Freitag, 17. November 2017

Der Pfad – Die Geschichte einer Flucht in die Freiheit, Rüdiger Bertram, Heribert Schulmeyer, cbj



Der Pfad – Die Geschichte einer Flucht in die Freiheit, Rüdiger Bertram, Heribert Schulmeyer, cbj

Europa 1941: Europa befindet sich im Krieg. Nicht nur Juden verlassen wann immer möglich Deutschland, auch die geistige und kreative Elite versucht das Land zu verlassen. Viele sind zuerst nach Paris geflohen, bis sie auch von den Franzosen als Feinde in Lager gesteckt wurden. Als die Wehrmacht in Paris einmarschierte gelang vielen die Flucht in den „freien“ unbesetzten Süden. Doch auch dort unterstützen immer mehr deutsche Soldaten die französischen Polizisten oder Soldaten bei Razzien oder Kontrollen. Die Flucht nach Amerika wird immer dringender und immer schwieriger. Der kritische deutsche Journalist Ludwig Kaiser hat bereits seit Jahren seine Heimat verlassen, sein 12 jähriger Sohn Rolf spricht inzwischen Französisch. Über das Meer gibt es keine Fluchtmöglichkeiten mehr aus Marseille, da hilft nur noch eine Flucht über die Pyrenäen nach Spanien und vor dort auf ein Schiff im Lissaboner Hafen. Endlich hat Ludwig alle gefälschten Papiere beisammen und auch von seinen letzten Ersparnissen zwei Schiffspassagen gekauft, sie verlassen die Gemeinde der Gestrandeten in Marseille, um mit Hilfe von Widerstandskämpfern die Flucht durchs Gebirge anzutreten. Für die zwei Großstädter ist dies ein harter und gefährlicher Weg, geleitet von einem Ziegenhirten in Rolfs Alter.
Diese Geschichte ist ab 12 Jahren sehr gut geeignet. Sie ist so spannend, dass kein Kind zu sagen wagen würde: bitte keine Kriegsgeschichte. Der Krieg spielt auch eher am Rande eine Rolle, es ist mehr eine Frage der Bedrohungslage. Denn Rolf und sein Vater befinden sich ja eigentlich schon im unbesetzten Teil Frankreichs und dennoch kontrollieren dort auch deutsche Nazi. Selbst hinter der spanischen Grenze treiben deutsche Soldaten ihr Unwesen. Viel haben wir in der Schule gelernt über die Judenverfolgung, die Verfolgung der Sinti und Roma, der Kommunisten, der Homosexuellen, diesmal geht es um die Verfolgung der kritischen Geister aus Sicht eines 12 Jährigen. Als Journalist, fällt Vater Ludwig die Emigration nicht leicht. Während Romanautoren auch im Exil noch auf Deutsch schreiben können, in der Hoffnung eines Tages wieder verlegt zu werden, war es schier unmöglich als deutscher Journalist in den Vereinigten Staaten Artikel an deutschsprachige Zeitungen zu verkaufen, um davon zu leben. Seine Frau hatte weniger, was sie an Deutschland hielt. Als Tänzerin kann sie überall auftreten, ohne Sprachbarriere und ist daher schon nach New York vorgereist, um für ihre Familie alles vorzubereiten. Doch die Lage in Europa hat sich anders entwickelt, als von Ludwig erhofft und so versuchen sie noch auf den letzten Routen vor den Nazis zu entkommen. Denn auch Ludwig steht auf der Liste deren, die die Nazis auf keinen Fall entkommen lassen wollen. Im Rahmen der Schilderungen lernen die Kinder viel über die Bücherverbrennung in Berlin und Erich Kästner. Diesem ist Rolf in Berlin persönlich begegnet und so begleitet ihn sein persönlich signiertes Exemplar von „Der 35. Mai“ quer durch Europa. Ich möchte nun auch unbedingt dieses Werk von Kästner lesen. Es ist aber auch eine Geschichte über großen Mut in Zeiten der Not und wahren Freundschaft, die sich auch zwischen zwei Menschen entwickeln kann, die sich auf Anhieb nicht mochten und ein Leben lang halten. Großstädter Rolf mit seinem Kuschel-Terrier und Hirtenjunge Manuel, der nicht Lesen und Schreiben kann und nicht versteht, wozu man einen Hund zum Kuscheln braucht, kommen aus ganz verschiedenen Welten. Doch wenn man eine andere Welt kennen lernt, kann man sie besser verstehen und auch schätzen. Meist macht nur das Fremde Angst, daher ist es wichtig es kennen zu lernen.
Auch wenn diese Flucht, die an wahren Schicksalen orientiert ist, eine Zeit vor über 70 Jahren betrifft ist sie nicht nur eine Geschichte wider das Vergessen. Sie ist immer noch aktuell, denn noch immer fliehen Kinder ohne Eltern zu uns nach Europa, sie sind hier noch viel fremder, als der Berliner Rolf in den Pyrenäen. Daher hoffe ich, daß dieses Buch neben Spannung und Geschichtsverständnis auch Toleranz und Neugierde auf fremde Kulturen weckt. Eigentlich bin ich mir dessen sehr sicher und wünsche mir sehr, daß dieses wirklich wertvolle Buch auch im Schulunterricht zum Einsatz kommen wird. Ich bin ganz sicher, daß nicht nur die Comics zu Beginn und zum Ende des Buches die Kinder packen wird, sondern auch die Spannung und die Emotionen. Aber Vorsicht: dieses Buch ist ab 12 Jahren und kein Disney-Film! Es ist ein Abenteuer nahe an der damaligen Realität!
Begeisterte 5 von 5 Sternen, nicht nur für Jungs und Mädels ab 12, sondern auch für deren Eltern und Lehrer!

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