Freitag, 16. September 2022

Die Wunderfrauen (3) – Freiheit im Angebot, Stephanie Schuster, gelesen von Elisabeth Günther, 2 MP3 10 Std. 32 Min.

 

Die Wunderfrauen (3) – Freiheit im Angebot, Stephanie Schuster, gelesen von Elisabeth Günther, 2 MP3 10 Std. 32 Min.

 

Die Siebziger Jahre mit ihrem Wirtschaftswunder verändern nicht nur die Welt, sondern auch Starnberg und Leutstetten. Die Supermarkt-Konkurrenz macht Luises kleinem Laden schwer zu schaffen. Sie muss sich fragen, ob sich all die Mühe überhaupt noch lohnt. Helga wird in der Seeklinik immer unentbehrlicher, aber ist deren Leitung wirklich ihr Traum? Nach Martins Unfall steht Marie vor einem Scherbenhaufen und muss Haushalt und Hof neu organisieren. Warum nicht also ganz von Vorne anfangen, mit dem Aufbau eines Gestüts, wie es ihr lang gehegter Traum war? Während Annabels Sohn beim Rudern bei der Olympiade in München startet, geschieht das furchtbare Attentat. Doch sind diese Sorgen vorübergehend, die dunklen Schatten der Nazi-Vergangenheit der Familie ihres Mannes und der von Helga holen sie ein. Als unermüdliche Ermittlerin beginnt sie zu graben. Es ist allerdings Louise, der die erstaunlichste Entdeckung gelingt!

 

Die Kinder werden immer größer. Einige verlassen schon das Haus, andere wie Josie und David sind kurz davor. Eine Belastungsprobe für die Ehe ihrer Eltern. Zwischen Louise und Hans war schon länger Sand im Getriebe, aber können sie es noch länger ignorieren? Vielleicht ist Helgas große Freiheit in der Liebe doch der glücklichere Weg? Doch selbst die stets optimistische Helga, die stets auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen schien, scheint von dunklen Schatten eingeholt zu werden. Marie scheint trotz ihres Tatendrangs von den Geistern der Vergangenheit verschluckt zu werden. Ob sie es wieder zurück ins Glück schafft? Annabel ist es leid, sich als Angestellte im eigenen Haus und immer mehr als Ehefrauen-Anhängsel zu fühlen, stets unterschätzt. Sie erhält Unterstützung, mit der sie nie gerechnet hätte. Da Annabel in den Familiengeschichten der von Thalers und der Knaubs stochert, kommt auch das Thema Euthanasie auf, dass einen ganz direkten Bezug zu Louises Bruder Manni und Annabels Tochter Marlene hat. Beide vermitteln ganz eindrücklich wie viel Freude sie an ihren Leben haben, auch wenn sie vom Durchschnitt abweichen und niemand möchte sie missen. Eine kritische, aber sehr positive Auseinandersetzung mit dem Perfektionsanspruch vieler Eltern an ihre Kinder. Denn wenn man diese Rasselbande aufwachsen erlebt, wird auch immer wieder klar, dass Eltern-Kind-Beziehungen nie konfliktfrei und unproblematisch verlaufen.

 

Auch in den Siebzigern geht es für die Wunderfrauen turbulent weiter. Die große Freiheit der Flower-Power-Zeit bietet ungeahnte Möglichkeiten, aber nur für die Teenager oder auch für deren Mütter? Jedes Jahrzehnt bringt ihnen Höhen und Tiefen, die die vier Freundinnen immer fester zusammenschweißt. Dabei wird immer wieder auf die größten Veränderungen der Zeit, wie auch geschichtliche Meilensteine Bezug genommen, hier die Teilung Berlins, die RAF oder die Olympiade 1972 in München mit dem grauenvollen Attentat.

 

Jeder Band beginnt mit einem Vorgriff und stürzt damit stets mittenhinein in die Geschichte, was mich stets irritiert. Ist das jetzt der richtige Track? Habe ich etwas verpasst, oder vergessen. Nein, dass ist die Erzählweise, die mit einem ganz prägenden Moment für diese Zeit beginnt und dann zurückblickt, wie sie bis dahin gekommen sind, um dann zu schildern, inwiefern es prägend für die weitere Entwicklung war. Hier beginnt es in Paris, obwohl Band 2 mit einem tragischen Unfall in Leutstetten endete. Bis man erfährt, wie dieser Unfall endete, muss man sich schon ungefähr das halbe Hörbuch anhören, aber bis dahin ahnt man es eh.

 

Elisabeth Günther verkörpert nicht nur die Höhen und Tiefen in diesen vier Frauenleben sehr lebendig und eindrücklich, sie trifft auch sehr gut Akzente und Sprachmelodien, seien es Amerikaner, Bayern oder Berliner. Sie klingen stets typisch, aber doch gut verständlich. Mal klingt sie bodenständig wie Ur-Bäuerin Tante Polly, mal elitär wie die von Thalers, Annabels Schwiegereltern. Auch Manni, der nur zwei Silben beherrscht, wird von ihr unnachahmlich intoniert. Dennoch, auch wenn er nicht reden kann, können zwei Silben schon eine Menge ausdrücken. Dies schafft sie ebenso natürlich, wie respektvoll.

 

Sehr gut gefällt mir, dass in jedem Band der Reihe auch die größten Hits des jeweiligen Jahrzehnts vorkommen, sei es in der Musik, in der Mode oder im Kino. Dieses Mal gibt es sogar eine Reiseplaylist in Louises Reisetagebuch. Louises Einträge sind sicherlich das große Plus des Buches. Ihr Rezept für Stockbrot klingt nämlich raffiniert und ungewöhnlich, allerdings ist es auf der Tracklist nicht aufgeführt und somit nicht gut zu finden. Im Buch hätte man es schnell beim Durchblättern aufgestöbert.

 

Man merkt, dass mit diesem Band die Reihe eigentlich abgeschlossen ist, denn es endet dieses Mal nicht mit einem Cliffhanger. Ein paar lose Enden gibt es natürlich, denn so ist das Leben, aber wenn man weiß, dass es noch einen Weihnachtsband geben wird, der in den 90er Jahren spielen wird, dann kann man gewiss sein, dass die Wunderfrauen auch diese Herausforderungen meistern werden.

 

Ganz herzlichen Dank an den Argon Verlag für mein Hörexemplar. Eigentlich ist die Triologie nun zu Ende, aber glücklicherweise erscheint bald der Bonusband, der uns die in 90er Jahre unter den Tannenbaum führen wird.

 

Hier findet Ihr eine Hörprobe:

https://www.argon-verlag.de/hoerbuch/schuster-die-wunderfrauen-2005864/

 

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Dienstag, 13. September 2022

Die stumme Tänzerin, Helga Glaesener, gelesen von Christiane Marx, Lübbe Audio, 6 CDs 455 Min.

 

Die stumme Tänzerin, Helga Glaesener, gelesen von Christiane Marx, Lübbe Audio, 6 CDs 455 Min.

 

Hamburg 1928: Die Armut der Rezession prägt die Stadt mit Hunger, Arbeitslosigkeit und Inflation. Die junge Paula, Tochter eines reichen Fabrikanten, möchte aber nicht den ihr vorbezeichneten Weg einschlagen und reich heiraten. Nach ihrem Sekretärinnenkurs hat sie eine Anstellung gefunden und will auf eigenen Beinen stehen. Mit einem Kollegen besucht sie abends ein beliebtes Varieté in Erwartung der großen Freiheit, doch es ödet sie an. Als sie es verlässt, gelangt sie in eine Razzia und landet auf der Polizeiwache. Kurz entschlossen heuert sie dort bei der neugeschaffenen weiblichen Polizeieinheit als Sekretärin an. Als sie eines abends die Kommissarinnen zu einem grauenhaften Frauenmord auf einem Friedhof in St. Pauli begleitet, wird ihr Leben endlich aufregend! Aufmerksam beobachtet sie die Ermittlungen um sich herum und fragt unauffällig den Schutzpolizisten, der zuerst vor Ort war aus. Zuerst scheint alles auf eine Tat aus dem Rotlichtmilieu hinzudeuten, bis Paula feststellen muss, dass dieses gar nicht so weit entfernt ist, von ihrer eigenen Herkunft. Ein furchtbarer Verdacht keimt in ihr auf. Kann es wahr sein? Auf der Suche nach der Wahrheit riskiert sie alles.

 

Eine Frau bei der Mordkommission und sei es nur als Sekretärin, wie schockierend! Paulas Eltern sind in heller Aufregung und verbieten es ihr! Sie soll sofort kündigen! Aber sie ist volljährig und selbst in ihren Kreisen gibt es nicht viele unversehrte junge Männer. Paula bleibt und macht sich unentbehrlich, auch wenn sie mit ihrem Dickschädel nicht nur bei Kommissar Martin Broder aneckt, sondern auch Kommissarin Caro im Herrenanzug, die ihre Alleingänge nicht tolerieren kann und will. Es ist nicht nur unkollegial, sondern auch höchst gefährlich!

Hier werden ganz deutlich die Schattenseiten der schillernden Halbwelt aufgezeigt. Paula hatte schon zuvor keine romantischen Illusionen, als sie das Varieté besucht, aber nicht nur den grauenvollen Frauenmord findet sie abstoßend. Frauen als Waren, die von brutalen, gierigen Männer benutzt und ausgenutzt werden. Ausgeliefert den Gelüsten der Freier ebenso wie ihrer „Beschützer“. Doch Paula muss erkennen, dass ihre eigenen Kreise nicht wirklich besser sind, denn wer außer denen hat denn noch das Geld für solche Vergnügungen? Ihr Weltbild gerät ins Wanken, aber ihr Drang nach der Wahrheit ist stärker, auch stärker als ihre Angst, von ihrer Familie verstoßen zu werden. Was Paula bei ihren Ermittlungen alles mitansieht und anhört, lässt einen bisweilen verstehen, welche Bedenken die Eltern treiben. Es ist schon sehr unappetitlich, aber eben nicht nur für Frauen.

 

Christiane Marx spricht mit ihrer jungen lebendigen Stimme die unermüdlich nach der Wahrheit strebende Paula. Deren Unerschrockenheit ist dann doch nicht immer so unerschütterlich, wie sie meint. Man hört ihr das Zögern, ebenso an wie die Entschlossenheit, mit der sie ihrer jungen Heldin nicht nur Leben, sondern auch ihre Beharrlichkeit einhaucht. Kurzweilig begleitet ihre Stimme uns in diese Männerdomäne, die eigentlich für Frauen verschlossen bleiben will.

 

Neben den Mordfällen gibt es Einblicke in das Elend der Wirtschaftskrise, die Klassenunterschiede, die Vorbehalte gegenüber weiblicher Kompetenz, die Anfänge der Pathologie, aber auch die aufkeimenden nazionalistischen und nazionalsozialistischen Strömungen, denen mit menschenverachtenden Völkerschauen im Zoo der Weg geebnet wurde. In der guten alten Zeit, war bei weitem nicht alles gut...

 

Tatsächlich hat mich die Auflösung am Ende überrascht. Klar, ganz zum Schluß hat es sich abgezeichnet, aber bis dahin... Die Konsequenzen die Paula persönlich durch ihren Ermittlungserfolg zu spüren bekommt, sind zweischneidig. Einerseits hat sie einen Grund zu jubeln und stolz auf sich zu sein, andererseits, gibt es gute Gründe, warum sie den Erfolg nicht ganz genießen kann. Das macht das Ende etwas nachdenklich, aber dafür um so wahrhaftiger. 

 

Ganz herzlichen Dank an Bastei Lübbe für meine Bonusprämie von der Lesejury!

 

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