Samstag, 12. Dezember 2020

Das Wunder von R., Francesca Cavallo, Illustration Verena Wugeditsch, Mentor Verlag


Das Wunder von R., Francesca Cavallo, Illustration Verena Wugeditsch, Mentor Verlag

 

Weil es in ihrer Heimat für illegal erklärt wurde, dass Kinder zwei Mamas oder Papas haben, packt Familie Greco-Aiden ihre bescheidenen Habseligkeiten und verlässt das Land um in R. von vorn anzufangen. Der Ort R. ist dafür bekannt, dass dort nie etwas schlimmes passiert, einfach weil hier nie etwas passiert! So soll es auch bleiben, deswegen ist man allem Fremden und Neuen gegenüber erst einmal skeptisch. Für die Kinder Manuel, Camila und Shonda ist das befremdlich, aber daher freuen sie sich umso mehr, dass Olivia, die sie am Bahnhof nett begrüßte, auch im Café anstrahlt und von den Walkie-Talkies der hiesigen Kinder erzählt. So etwas hätten sie auch gerne und schreiben daher noch schnell an den Weihnachtsmann. Doch die Weihnachtsfrau schreibt ihnen zurück und erbittet ihre Hilfe für den 24.12. früh morgens, damit sie noch schnell mit 10 seiner Elfen, die Geschenke für alle Kinder in R. einpacken können... Das Unglaubliche geschieht, doch die Nachbarn sehen diese Veränderung mit Sorge und rufen gleich die Polizei!

 

Oh je, die Familie Greco-Aiden hat es nicht leicht, ständig stoßen sie mit ihrer offenen und freundlichen Art an die Grenzen der Borniertheit ihrer Mitmenschen. In R. passiert nie etwas Schlimmes, aber offensichtlich auch nichts so richtig Schönes. Alle scheinen irgendwie Angst vor Veränderung und anderen Menschen zu haben und schließen dabei das Leben quasi aus. Diese Neuankömmlinge sorgen da für frischen Wind, aber den finden nur die Kinder gut! Schaffen die Kinder es sich durchzusetzen? Empfohlen wird dieses Weihnachtsmärchen für Kinder von 8 – 10 Jahren. Meine 11 jährige Jüngste hat mitgelesen, stutzte aber gleich zu Beginn: was heißt das, sie mussten fliehen, weil sie illegal sind? Das mussten wir erst einmal erklären und diskutieren. Die Vorstellung, dass Menschen illegal sein könnten, fand sie einfach absurd! Aber diese Stadt R. war für die junge Rheinländerin sehr befremdlich. Kein nettes Wort zu den Nachbarn? Kein Lächeln, wenn man sich trifft? Welch traurige Vorstellung! Wie zauberhaft ist gerade in solch einer Umgebung die Post vom Nordpol mit dem angekündigten Besuch der Helferelfen! Natürlich wollen die Kinder dabei mitmachen, wobei Manuel als Ältester erst einmal Vorbehalte hat. Tja, wenn man älter wird, sieht man wohl mal gerne Probleme, wo keine sind.

 

Auf sehr poetische und märchenhafte Weise werden hier Kinder ermutigt, auch mal neue Wege zu gehen. Auf Fremdes und Unbekanntes zuzugehen, zu lächeln und nicht immer das Schlimmste zu erwarten. Es muss nicht alles vorausgeplant sein. Die schönsten Momente im Leben sind oft ganz spontan und ungeplant. Man muss Freude und Überraschungen auch zulassen können und menschliche Nähe willkommen heißen. Das sollten wir gerade jetzt nicht vergessen, wo wir doch lernen sollen mit mehr sozialer Distanz zu leben. Dabei sollte man sich aber nicht angewöhnen Barrieren zwischen sich und seinen Mitmenschen zu errichten, sondern neugierig und offen bleiben. So kann Weihnachten das schönste Fest der Freude und der Freundschaft werden und jeder Tag ein Tag voller neuer, wunderbarer Möglichkeiten.

 

Es ist eher eine märchenhafte Parabel, da es recht kurz ist und so für mich einige Fragen blieben. Wieso hat Dominique sofort Arbeit? Sucht Isabell keine Arbeit? Sie leben sehr bescheiden, liegt das daran, dass sie geflohen sind, oder weil nur eine von beiden arbeitet? Wenn alle Angst vor Fremden haben, wie lernen sich dann die Ehepaare überhaupt kennen, wenn man doch immer nur innerhalb seiner Familie bleibt? Aber das sind so typische Erwachsenenfragen, meine Tochter hat sich darüber nicht gewundert, dass sie zu fünft in einem Zimmer schlafen. Allerdings beschäftigte sie die Frage nach dem Vater der Kinder bzw. den Vätern der Kinder. Haben sie denn keinen Kontakt zum Vater? Vermisst er sie nicht furchtbar an Weihnachten, wenn sie dann weg sind? Na ja, zwei Frauen können ja schlecht Kinder bekommen, vielleicht kommen sie ja von der Samenbank? Oh je, da musste ich dann wieder erklären. Klar, Regenbogenfamilien oder gleichgeschlechtliche Paare hatten wir in der letzten Zeit öfter in der Literatur und im wahren Leben hat sie sie schon im Kindergarten und der eigenen Großfamilie erlebt, aber da weiß sie wie das mit Vater und Mutter war, da kennt sie die Dazugehörigkeit. Denn dazuzugehören, das ist für Kinder ganz wichtig und das merkt man auch daran, wie sie sich freuen, dass Olivia auf sie zugeht. Ach ja, schickt die Weihnachtsfrau in größere Städte mehr Elfen, die helfen und helfen dann gleich mehrere Familien? Haben die Elfen immer Namen mit dem Anfangsbuchstaben der Stadt in der sie helfen?

 

Die Illustrationen sind wunderbar freundlich und herrlich leuchtend farbig, mit einer starken Intensität. Die meisten von ihnen sind geradezu plakativ ein- bis doppelseitig. Zu Beginn und Ende eines jeden Kapitels zieren noch dreifarbige Vignetten die Seiten. Das macht gleich mehr Freude beim Lesen, das durch ein angenehm großes Schriftbild auch nicht so anstrengend für junge Leser ist.

 

Mit sanftem Druck und gemeinsamem Tricksen schaffen es die Kinder, dass nach all dieser Aufregung doch noch ein wunderschönes gemeinsames Fest gefeiert wird. Ziele kann man auch mit Hartnäckigkeit und Freundlichkeit erreichen, wenn man sich gemeinsam für eine Sache stark macht. Aggressionen sind oft nur hinderlich, Offenheit und Freundlichkeit, viel stärker. Manchmal merken Kinder viel schneller, worauf es wirklich ankommt.

 

Wir bedanken uns ganz herzlich für die weltoffene und weihnachtliche Leserunde bei Lovelybooks beim Mentor Verlag.

 

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Freitag, 11. Dezember 2020

Shadowblack, Karten des Schicksals, Sebastien de Castell, gelesen von Dirk Petrick, Der Audio Verlag, 1 MP3 9 h 25 min. ungekürzt

 

Shadowblack, Karten des Schicksals, Sebastien de Castell, gelesen von Dirk Petrick, Der Audio Verlag, 1 MP3 9 h 25 min. ungekürzt

 

Dies ist die Fortsetzung von „Spellslinger – Karten des Schicksals“ und knüpft unmittelbar an dessen Ende an. Kellen wurde von seiner eigenen Großmutter mit dem Schwarzschatten verflucht und seine Eltern haben seine magischen Bänder versiegelt. Der Schwarzschatten gilt als unheilbar und wer von diesem befallen ist, gilt als vogelfrei und darf jederzeit getötet werden. Sein Volk der magischen Jan Tep hat ein hohes Kopfgeld ausgesetzt und seither befindet sich Kellen (16) nur in Begleitung der von ihm geretteten Baumkatze Reichis und der eigenwilligen Agoci Ferius Parfax auf der Flucht. Leider ist Kellen auch als Verstoßener nicht geschickter als als Magier. Er kann sich die letzten magischen Künste trotz Ferius eindringlichen Mahnungen nicht verkneifen und so fallen sie immer wieder auf und werden von Kopfgeldjägern aufgespürt. Ferius hat alle Hände voll zu tun, ihn und Reichis vor neuen Katastrophen zu retten. Inmitten einer solchen treffen sie auf Seneira, ein Mädchen mit Augenbinde, das ebenfalls von einer Agoci begleitet wird. Sie auch sie scheint verflucht worden zu sein, doch ihre Schmerzen sind noch viel stärker und treten noch häufiger auf, als bei dem Spellslinger. Langsam beginnen sie zu ahnen, dass eine Verschwörung am Werke ist, aber von wem und warum?

 

 Dies ist wunderbare Jugendfantasy und mit Kellen lernen auch die Zuhörer eine Menge über Charme und die Pausen zwischen den Tönen, die die Musik ausmachen. Ferius ist nicht schön und schon gar keine Dame, dennoch vermag sie es zu verzaubern und in den Bann zu ziehen, einfach weil sie eine gute Zuhörerin ist und auf die Erwartungen ihrer Gesprächspartner perfekt einzugehen vermag. Sie kann nicht Zaubern, aber sie beherrscht es Illusionen und Überzeugungen nach den eigenen Wünschen des Gegenübers zu schaffen. Dieses Team von Ausgestoßenen hält zusammen, ohne sich selbst als Freunde zu bezeichnen. Was sie zusammenschweißt weiß Kellen selbst nicht so genau, doch scheint es erstaunlich belastbar zu sein. Neben dem magischen Kräftemessen, darf man Kellen dieses Mal in eine Akademie für magisch Hochbegabte begleiten. Eigenschaften, die auf ihn ja nicht zutreffen, aber dank Ferius Tipps, kann er als Spellslinger auch hier von seinen Defiziten ablenken und sie zu seinen Stärken wandeln. Träumen wir nicht alle davon, eine solche Kunst zu beherrschen? Dabei stellt Kellen sich bisweilen so ungeschickt an, dass man seinem Anti-Charme verfällt. Seine Überlegungen sind meist von Verzweiflung getrieben und dabei ebenso spitzfindig wie witzig.

Interessant finde ich hier den Aspekt des Schwarzschattens, dieser Seuche, die zur Verstoßung des jungen Jan Teps führt. Dieses Mal treffen sie auf weitere Betroffene, die versteckt werden, damit man sie nicht umbringt. Die Agoci gehen von einer Pandemie aus und wollen mehr erfahren... Gerade dieser Aspekt ist hochaktuell, der gefährliche Schwarzschatten, dessen Ursache unergründet ist und gegen den noch kein Mittel gefunden wurde... Als hätte Sébastien de Castell mit Hilfe von Magie die Zeichen der neuen Zeit vorher gesehen...

Die aufgezeigten Intrigen um Macht und Ansehen und Kampf gegen alles was diese durch seine Andersartigkeit gefährden könnte, ist magisch und spannend zugleich. Kellen und seine Begleiter kämpfen dabei scheinbar auf verlorenen Posten, doch solange man nicht gestorben ist, ist man nicht endgültig besiegt. Diese Gewissheit scheint Ferius nicht nur auszustrahlen, sondern auch immer wieder dessen Wahrheit unter Beweis zu stellen. Immer wenn Kellen denkt, es wäre aus, kommt von irgendwoher, irgendwie Ferius zur Rettung, dabei erscheint sie ebenso originell, wie verblüffend entspannt und effektiv.

 

Dirk Petrick als Kellen und ruppig-raue Ferius Parfax, ebenso die widerspenstige Baumkatze Reichis oder als verzweifelte von schwerer Krankheit gezeichnete Seneria, kann ich stundenlang zuhören. Er klingt nicht nur jung, sondern balanciert gekonnt zwischen Naivität und Arroganz, Sturheit, Lässigkeit und bisweilen sogar baumkatzigen Wahnwitz und Aggressivität, aber nie ohne einen gewissen Charme. Ganz besonders gelingt es ihm jedoch den Witz der Geschichte einzufangen, die eigentliche Lose zu wahren Helden macht, mit Mut, Humor und der Waghalsigkeit der Verzweiflung. Was haben sie schon groß zu verlieren?

Charmant und witzig, spannend wie tragisch und mit einem Sprecher, der die Geschichte lebt ist dieses Hörbuch einfach magisch.

 

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Der Audio Verlag für mein Hörexemplar!

 

Hier findet Ihr eine Hörprobe:

https://www.der-audio-verlag.de/hoerbuecher/shadowblack-karten-des-schicksals-teil-2-de-castell-sebastien-978-3-7424-1594-3/

 

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