Montag, 12. Februar 2018

17 Erkenntnisse über Leander Blum, Irmgard Kramer, Loewe Verlag



17 Erkenntnisse über Leander Blum, Irmgard Kramer, Loewe Verlag
Leander und Jonas sind seit ihrer Geburt die besten Freunde, denn sie wurden tatsächlich am gleichen Tag im gleichen Krankhaus geboren und auch ihre Eltern sind seitdem befreundet. Anders als ihre Söhne haben die Eltern nicht wirklich viel miteinander gemein. Doch Leander und Jonas verbindet seit jeher die Leidenschaft zum Malen. Früher mit Filz- und Holzstiften auf dem Boden liegend, später mit Ölfarben auf Leinwänden und als dies für ihre Produktivität zu teuer wird, mit Spraydosen auf Betonwände. Gemeinsam, aufeinander eingespielt gleich ihr gemeinsames künstlerisches Schaffen einem Tanz. Jede Bewegung sitzt, nie kommen sie sich in die Quere, sie ergänzen sich perfekt. Doch dann erblickt  Leander Rapunzel, ein kleines zartes Mädchen (naja, immerhin fast 18) mit den Bewegungen einer Tänzerin und goldblondem Haar, das ihr bis über den Po reicht. Jonas fürchtet, daß Rapunzel Leander das Herz brechen wird, er soll ihm versprechen sie zu vergessen.
Monate später besucht Leander eine andere Schule, alleine ohne Jonas. Er wirkt völlig fertig und Lila, die wegen einer Erkrankung erst später aus den Ferien zurückkam, ist total fasziniert von diesem schweigsamen Typ. Hat sie ihm was getan? Warum lehnt er sie nur ab? Was hat er? Warum hat er so dunkle Schatten unter den Augen und wirkt, als würde er in der Schule nur schlafen?
Das Buch war mein absolutes Lesehighlight. So intensiv, leidenschaftlich und emotional, doch wurde die Geschichte, die aus zwei Perspektiven, in zwei Zeitebenen erzählt wird, sehr geschickt aufgebaut. Man tappt als Leser sehr lange im Dunkeln. Was ist passiert? Wo steckt Jonas und warum hat Leander die Schule gewechselt? Man ist verwirrt und gebannt und spürt doch stets eine böse Vorahnung. Während der ganzen Lektüre fragte ich mich, ob es wohl ein gutes Ende nehmen könnte? Wie Lila fragte ich mich, wer ist Leander Blum? Lila, verliebt sich ziemlich schnell in Leander, dabei weiß sie nichts über ihn und er spricht auch nicht mit ihr. Und erst an dieser Stelle verrät Irmgard Kramer den Lesern, wie Leander eigentlich aussieht, denn es überrascht und fasziniert. Denn während anfangs stets nur Jonas Charme beschrieben wird und wie er alle Leute im den Finger wickeln kann, wirkt Leander abweisend, als würden die Leute vor ihm zurückweichen. Ein Eindruck, den er wohl eher selbst von sich hat, da er sich stets mit Jonas vergleicht, der aus einem traditionelleren Elternhaus stammt. Während Lila über Leander nachdenkt kommen ihr 17 „Erkenntnisse“ welche nicht immer ganz ernst gemeint sind, sondern vor allem ihre Verwirrung widerspiegeln, wie die Erkenntnis, daß Leander Blum ein Geist sei. Anfangs sehr distanziert, nennt sie ihn auch in Gedanken nur mit Vor- und Nachnamen, sieht sie in ihm mit zunehmender Erkenntnis in ihm immer häufiger einfach nur Leander. Doch kann ein Mensch so voller Leidenschaft und Emotionen, der Kunst aus jeder Pore atmet, „einfach nur“ sein?
Eine bittersüße Geschichte, die wunderbare Einblicke in die Welt der Streetart und der Kunst gewährt. Auch wenn Jonas und Leander beim Malen stets Tschaikowski auflegten, hatte ich ständig die Streicher von Verve’s „Bittersweet Symphonie“ im Ohr. Dieses Buch verzaubert, nimmt gefangen und gibt Rätsel auf. Eine unglaubliche Mischung, bis zum Schluß. Der Schluß ist länger als ich es üblicherweise mag, aber es ist eigentlich unausweichlich und vermag selbst dann noch in Details zu überraschen.
Die Kapitel werden übrigens steht mit einem Zitat eines Kunstkritikers oder –kenners zu Leanders Werken und teilweise einer von Lilas Erkenntnissen über ihren ominösen Banknachbarn eingeleitet. Anfangs hat mich das schon ein wenig irritiert, doch dann, je mehr ich in das Buch hineinwuchs, lernte ich zu vertrauen, in das Gespür der Autorin für Timing, Struktur und das große Ganze. Ich wurde nicht enttäuscht, im Gegenteil.
Mein absolutes Lesehighlight seit einer langen Zeit. Ich war gefesselt nicht nur bis zum Schluß, sondern auch noch im Schluß. Ein Buch, daß mich den ganzen Tag beschäftigte und gefangen hielt. Eine echte Wucht, ich kann es nur empfehlen! Aber 14 Jahre sollte man mindestens sein.
Verliebte 5 von 5 Sternen für dieses Buch, daß ich nicht hergeben werde.

Samstag, 10. Februar 2018

Das Geheimnis der gelben Tapete, Andrea Schomburg, Dorothee Mahnkopf, Tulipan



Das Geheimnis der gelben Tapete, Andrea Schomburg, Dorothee Mahnkopf, Tulipan
Emilia geht in eine Klasse mit 16 Jungen und 3 Mädchen. Julia ist dabei ihre Anführerin, die bestimmt wo es lang geht, wen sie mögen und wen nicht. Als Robert neu in die Klasse kommt und auf den freien Platz neben Emilia sitzen soll, ist es Julia, die bestimmt, daß das nicht geht. Er stinkt, nach Zigarettenrauch. Fortan wird Robert in der Klasse gemieden und er wird immer abweisender und aggressiver, als habe er einen Schutzwall um sich errichtet. Bei einem Besuch am Wochenende verkündet ihre Lieblingstante, daß sie mit ihrer Freundin 1 Jahr auf Weltreise gehen möchte und nun Emilias Familie das Haus überlassen möchte, es ist ein altes geheimnisvolles Haus. Bei den Renovierungsarbeiten macht Emilia hinter der gelben Tapete eine verwirrende Entdeckung, die sie nicht sofort versteht. Doch nach und nach versteht sie, wofür der kleine goldene Schlüssel hinter der Tapete war, was es mit dem 60 Jahre alten Zeitungsausschnitt auf sich hat und das Geheimnis echter Freundschaft.
Sehr einfühlsam und sensibel erzählt Andrea Schomburg von Gruppenzwang und Klassendruck, der dazu führen kann, daß ein Kind eigentlich grundlos ausgegrenzt wird. Wie dieser Ausschluß dieses Kind verletzt und zu Aggressionen und Gewalt als Schutz führen kann. Oft sind es auch Kleinigkeiten die darüber entscheiden, ob ein neues Kind in einer Klasse gut aufgenommen und sofort abgelehnt wird. Diesen Teufelskreislauf zu durchbrechen bedarf großen Mutes , der aber oft mit wahrer Freundschaft belohnt wird.
Sehr schön wird hier mal eine ganz andere Form von Mut gezeigt, der Mut sich für Außenseiter einzusetzen, nicht den einfachen, angepassten Weg zu wählen, sondern seinem Gewissen und Bauchgefühl zu folgen. Denn wenn Dein Herz und Dein Bauch jemanden mögen, dann solltest Du für ihn einstehen.  So können schon Leseanfänger die Entstehung von Mobbing begreifen und wie falsch es ist. Es zeigt, wie man dieses früh stoppen kann, bevor ein Kind unwiderruflichen Schaden erleidet. Belohnt wird dieser Mut mit lebenslanger Freundschaft. Ist das nicht mehr wert, als zur In-Clique dazuzugehören?
Einfache Worte, eine einfache Aussage, die zu Herzen geht. Sprachlich gut für begeisterte Leseanfänger ab 7 Jahren verständlich. Klare Schrifttypen, wie in einer Fibel, allerdings ist die Schrift kleiner. Die Reihe „Tulipan Kleiner Roman“ richtet sich an Leseanfänger, die gerne lesen und auch komplexere Geschichten lesen möchten, statt einfach nur Großdruck mit vielen Bilder und wenig Inhalt. Auf 58 Seiten können diese Kinder bereits einen ganzen Roman mit farbigen Illustrationen selbst lesen. Die Illustrationen sind sehr schön und strahlen große Freundlichkeit aus, die zart koloriert sind. Die behutsame Koloration passt sehr gut, zu der behutsamen Erzählweise, die teilweise auch eine Geschichte erzählt, die vor über 60 Jahren spielte. Einige Dinge ändern sich einfach nie und so kann Emilia eine Menge aus der Geschichte ihrer Lieblingstante lernen.
Andrea Schomburg wurde in Kairo geboren, ist im Rheinland aufgewachsen und lebt nunmehr in Hamburg. 2007 erschien ihr erster Lyrikband und auch in ihren Kinderbüchern reimt sie gerne und viel, wenn auch nicht in diesem. Das kann man auch auf ihrer Facebookseite bewundern. Bevor sie Kinderbuchautorin wurde, arbeitete sie als Lehrerin an einem Hamburger Gymnasium.
Dies ist eine weitere erfolgreiche Zusammenarbeit von Andrea Schomburg und Dorothee Mahnkopf im Tulipan Verlag. Die Illustratorin wurd 1967 in Berlin geboren und hat visuelle Kommunikation in Offenbach studiert. Seit über 15 Jahren arbeitet sie als freiberufliche Illustratorin und hat viele Schul-, Kinder- und Bastelbücher für Verlage gezeichnet. Inzwischen wohnt sie in Rheinland-Pfalz.
Eine wirklich schöne Geschichte, die zum Nachdenken anregt und mitfühlen lässt. Sie eignet sich auch sehr gut zum Vorlesen.
Ich bedanke mich ganz herzlich beim Tulipan Verlag für dieses sehr schöne Rezensionsexemplar.