Verlag



Planetenpolka, Lotte Minck, Droste-Verlag
Stella Albrecht ist Anfang 30, hat Psychologie studiert, arbeitet aber sehr zum Leidwesen ihrer Mutter Felicitas, einer respektablen Schulkonrektorin, genau wie ihre Oma Maria Schmidt, als Astrologin.  Hierzu hat sie sich einen Bereich in der Orangerie im Park von Marias Bochumer Villa eingerichtet. Diese herrschaftliche Villa teilen sich die drei Damen einer Familie, jeder bewohnt eine Etage, erarbeitet in Marias Zeit auf dem Rummel. Zu dumm nur, daß ihr Beruf auch beim anderen Geschlecht nicht gut ankommt, lediglich ihr bester Freund Ben, Journalist beim Ruhrgebietsanzeiger, kann darin einen gewissen Reiz sehen. Als sich dann eine reiche Erbin in spe unter falschen Namen von ihr ein Horoskop für ihre Erbtante erstellen lässt, um zu erfahren wann sie diese vor der Mord-und-Totschlags-Konstellation, der Mars-Pluto-Konjunktion, zu beschützen hat, ist sie verwirrt. Als Oma Maria ihr offenbart, daß jene Erbtante ihr alte Freundin Cäcilie von Breidenbach trotz attestierter bester Gesundheit, plötzlich verstarb, wird sie stutzig. Doch der von ihr aufgesuchte Kommissar Arno Tillikowski hält sie für wahnsinnig und schickt sie weg. Dennoch hat sich ein böser Verdacht in seinem Unterbewusstsein festgesetzt. Davon nichts ahnend, nehmen Stella, Maria und Ben Nachforschungen auf. Diese führen sie sowohl in die gehobene Bochumer Gesellschaft, als auch in die Abgründe des Kiez.
Dieses ungewöhnliche Ermittlerteam muß man einfach mögen, dafür muß man überhaupt keinen Zugang zu Esoterik oder Astrologie zu haben, denn Stella setzt ihre Kenntnisse aus ihrem Studium über Mikromimik und Antizipation ein – ganz seriös und erfolgreich. So wird sie auch nicht als Scharlatanin dargestellt, die nur den Leuten das Geld aus der Tasche zieht, sondern mehr als Lebensberaterin für diejenigen, die sonst wohl nie den Weg zu einem Therapeuten finden würden. Keine Sorge, die Gauner der Zunft bekommen schon noch ihr Fett weg, auf sehr unterhaltsame Art und Weise, wenn man mit Maria und Stella, einem Vortrag eines Selbstdarstellers der Astrologie folgen darf.
Sehr interessant finde ich die Ausgangssituation der Figuren, die zwei schillernden Schausteller Maria und ihre langjährige Flamme Otto, im krassen Kontrast zu Felicitas und Arno, die von so einem Spökes nichts wissen wollen. Stella und Ben hingegen nehmen das Beste aus beiden Welten und sind eigentlich sehr zufrieden damit. Doch wird Ben immer „nur“ Stellas bester Freund bleiben, oder wird Arno irgend mal wann seine Scheu vor Stellas Berufung verlieren? Aus das sind spannende Fragen, die einen weiteren Folgen dieser Krimödie entgegenfiebern lassen.
Eingefleischte Thrillerfans, werden bei diesem Fall nicht auf ihre Kosten kommen, aber sie sind nicht die Zielgruppe. Diese Krimödie soll Spaß machen und gut unterhalten. Die Spannung ist vor allem dem Showdown vorbehalten. Bei diesem geht es dann aber auch wirklich zur Sache und die Ereignisse überstürzen sich. Bis es jedoch soweit ist, kann die geneigte Leserin sich an verbalem Schlagabtausch und Ruhrpottslang auf dem Kiez und mit Otto erfreuen. Aber keine Sorge, auch Nordlichter und Bayern sollten das gut verstehen können.
Da Bochum ja schon etwas feiner ist als Duisburg, gibt es hier keine Laubenkolonien, sondern bislang Gründerzeitvillen, auch der Hochzeit der Kohle- und Stahlindustrie. Das macht aber nichts, denn Stella möchte ja kein Abklatsch von Lotte Mincks erfolgreicher Loretta Luchs (einer Ermittlerin, die ihr Geld an einer Erotik-Hotline verdient), sondern eigenständig sein. Gewisse Parallelen werden einem beim Lesen schon auffallen, wenn man Loretta kennt, aber das ist eigentlich der Garant dafür, daß man dann auch diese Serie mag.
Für Fans locker, leichter Krimiunterhaltung mit Herz und Humor ein vielversprechender Serienstart.

Samstag, 10. März 2018

111 Orte die man in Berlin gesehen haben muss, Lucia Jay von Seldeneck, Carolin Huder, Verena Eidel emons Verlag



111 Orte die man in Berlin gesehen haben muss, Lucia Jay von Seldeneck, Carolin Huder, Verena Eidel emons Verlag

Berlin ist groß, die Geschichte vielfältig und es gibt ziemlich viele häßliche Ecken, neben all dem preußischen Pomp und Gloria oder Bauten sozialistischer Machtdemonstration oder nationalsozialistischem Größenwahn. Es ist unsere Hauptstadt, uns verschlägt es mindestens einmal im Jahr dorthin, weil dort unsere Brüder wohnen, aber wenn man die Touriattraktionen alle schon gesehen hat, oder sie einen nicht interessieren, was dann? Wir wollen ja mit unseren Brüdern und deren Familien mal Neues und Interessantes entdecken, was sie auch noch verblüfft, was nach all den Jahren gar nicht so einfach ist, oder doch?
Bei 111 Orten in Berlin die man gesehen haben muss, gibt es allerlei zu entdecken, da gibt es sogar wirklich Sehenswertes zwischen all der Hässlichkeit! Zum Beispiel Nr. 35, das Haus in dem David Bowie lebte (und neben ihm Iggy Pop) in der Hauptstr. 155 in Berlin Schöneberg im Jahre 1976. Na gut, das interessiert vielleicht nicht jeden, oder nicht genug, um dorthin zu laufen, aber schon der Text ist unterhaltsam geschrieben und wenn man nicht vorhat, wie viele andere vorher, die Hausnummer mit der Nr. 155 zu stehlen, dann kann man ja zur Nr. 60 den Massageliegen, mit erwärmten Jadesteinen gehen, zur Entspannung und der Entlastung des Rückens, ohne Termin, 40 Min. für 4,- €. Wer nun aber richtig einen auf Kultur machen will, kommt auch auf seine Kosten, etwa mit Nr. 46 Kleists Grab oder Nr. 64 dem Mies-van-der-Rohe-Haus (BAUHAUS pur, die Kunstschule, nicht der Baumarkt, natürlich) in Berlin-Hohenschönhausen. Berlin wird tatsächlich in all seinen Facetten gezeigt, von der letzten Zille-Kneipe in Berlin Nr. 69 über Nr. 110 das Wikingerufer, für Urlaubsfeeling in der Stadt bis zur Mensa in der Kunsthochschule Nr. 62 (werde ich wohl das nächste Mal testen, statt der Dachterrassenkantine des AG Tempelhof). So vielfältig wie die Stadt, so vielfältig sind die Vorschläge, wirklich einfach nur alphabetisch sortiert, eine wahre Entdeckungsreise, die schon in diesem Buch beginnt und mit wirklich eindrucksvollen Fotos zu jedem Entdeckungsort bebildert ist. Natürlich ist dies kein üblicher Reiseführer, den Anspruch erhebt das Buch aber auch gar nicht. Dafür macht es richtig Spaß in diesem Buch zu stöbern und zu schmökern, denn es ist gut geschrieben und wartet mit unerwarteten Informationen auf.
Dieser Band erschien erstmals 2011 und wurde 2017 überarbeitet. Gut, es ist dabei wohl durchgerutscht, daß David Bowie mittlerweile leider verstorben ist, aber das Haus steht dort noch immer und daß er 1976 dort lebte, ändert sich ja nun auch nicht. Daher bin ich mal gespannt, ob die Preise für die warmen Jadesteine so in etwa noch stimmen. Anders als Reiseführer mit Insider-Tipps, die jeder kennt, findet man hier bisweilen tatsächlich Kleinode und wer davon nicht genug bekommen kann, kann sich ja noch die 2 weiteren Bände zu dieser Stadt die niemals schläft kaufen, es gibt dort genug zu entdecken.
Damit man die 111 Ort auch tatsächlich findet, gibt es hinten mehrere Pläne (ja Berlin und Außenbezirke sind groß!), in denen die Orte mit Nummern eingezeichnet sind. Zu jedem Ort gibt es zudem die genaue Adresse und die Haltestellennamen für den ÖPNV nebst Angabe der Buslinien und Bahnen die dort halten.
Die Autorin Lucia Jay von Seldeneck wurde 1977 in Berlin geboren und ist dort aufgewachsen. Seit 2007 der „Heimathafen-Neukölln“ gegründet wurde, leitet sie die Stelle für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Neuköllner Theaters.
Auch die Fotografin Verena Eidel ist ein Berliner-Kindl und hat es geschafft, ihre Heimatstadt aus teilweise sehr überraschenden Blickwinkeln abzulichten.
Damit auch alles seine Richtigkeit hat, hat die ebenfalls Einheimische Carolin Huder die Recherche übernommen und als studierte Geographin und Kulturmanagerin kennt sich in Künstlerkreisen aus, so daß einige ungewöhnliche Details eingearbeitet und geprüft werden konnten.
Ein sehr stimmungsvoller Entdeckungsführer, der mich nun richtig neugierig auf unseren baldigen Berlin-Trip macht!

Wir bedanken uns ganz herzlich beim Emons-Verlag, bei dem zu Berlin noch mehr Entdecker-Führer erschienen sind, sogar für Berliner mit Kindern!