Montag, 16. April 2018

Lil April (3), Das Chaos kommt selten allein, Stephanie Gessner, Magellan Verlag



Lil April (3), Das Chaos kommt selten allein, Stephanie Gessner, Magellan Verlag

Bevor die intellektuellen Großfamilie mit Kind und Kegel nach Oxford zieht, um dem Ruf der Uni für den Vater, einem Geschichtsprofessor zu folgen, geht es noch mal zum Familienurlaub nach Berlin. Dort soll nämlich Lils einwöchiger Modeworkshop stattfinden, den sie bei einem Talentwettbewerb gewonnen hat. Da ihre Eltern Lil mit noch nicht ganz 14 Jahren für zu jung für eine Woche Berlin finden, kommen sie alle mit, inklusive Hund und Lils bester Freundin Hel, die inzwischen mit ihrem älteren Bruder Pego zusammen ist. Mit 9 Personen ist bereits die Zugfahrt ein halbes Abenteuer und dank der Jungs Matts und Jari mit ihrem Mini-Kicker, die sie im Zug kennen lernen, ist es ziemlich witzig! Wäre da nur nicht Jaris blöde Bemerkung zu seinem Freund Matts, die Lil und Hel kurz vor dem Aussteigen belauscht haben. Egal! Lil will sich ganz auf den Workshop konzentrieren und muss feststellen, daß einige ganz schön verbissen an diesen herangehen, als wäre es ein Wettbewerb! Zum Glück ist Josephine aus der Schweiz anders und so hat Lil auch etwas Spaß während ihre Familie die Stadt unsicher macht und jemandem zum Reden, als sie feststellen muss, daß sie den Bruder des Fotografen kennt, ihn aber lieber vergessen würde.

Dies ist der dritte Band der Reihe und eigentlich ist er auch eigenständig lesbar, da die Familie aber wirklich sehr groß ist und die Namen doch recht eigenwillig, empfinden wir es als hilfreich mit Band 1 anzufangen. Wir haben mit Band 2 begonnen und waren anfangs ziemlich irritiert. Bei Band 3 waren wird dafür sofort mitten im Geschehen drin! Auch hilft es, daß meine Tochter nun ein Jahr älter ist und somit mit fast 11 Jahren, dem Zielgruppenalter entspricht. Ich war erstaunt, wie gut meine Tochter sich nach all der Zeit noch an die einzelnen Familienmitglieder erinnern kann, der Vorgängerband hat sie offensichtlich viel mehr beeindruckt, als ich damals dachte. Auch dieser Band hat sie wirklich berührt. Dem Workshop von Lil und dem Gezicke unter den Konkurrenten in spe, den angeblich lässigen Designern und den immer wieder auftauchenden neuen Jungs in der Runde Matts und Jari ist sie wirklich aufmerksam gefolgt. Ihr Liebling ist aber Lils jüngere 11-Jährige Schwester, die dieses Mal ziemlich viel Aufmerksamkeit bekommt. Auch ihre Hormone fangen an zu kochen und übernehme komplett die Oberhand bei ihr, während das Gehirn völlig ausgeschaltet wird. Das hat sie doch ziemlich erschreckt, wobei sie sich schon gut mit Artis Gefühl, daß sie nie etwas darf, immer nur die anderen, sehr gut identifizieren konnte. Hel ist dabei das totale Gegenteil, sie will nicht nur wie eine Klette an Pego hängen, der sie am liebsten nur für sich hätte, sondern auch Zeit mit ihrer besten Freundin Lil verbringen. Was ich richtig klasse fand, ist dass sie Pego auch richtig Contra gibt, wenn sie anderer Meinung ist als er! So führt die Familie nämlich eine ziemlich ausführliche Tattoo-Diskussion in der U-Bahn, sehr zur Unterhaltung der übrigen Reisenden. Dabei bezieht die Autorin nicht direkt Position und erhebt vor allem keinen moralischen Zeigefinger, was ich sehr angenehm finde, dennoch würde ich mal tippen, daß sie selbst nicht tätowiert ist ;) Am Ende wurde das Buch richtig spannend, meine Tochter hat total mitgefiebert und sie war sehr entsetzt, was mit Arti passiert ist. Sie hat sich wahrscheinlich geschworen, niemals selbst blind vor Liebe zu werden, aber wenn das immer so einfach wäre?

Die Familie ist wirklich sehr groß und das nächste Kind ist bereits unterwegs. Dennoch hat sich die Autorin mit allen Familienmitgliedern viel Mühe gegeben, ihnen eigene Persönlichkeiten auf den Leib zu schreiben, sie sich fortentwickeln zu lassen, statt sie nur als bloße Statisten durch das Buch schwirren zu lassen. Ganz klar hat dieses Buch eine Kernaussage: Familie ist das Wichtigste was macht hat, möge sie auch noch so sehr nerven und lästig sein, ohne sie, ist man nur ein halber Mensch. Dennoch steckt in diesem Buch noch viel mehr, was ich aber nicht verraten möchte, weil ich sonst die Spannung um Artis Irrungen und Wirrungen vorweg nehme.

Dieses Buch hat meine Tochter wirklich nachhaltig beeindruckt und sie hat auch während unseres Berlin-Urlaubs im Anschluss an das Buch, immer wieder darüber geredet, es war ganz sicher ihr Highlight für das erste Quartal und auch mir hat es großen Spaß gemacht, es gemeinsam mit ihr zu lesen.

Sonntag, 15. April 2018

Dumplin' go big or go home, Julie Murphy, Fischer FJB



Dumplin' go big or go home, Julie Murphy, Fischer FJB

Die 16 jährige Willowdean Dickson, ist nicht nur mit einem außergewöhnlichen Namen gesegnet, sondern auch mit konstantem Übergewicht. Sehr zum Leidwesen ihrer Mutter Rosie, einer ehemaligen Schönheitskönigin. Zum Glück hat ihre Tante Lucy sie stets unterstützt, bis sie vor einem halben Jahr an einem Herzinfarkt starb, als Folge ihrer pathologischen Fettleibigkeit. Seither fehlt Lucy Will unheimlich, doch sie hat ja immer noch ihre beste Freundin Ellen. Optisch ist diese das totale Gegenteil von ihr, aber was soll's? Die Liebe zu Dolly Parton eint sie seit Kindertagen und sie haben keine Geheimnisse voreinander. Bis Will sich bei ihrem Sommerjob in den süßen Bo, den Basketballstar der teuren Privatschule verliebt. In seiner Gegenwart klopft ihr Herz und sie bildet sich ein, nur noch Unsinn zu reden. Als er sie heimlich hinter den Mülltonnen küsst, traut sie sich noch nicht einmal Ellen davon zu erzählen, das glaubt ihr doch eh niemand! Außerdem ist es ihr auch unangenehm von jemand so perfektes berührt zu werden, plötzlich wird ihr ihre Haut zu eng und sie stellt sich selbst in Frage. Um sich selbst zu beweisen, daß sie nicht nur die Dicke vom Fast Food Laden ist, meldet sie sich zum Schönheitswettbewerb an. Damit macht sie nicht nur vielen anderen Mädchen Mut, sie riskiert sogar das Wichtigste in ihrem Leben: Ellen. Ihre Freundin wird ihr immer fremder.

Eine warmherzige und wirklich nachfühlbare Geschichte über die Unsicherheit von Teenagern. Fühlen sie sich nicht alle unwohl in ihrer Haut und gehört es nicht zum Erwachsen werden dazu, sich selbst kennen und lieben zu lernen? Dieser Prozess ist schmerzhaft und nicht immer schön. Will lässt uns an ihren Höhen und Tiefen teilhaben. Gerade als man sie am Liebsten hat, stößt sie einen plötzlich am meisten ab. Kann sie wirklich so fies sein? Ja, sie kann, denn in jedem von uns stecken zwei Seiten, die miteinander streiten. Durch den heftigen Streit mit Ellen, wird Will gezwungen neue Wege zu gehen und auf andere Menschen zuzugehen, auch wenn sie diese bisher zwar mochte, aber eher doch bemitleidete. Nun haben diese etwas, was ihr fehlt: eine beste Freundin. Verloren ohne Ellen und verwirrt und verletzt von Bo, weckt sie nun das Interesse des liebenswürdigen Football-Stars Mitch, als Verteidiger selbst nicht der Schmalste. Mitch ist hinreißend, aber eben nicht Bo und ihn kann Will nicht vergessen. Durch ihren Streit mit Ellen scheint Will so sehr aus der Bahn geworfen, daß sie völlig hin- und hergerissen ist und nur noch wieder zurück in ihren alten Wohlfühlstatus zurückfinden möchte. Doch das ist gar nicht so leicht, schon gar nicht, wenn die Mutter stets auf südstaatliche Perfektion achtet und man so gar nicht, der zu sein scheint, den sie sich wünscht.

Der Stil ist sehr fließend und einnehmend. Dank der Ich-Perspektive lernt man Wills intimste Gedanken kennen und wie bei jedem Menschen, sind diese nicht immer lieb und nett. Das macht die Erzählung aber auch wirklich so authentisch.Wenn man sich das Bild der Autorin ansieht, kann man sich vorstellen, daß sie in ihrer Jugend einige Erlebnisse mit Will teilte, ehe sie zu einer in sich ruhenden Autorin wurde. Vielleicht sind ihr daher auch immer wieder Wendungen eingefallen, mit denen ich so nicht wirklich gerechnet habe. So kam ich während des Lesens stets ins Grübeln, ob es wohl ein Happy End geben wird. Ob dies der Fall ist, muss wohl jeder für sich selbst entscheiden, es ist auf jeden Fall kein Hollywood Ende, was ich sehr angenehm finde. Ein echter Pluspunkt sind Wills alte und neue Freunde. Diese Mädchen, die nicht dem Amerikanischen Traum entsprechen, sind aber wirklich besonders: keine Abziehpuppen, sondern Persönlichkeiten, wohl auch deswegen, weil sie vom Leben bislang nicht verwöhnt wurden. Aber haben wir nicht alle irgendeine Last, mit uns herum zu tragen? Daher ist es so persönlich und zugleich auch persönlich. Will ist nicht perfekt und mit einigen ihrer Aktionen bin ich nicht einverstanden. Aber wer ist schon perfekt und wäre sie dann nicht langweilig?

Ein ganz besonderer Schönheitswettbewerb aus der Heimat von Barbie, aber mit echten Persönlichkeiten und echten Teenagern. Ein Buch, daß ich jungen Mädchen gerne weiterempfehle.